Arbeiten mit Schlüssel

Es gibt 163 Antworten in diesem Thema, welches 24.474 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mollisia.

  • Hallo Stefan,

    wenn ich mir das 1. Bild ansehe, meine ich, am obersten Pilzchen im oberen Stieldrittel Reste eines Velums zu sehen, ebenso wie evtl. Reste am Hutrand des 2. Pilzes. Im "Fungi of temporate Europe" heißt es zu Tubaria: "with broadly adnate gills and a well-defined ring".

    Beste Grüße

    Rainer

  • Hi.


    Im Pareys komme ich explizit über das nicht vorhandene Velum (Stiel kahl, allenfalls feinfaserig) zu Tubaria, also das genaue Gegenteil. Tatsächlich scheint das nicht gerade ein ideales Ausschlusskriterium zu sein, weil bei Tufur eben im jungen Zustand schnell vergängliche Ringreste durchaus vorkommen können und der "Beringte Trompetenschnitzling" beispielsweise auch noch mitreden will.

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

  • Hallo Stefan,

    wenn ich mir das 1. Bild ansehe, meine ich, am obersten Pilzchen im oberen Stieldrittel Reste eines Velums zu sehen, ebenso wie evtl. Reste am Hutrand des 2. Pilzes. Im "Fungi of temporate Europe" heißt es zu Tubaria: "with broadly adnate gills and a well-defined ring".

    Beste Grüße

    Rainer

    Hallo Rainer,


    das die Pilze Reste vom Ring haben, sehe ich inzwischen auch. Auch verschiedene Beschreibungen weisen auf ein Velum hin, auch wenn es nur das geübte Auge sieht. Die Beschreibung "...and a well defined ring" unterschreibe ich also nicht ;)


    Gruß

    Stefan

  • Servus beinand,


    ich habe den Thread jetzt erst entdeckt - ich war zu lange offline, da wurde das Tricholomopsis nicht mehr angezeigt.


    Bei Problemen kann ich immer gerne helfen (wenn ich gerade Zeit habe - wenn nicht, dann etwas später). Das Problem des Eingangspostings hatte ich mit dem Threasderöffner per PN geklärt, da er mir auch geschrieben hatte und mir das beim Wiedereinstieg hier natürlich angezeigt wurde.


    Zur Tubaria - ja, auch Tubaria furfuracea hat ein Velum universale - sogar recht deutlich. Die Flocken am Hutrand, sieht man vor allem bei jungen Exemplaren.


    Deshalb möchte ich hier, unabhängig von den Beispielen des Threads (habe nicht alles gelesen), etwas grundsätzliches erklären:


    Man darf nie glauben, alle Pilze, die man findet, bestimmen zu können. Da hat Peter recht, auch wenn ich seine pessimistische Grundhaltung nicht verstehe. Um eine Chance zu haben, sollte man eine Kollektion vor sich haben, von jung bis alt. Sonst fehlen möglicherweise wichtige Merkmale.


    Wie bei Tubaria - alte Fruchtkörper zeigen oft kein Velum mehr (oder es ist nur mit viel Erfahrung erkennbar - Pilzforensik). Aber wie soll man Gattungen schlüsseln, wenn man auch atypische oder alte Exemplare mit einbeziehen soll? Wie soll man bei einem Artenschlüssel z. B. alte Phlegmacien ohne Wissen über die Lamellenfarbe bei jungen Fruchtkörpern schlüsseln?


    Es geht auch nicht darum, immer Erfolg beim Bestimmen zu haben. Es geht auch darum, durch das Schlüsseln Merkmale zu erlernen, zu wissen, worauf man achten muss. Dass Climby/Stefan nie aufgefallen ist, dass Tubaria furfuracea ein Velum universale hat, zeigt das doch. Er beschäftigt sich viel mit Pilzen - aber warum auf solche Details achten, wenn man nicht auf diese hingestubbst wird?


    Ich würde nie behaupten, dass man mit meinem Schlüssel jetzt makroskopisch alle Gattungen rausbekommt. Aber vielleicht doch einige - und mit mehr Erfahrung noch mehr. Und deshalb erkläre ich auch ausführlich in dem Buch die Bestimmungsmerkmale.


    Natürlich ist ein Schlüssel nur so gut, wie er gemacht wurde. Das ist bei allen Werken so. Das gilt auch für Beschreibungen. Mein Ansatz ist es aber, auch Fortgeschrittene wie Climby dazu zu bringen, genauer hinzusehen. Je mehr Merkmale man beachtet, umso genauer man zu beobachten lernt, umso sicherer wird man später bestimmen können. Felderfahrung bringt dann etwas, wenn es sich um Erfahrung bei den Pilzmerkmalen handelt und nicht um das Wissen über Spazierwege (Felderfahrung ist so abstrakt - manche gehen 10 Jahre ins "Feld" und können wenig bestimmen, andere drei Jahre und sind topfit, was Bestimmung angeht) - das bezieht sich natürlich nicht auf Climby.


    Für Einsteiger ist es schwierig, da die Begriffe einen erschlagen können und man lernen muss, sie zu beobachten. Man muss auch lernen, mit einem Schlüssel umzugehen. Deshalb kann man ja mit einem Fliegenpilz anfangen. Den kennt jeder. Kann man den aber auch anhand des Schlüssels erkennen / herausbekommen? Dann einen Steinpilz. Vielleicht einen Hallimasch... man lernt, zu schlüsseln. Nicht umsonst wird das auch bei Pilzkursen durchaus gelehrt, denn sooo einfach ist das nicht.


    Ich war übrigens froh, dass es den Moserschlüssel gab (mit Mikroskopie aber). Er war ein mehr als wertvolles Hilfsmittel, ich will den nicht schlechtreden oder schlechtgeredet sehen. Man muss aber wissen, wie man mit so einem Hilfsmittel umgeht und auch einschätzen können, wie verlässlich die Ergebnisse sind.


    Kein Gattungsschlüssel ersetzt Spezialliteratur. Kommt man aber über einen Schlüssel z. B. zu Tubaria, dann kann man mit der passenden, tieferen Literatur prüfen, ob das plausibel war. Ein Schlüssel ist nur ein erstes Hilfsmittel dahin.


    Fehler wird man in jedem Schlüssel finden. Wenn man welche findet, kann man die aber auch verbessern (Notizen machen usw.). Es ist ein Hilfs-Tool für das Kennenlernen von Merkmalen, Merkmalskombinationen und Gattungen oder Habitustypen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


    Ich hab e kein Problem damit, wenn kleine Passagen im Originaltext oder als Foto eingestellt werden. Der Verlag sicher auch nicht - wenn es nicht seitenweise passiert, denn der Schlüssel war wirklich sehr viel Arbeit und natürlich mit ein Feature, dass in der Form woanders ohne Mikromerkmale selten zu finden ist. Ich versuche nämlich, durch den Schlüsseltext auch Merkmale zu erklären, Ausnahmen klar zu benennen - man muss auf das Wort "oder" sehr gut achten.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • So, nochmal ich - ich möchte das Velum universale von Tubaria zeigen. Man sieht die Velumreste am besten am Hutrand. Auf dem Hut werden sie oft vom Regen abgewaschen. Am Stiel zeigen sich auch Velumflocken bis Velumbänder.


    Regen wäscht den Hut meist ab, am Stiel bleibt aber meist was zu sehen, es sei denn, man nimmt den Stiel unsachgemäß in die Hand (dreht ihn zwischen zwei Fingern, wischt alles ab).


    Tubaria furfuracea - Hier sind die Velumspuren sehr dezent, aber noch vorhanden. Man sieht die Flocken am Stiel (wenige Flocken) und am extremen Hutrand die Reste. Der Rest ist abgewaschen.


    Die gleiche Gruppe von unten betrachtet - am Stiel sind die Velumreste jetzt schon sehr deutlich zu erkennen, finde ich. Der rechte Fruchtkörper zeigt jetzt noch mehr, weiße, sehr feine Velumdupfer auch weiter mittig auf dem Hut, der zweite von links deutlicher (Pfeil), aberfast nur am Hutrand.


    Tubaria hiemalis - Und hier kann man das Velum wirklich nicht übersehen. Es ist wunderschön, weiß auf fuchsbraunem Grund.


    Dass aber alle Tubarien einen Ring haben, stimmt nicht. Der Ring ist aber Velum universale, wenn er vorhanden ist (z. B. Tubaria confragosa).


    Und noch eine Tubaria:

    Tubaria conspersa - deutlicher geht das Velum nicht. Man sieht schön, dass die Flocken den ganzen Stiel hochgehen (Cauloblem). Auf dem Hut ist es richtig fransig-zottig.


    Tubaria cf. romagnesiana - und auch hier sieht man am Stiel sehr deutlich Velumreste, die eine angedeutete Ringzone bilden (keinen häutigen Ring) - auf dem Hut sieht man am linken Exemplar auch noch sehr fein Velumreste am Hutrand. Hier könnte man nicht erkennen, ob es Velum partiale oder Velum universale ist. Die Fruchtkörper wuchsen bei Dauerregen, da wurde fast alles abgewaschen - der Stiel ist da aber immer ein bisserl geschützt.


    Ob Tubaria confragosa, T. hiemalis und T. romagnesiana nun eine Art oder drei Arten darstellen, ist hier irrelevant. Ich will nur zeigen, dass die Gattung Tubaria keine nackten Fruchtkörper bildet, sondern eben typisch ist, dass sie Velumflocken auf dem Hut und am Stiel haben (Velum universale).


    Ich finde es unglaublich spannend, genau hinzusehen und solche Merkmale bewusst zu erkennen und zu deuten. Je mehr man am Fruchtkörper "lesen" kann, umso schneller wird man später Pilzgattungen/-arten erlernen können.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Moin Christoph,

    Da hat Peter recht, auch wenn ich seine pessimistische Grundhaltung nicht verstehe.

    Sorry Christoph, aber ein Jahr lang Homeoffice, Vorlesung nur vorm totenstillen Notebook und dann einen Dienstherren, der alles mögliche behauptet, aber das Wort Fürsorgepflicht nicht kennt, haben mich meinen Optimismus vergessen lassen. Das wird in 2022 wieder besser.

  • Servus Thomas,


    gern geschehen :-).


    Servus PDPAP-Peter, dich meinte ich gar nicht. Sorry!


    Ich meinte den User Peter - ich bin noch Generation Moser-Schlüssel und fand den grandios. Dass manche mit Schlüsseln falsch umgingen (der Moser war eine Bestimmungshilfe, man musste auch damals schon die Ergebnisse dann mit Spezialliteratur abgleichen, wenn man die Bestimmung absichern will - das ist heute auch noch so, ob Funga Nordica oder Gröger...), ist nicht Schuld des Moser-Schlüssels.


    Felderfahrung - also Erfahrung, Pilze im Gelände bestimmen zu können - kann man doch auch nur aufbauen, wenn man lernt, welche Merkmale man im Feld prüfen muss. Mein ganzes Artenwissen, das ich im Lauf der Jahre aufgebaut habe oder meine aufgebaut zu haben beruht auf der Arbeit mit Bestimmungsschlüsseln. Und da hat der Moser extrem geholfen. Ich wusste aber damals schon, dass nicht alle Arten enthalten sind, dass nicht alle Gattungen gehen, weil manche Schlüssel auf mittlerweile überholten Artkonzepten beruhten (die Dickröhrlinge beispielsweise). Aber es ist ein Gesamtwerk gewesen, mit dem man sich überall einarbeiten konnte. Und das war damals sehr wichtig. Aber auch der Moser arbeitete mit Mikromerkmalen. Trotzdem lernte man auch, viele Makormerkmale zu nutzen und zu deuten.


    Deshalb mag ich die Bestimmungsapps oder andere, synoptische Schlüssel nicht. Ich lerne da beim Bestimmungsprozess nichts. Ich mag es, zu lernen, warum man einen Pilz in die oder dieGattung einordnet. Ich will das ja später auch alleine können (im Feld). Und da ist - finde ich - am Anfang weniger mehr. Weniger Arten mitnehmen, dafür eine ganze Kollektion und sich mit der intensiv beschäftigen, sauber die Merkmale analysieren (auch Sporenpulver, Reaktion mit Melzers, Ökologie, Velumverhältnisse, Konsistenz usw.), schlüsseln, im Nirvana landen (merkt man durch Abgleich des Ergebnisses mit anderen Büchern), neu schlüsseln und irgendwann macht es klick, ein Aha-Erlebnis und man versteht, was gemeint ist. Und ist der Schlüssel fehlerhaft, verbessert man ihn eben selbst. Ist er zu fehlerhaft, dass er nicht nachträglich reparierbar ist, nimmt man einen anderen Schlüssel.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Moin Christoph,

    danke für Deine tolle Erklärung.

    Servus Peter,


    sehr gerne :)


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Danke Christoph, das ist genau die Art Nachhilfe, die ich brauche, um mit Schlüsseln vielleicht irgendeinmal zurechtzukommen. Mir ist ja bewusst, dass ich meist nicht genau genug hinsehe. Aber wenn es dann so weit ist, vergesse bzw. übersehe ich dann doch wieder wichtige Merkmale. Aber deine Erklärung zum Velum universale von Tubaria dürfte jetzt sitzen. Hab vielen Dank!

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

  • Hallo Wutzi ,

    du hast unter anderem Folgendes geschrieben:


    ".... wenn frau viel zu spät angefangen hat sich mit Pilzen zu beschäftigen....."


    Ich bedauere manchmal auch, so spät zu den Pilzen gekommen zu sein. Dann erinnere ich mich aber an folgendes Zitat von Gandhi:


    "Lebe so, als ob du morgen sterben würdest, aber lerne so, als würdest du ewig leben".


    Sicher nicht einfach, aber als Zielvorgabe finde ich es gut .

    VG

    Thomas

    AUCH VON MIR KEINE ESSENSFREIGABE. EINE BESTIMMUNG IST OHNE JEDE GARANTIE.

  • Hallo zusammen,

    ich muss hier noch ein persönliches "Schlüsselerlebnis" wiedergeben, das dazu führte, dass ich von der Bestimmung per Schlüssel dauerhaft Abstand genommen habe.

    Ich weiß nicht ob das Problem in dem Buch, bei dem Christoph Mitautor ist, behoben ist. Ich habe das erstmals mit Haas Pilze Mitteleuropas und letztmals mit Bon/Pareys überprüft.

    Der Problempilz heißt getigerter Sägeblättling. Ich hatte den per Bildvergleich und abschließend durch Vergleich der Beschreibungen bestimmt.

    (Der Pilz war in "Pilze, die nicht jeder kennt" von Kosmos bebildert und beschrieben.)

    Mit allen mir vorliegenden Schlüsseln komme ich da niemals hin. Das Problem ist, dass da ganz am Anfang gefragt wird, ob die Pilze zentral gestielt sind. Wenn man das bejaht, kommt man niemals zum getigerten Sägeblättling.

    Ich hatte damals eine größere Kollektion in einer Flussaue an Weide und da war alles schön zentral gestielt. Ebenso übrigens bei den Bildern aus dem benannten Buch.

    So etwas hat man beim Schlüsseln öfter. Wenn die Gattung eigentlich ein bestimmtes Merkmal hat, aber die spezielle Art nicht, kommt man nicht weiter.

    So sind ja bekanntermaßen nicht bei allen Wulstlingen die Lamellen deutlich frei. Wenn man ein solches Exemplar in der Hand hat, kann man den mit Erfahrung als Wulstling einordnen, aber leider eben nicht mit Schlüssel.

    Dieser Umstand führte bei mir dazu, dass ich über ein Jahrzehnt Pilze nicht sicher zu den Wulstlingen zuordnen konnte.

    Das Problem ist, dass die Praktiker viel auf den "Habitus" achten, aber nirgendwo beschreiben was sie da tun.

    Es sind die Größenverhältnisse der verschiedenen Pilzteile.

    Diese Merkmale können aber leider genauso in die Irre führen, wie die in den Büchern beschriebenen.

    Vor gut 2 Jahren fand ich etwas, das meiner Meinung nach einen Pfefferröhrlingshabitus hatte. Es entpuppte sich als Bonsaigallenröhling.

    Auf Grund der Wetterlage waren die Größenverhältnisse stark verzerrt und das Rosa der Poren war zu einem Braunrot geworden.

    Gruß,

    Marcel

  • Hallo zusammen


    Ich misch mich auch mal ein, obwohl ich eigentlich Winterschlaf halte (gefrorene Pilzreste von Totholz kratzen, das ist nicht so mein Ding, habe aber grosse Ehrfurcht vor denen die trotzdem auf Pilzpirsch gehen ...)


    Ich würde auf keinen Fall nur wegen einzelner Misserfolge auf das Schlüsseln verzichten.

    Mir gelingt längst nicht jede Bestimmung per Schlüssel, und hatte auch schon so frustrierende Erlebnisse wie oben beschrieben mit dem Sägeblättling.

    Nur war es bei mir eine optisch völlig missratene Nebelkappe (schäm...)


    Wenn man den Schlüssel weglässt, ist die Bestimmung in vielen Gattungen für einen Laien wie mich praktisch unmöglich.

    Also doch lieber ab und zu einen Unbestimmling nach mühsehligen Versuchen in die Tonne hauen, als gleiche alle kleinen braunen Pilze stehen lassen weil die nach Foto eh nicht bestimmbar sind. Die Schlüssel sind ein Hilfsmittel, keine Garantie. Aber darauf verzichten, nur weil es nicht immer klappt - nee.


    Den einen Schlüssel, mit dem man jeden noch so untypisch gewachsenen Pilz trotzdem zielsicher bestimmen kann, den gibt es nicht und wird es auch nie geben (zumindest nicht nach morphologischen Merkmalen). Das liegt nicht daran dass die Schlüssel schlecht sind, sondern daran dass die Natur launisch ist.

    Also welchen Schlüssel benutzen? Naja meiner Meinung nach: Alle die man kriegen kann.

    Wenn die Bestimmung nicht auf Anhieb klappt, nimmt man halt den nächsten Schlüssel, dann den nächsten.

    Ich hatte aber auch schon Erfolg mit Schlüsseln die ich praktisch nie nutze (z.B. PdS).

    Mit der Zeit sammelt man Erfahrung, welchen Schlüssel man für welche Pilze am besten verwendet.

    Hier im Forum ist dazu jede Menge Wissen präsent.


    Und wenn man eine Kollektion hat, die nicht dem bilderbuchmässigen Mykologen-Standard dieser Spezies entspricht, dann kommt es halt darauf an einen Schlüssel zu finden, der mit dem entscheidenden Merkmal etwas "lockerer" umgeht oder sich auf andere Merkmale stützt.


    So, zurück zum Winterschlaf. Hier sind -15°C, mich kriegt im Moment niemand in den Wald.


    Gruss Raphael

  • Lieber Marcel,


    ich kann auch nur anraten, weiterhin mit Schlüsseln zu arbeiten. Ich habe bei meinem Schlüssel übrigens nichts behoben, da ich den komplett neu erstellt habe. Ich habe also keinen anderen Schlüssel als Vorlage genommen.


    Zum Sägeblättling - der ist eben normalerweise exzentrisch gestielt. Wie Raphael schon schrieb, wirst du atypische Fruchtkörper oft nicht sofort bestimmen können. Wenn du aber typische einsammelst, dann schlüsselst und auf ein Ergebnis kommst, dann wirst du daraufhin auch den zentral gestielten erkennen können. Kein Schlüssel kann alle Wuchsanomalien abdecken.


    Übrigens habe ich die Konsistenz des Stielfleisches genommen - ist die korkig-zäh, fast holzig oder der Stiel deutlich exzentrisch oder der Stiel fehlt, dann gehts in einen eigenen Schlüssel. Du solltest daher bei meinem Schlüssel bei Lentinus und Neolentinus ankommen (die trenne ich über den Fäulnistyp - Braunfäule vs. Weißfäule).


    Bei Amanita sprichst du mir aus der Seele. Ich habe nie verstanden, warum fast alle Amanita als "mit Lamellen frei" schlüsseln. Ich habe zu dem Thema auch publiziert (Mycologia Bavarica, zusamen mit Till Lohmeyer) und da z. B. Amanita excelsa s.l. mit breit angewachsenen Lamellen gezeigt. Trotzdem wird weiterhin hartnäckig "Lamellen frei" geschlüsselt. Auch wieder bei Fungi of Temperate Europe, wenn ich mich recht erinnere. Verstehe ich nicht, da Amanita keine freien Lamellen haben muss. Sie können sogar leicht herablaufen. Folglich schlüssle ich Amanita nicht über Lamellen frei aus.


    Dafür habe ich sicher anderswo Fehler drin. Wenn mir was auffallen sollte oder ich entsprechend Rückmeldung bekomme, werde ich das natürlich z. B. hier publik machen, damit man das dann mit einem Post It leicht beheben kann.


    Raphael hat es m.E. genau richtig beschrieben - nutze mehrere Schlüssel, aber nutze sie. So lernst du am meisten. Auch aus den Fehlern der Schlüssel. Kannst du einen Schlüssel ausbessern, hast du sehr viel gelernt. Du verstehst dann, was wo wie wichtig ist und verstehst, warum da ein Fehler ist. Ich habe mich deshalb auch in der Praxis nie an dem Glauben gestört, Amanita habe freie Lamellen. Ich wusste, dass das oft nicht stimmt, wusste aber, was die Autoren meinten.


    Genauso gibt es laut vielen Schlüsseln bei Rüblingen und Schwindlingen keine freien Lamellen (dabei kennt jeder den Halsbandsachwindling - freier geht's nicht). Auch da weiß ich, dass die Autoren der Schlüssel das halt nicht bedacht haben und gehe bei einem Halsbandschwindling dann eben doch bei "Lamellen angewachsen" weiter, auch wenn's weh tut. Ich denke da nur immer an de Einsteiger, die durch sowas verwirrt werden. Auch deshalb habe ich beschlossen, es selber zu probieren und es eben besser zu machen. Ob's geklappt hat, wird sich zeigen.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo Thomas, völlig richtig, das sind sehr weise Zitate. Ich pflanze auch immer noch Obstbäume und probiere immer mal was Neues aus. Aber leider gehört viel Disziplin dazu, das in Bezug auf die Pilze umzusetzen. Ein bisschen leichter fiele es mir sicher, wenn Pilze jederzeit verfügbar wären. Ich werde dran arbeiten🥴

    Lieben Gruß


    Claudia


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  • Servus beinand,


    ich habe den Thread jetzt ganz durchgelesen. Wäre ich früher hier wieder aktiv gewesen, hätte ich an ein paar Stellen gerne geholfen, aber das meiste wirde ja so schon beantwortet.


    Zu allererst:

    Jetzt habe ich den ersten wirklichen Fehler bzw. die erste Auslassung gefunden (dank euch). Ich habe bei den Arten auf Boden in der tat Agrocybe vergessen (bei den Braunsporern)! Viele kommen gerne bei Holzresten vor oder an Holz oder auf Holz (wobei Cycolcybe ja mittlerweile eine eigene Gattung ist). Ich schlüssle manche Gattungen natürlich mehrfach aus - an Holz und am Boden. Oder mit und ohne schmierigen Hut. Beim Testen des Schlüssels ist es nicht aufgefallen. Dank eurer Aufgaben ist klar: im Schlüssel G fehlt Agrocybe auf der am Boden-Seite. Wird definitiv behoben (nächste Auflage, falls die kommt) bzw. ich werde ein Erratum erstellen, wo ich die Lücke fülle (zum mit Pos-It-Einkleben ins Buch).


    Zu aufsteigenden Ringen - wenn das Velum, das den Ring bildet, von der Stielbasis ausgehend nach oben geht und dann auf den Hut, dann reißt es beim Aufschirmen ab und bildet einen aufsteigenden Ring. Und ja, das ist dann Velum universale.


    Sehr schön bei Galerina marginata zu sehen. Der Ring ist jung aufsteigend. Und oberhalb(!) des Rings findet man (wenn man etwas Glück hat) die Cortina. Ich habe das fotografiert und in die Merkmalserklärungen reingegeben. Oft ist das Velum aber nur stellenweise häutig. Weiter unten am Stiel kann es auch sehr lückig sein, dann sieht es noch mehr wie ein Teilvelum aus. Velum kann immer und überall reduziert sein.


    Ist das Velum universale aber dick, klebt quasi am Stiel und mündet in einen aufsteigenden Ring, dann ist der Stiel "gestiefelt" - wie Überkniestiefel... Ist ja nur ein Begriff, ein Bild.Manchmal ist das nur sehr jung der Fall, weils den Stiefel zerreißt, wenn sich der Stiel streckt. Es muss aber eben nicht so dicht sein, es muss nicht immer gestiefelt sein. Bei Galerina ist das Velum universale des Stuiels viel dünner, zarter und meist nur stellenweise kräftiger (--> Ring).


    Oft wird der Ring aus beiden Vela gebildet - dann hat er aufsteigende und hängende Anteile. Sieht man bei vielen Egerlingen. Und das Velum universale besteht wieder aus zwei Schichten, das heißt ein Ring kann dreischichtig sein.


    Das meiste andere wurde ja dann in der Diskussion richtig erklärt.


    Nochmal zum Ackerling - die Sporenpulverfarbe hätte die Bestimmung als Protostropharia vermieden. Agrocybe elatella kenne ich (habe auch mal einen Fund publiziert) - und ja, ist eher zierlich. Bei sowas wie zierlich (ich denke da v. a. an Panaeolus und so fleischloses Zeugs) vs. kräftiger würde ich auch immer beide Wege gehen. das sind eher schwammige Schlüsselpunkte. Ob man Protostroparia semiglobata auch bei kräftgi schlüsseln soll? Vermutlich?! Oder doch nicht? (Pr. dorsipora, Pr. alcis etc. sind sehr zierlich, Pr. semiglobata jetzt auch kein Fleischriese)...

    Da fällt die Entscheidung schwer - deshalb beide Wege. Das Sporenpulver schließt aber schon Agrocybe aus.


    Der Leucoagaricus, der gezeigt wurde, müsste recht gut gehen (die Gattung ist aber auch nicht so einfach zu definieren, manche sehen aus wie Riesenschirmlinge, andere wie blasslamellige Egerlinge...).


    Der Schlüssel stammt übrigens komplett von mir (weil es hieß, ich sei beteiligt), insofern stehe ich für alles darin gerne zur Verfügung, was Fragen dazu angeht. Und sollte irgendwo noch etwas gefunden werden, ergänze ich das auch gerne.


    Ich kann das Trockenüben im Winter mit Fotos wärmstens empfehlen - dann seid ihr in der Saison sicherlich fitter bzw. freut euch, das nochmal real nachvollziehen zu können.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hi Christoph.


    Schön, dass du dich noch eingefunden hast und noch auf die Fragen eingegangen bist.


    Ich packe mal noch ein weiteres Schlüsselbeispiel mit rein - bei dem war ich damals auch auf dem falschen Dampfer und mit dem Parey habe ich mich konsequent verschlüsselt. :)


    Rätsel 4: Die Gattung reicht aus für diejenigen, die nur mit Christophs Buch schlüsseln.


    Fundort: Kalkhaltiger Boden, Bäume: Fichte, Lärche, Kiefer

    Datum: September

    Fleisch: längsfaserig

    Hut: ca. 3,5cm

    Größe: ca. 3cm

    Sporenpulver: Weiß

    Geruch: Unbedeutend

    Geschmack: leicht bitter

    Lamellen: leicht braunfleckig (schlecht zu sehen)





    Bitte wieder nachfragen bei fehlenden Angaben und Spoiler benutzen. :)


    LG.

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

    Einmal editiert, zuletzt von Schupfnudel ()

  • Hi Bernd.


    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
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    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    Rätsel 4 ist knackig. Da muss man auch in der entsprechenden Gattungsmonographie aufpassen, dass man da richtig einsteigt, denn sonst kommt man sonstwo raus. Das ist so ein typischer Fall, dass man hier den Pilz "kennen muss" und ihn am besten im Feld erkennt. Beim Schlüsseln gibts da einige Stolpersteine und nein der Rätselpilz 4 ist in Christophs Buch nicht drin, da zu selten.


    l.g.

    Stefan

  • Ah, Danke fürs Aufklären Stefan. Ich hatte das fast schon vermutet, finde es aber schon nicht übel, dass Bernd gleich in der richtigen Gattung rausgekommen ist. Das war bei mir damals das Problem. Da der Pilz nicht im Buch ist, reicht auch für die anderen, die mit Christophs Buch schlüsseln, die Gattung - ich ergänze das oben. :)


    LG

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  • Liebe Grüße aus dem Vogtland

    die Schwarzhex

    :gwinken: Sandra

    (PC 100 - 10 (fürs APR 2020) = 90 - 15 (APR 21) = 75-10 (APR22) = 65 + 7 (APR 22 Auflösung) - 5 (Rätsel-Gedicht)= 67 - 10 (APR 23) = 57 + 5 Gnanzierung = 62 - 10 (Ast-Wette gegen Björn) = 52 )

    • Offizieller Beitrag

    Klar im Vogtland ist ja alles häufig. ==Gnolm10==Gnolm7

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Das ist dann wohl die bereits erwähnte "Felderfahrung". :)

    Und ja, der Pareys löst das ganz gut, finde ich auch. Bestimmung passt natürlich. :daumen:

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