Oasen

Es gibt 18 Antworten in diesem Thema, welches 6.034 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo miteinander!


    Nach dem treffen letzten Dienstag mit Walter (der am Nachmittag leider noch einen Termin hatte), kam mir die Idee mal noch in einem Waldstück vorbeizuschauen, wo ich seit meiner Kindheit (in dem Fall so grob seit 25 Jahren) nicht mehr war. Die Idee erwies sich als gar nicht so schlecht. Daß das angestrebte Fleckchen Wald ein regelrechtes Kleinod ist, war mir damals nicht so bewusst. Es hatte was Gespenstisches, wegen dem Sumpf, den alten Bäumen, den Moosen, Nebeln und Pilzen. War toll.

    Beim Wiedereintritt in den Wald nach so langer Zeit wurde es noch toller.

    Zum einen, weil sich in Südwestdeutschland das Pilzwachstum nur noch auf einige wenige Oasen verteilt. Je weiter nach Norden und Westen, desto katastrophaler die Situation durch zweijährige Dürrekatastrophe, Überdüngung, Bodenvergiftung und Habitatsvernichtung.

    Dann in einem Wald zu stehen der nicht nur klatschnass ist, sondern der 1:1 so aussieht, wie vor 25 Jahren (man könnte fast glauben, daß da gar kein Mensch mehr durchgegangen ist, seit ich das letzte Mal da war) ist schon ein schönes Gefühl. Ökologisch: Hochmoortorf. In den Randbereichen freilich ausgetrocknet, im Kernbereich noch sehr nass, sauer mit kleinen Bächlein und ganz viel tollen Moosen. Heidelbeeren. Ein paar krautige Pflanzen, die ich gar nicht kenne. Sauer. Nass. Nährstoffarm. Ein Fichtenurwald: Das Gelände war zumindest im Kernbereich wohl schon immer so dumpfig und unwegsam, daß sich eine Beforstung nie rentiert hätte (gibt ja auch genug leichter zugänglichen Wald drum rum). Auf über 1000 Metern auch hoch genug, da fließt nicht besonders viel Dreck von Weiden und erst recht nicht aus Agrarindustrieller Nutzung rein.


    Viel Zeit hatte ich ja nicht, und wenn man so aus der Wüste kommt, wird man mit der bunten Vielfalt so einer Oase ziemlich erschlagen.

    Ein paar Pilze kann ich auf jeden Fall mal zeigen, wobei ich vieles einfach habe stehen lassen, weil ich es eh nicht hätte so nebenher bestimmen können (mit solchen Habitaten fehlt mir Erfahrung hinsichtlich des Artenspektrums). Also lauter lustige Schleierlinge, Helmlinge, Milchlinge und vor allem Täublinge mussten außen vor bleiben. Für Krusten udn Porlinge muss ich noch mal extra da hin, das könnte spannend werden.

    Eindrücke sind schwer wiederzugeben, weil auch das Wetter halt nicht gut war. Bei Sonnenschein habe ich immer furchtbare Kontrast - Probleme.



    Ein recht spezielles Gebiet also, wo man wirklich auch mal gezielt nach speziellen Pilzen stöbern müsste.
    Da wachsen zB kaum noch Röhrlinge. Die einzigen Arten, die es auch im Kernbereich noch aushalten, wären Fichtensteinpilze und Maronen.
    Direkt im Sumpf wächst wohl auch kein Flocki mehr. Viel zu nass, falscher Untergrund, eventuell sogar zu sauer.


    Die Fichtensteinpilze (Boletus edulis) sind allerdings überall. Vor allem in den Randbereichen. Und so sieht das dann aus, wenn die in Ruhe Sporen verbreiten können, weil niemand zum Absammeln kommt:


    Jung standen auch noch genug rum:

    (rechts mit Mycena leucogala im Hintergrund)


    Oder direkt in den Torfpolstern an den Gluckerbächen mit ihrem klaren, aber dunklen Moorwasser:


    Ein paar Fliegenpilze (Amanita muscaria) im Randbereich:


    Ebenfalls am Rand, wo noch die eine oder andere verkümmerte Rotbuche steht, eine famose Gruppe vom Purpur - Hautkopf (Cortinarius phoeniceus / purpureus):


    Sowieso, diese Schleierlinge - viele habe ich gar nicht aufgenommen, weil ich sie nicht bestimmen konnte. So wie den hier, den ich dann doch mit nahm

    Nennen wir ihn vorläufig mal "Cortinarius multiformis s.l." wobei ich da noch das eine oder andere taxonomische Problem habe. Der wird wann anders noch mal extra diskutiert.


    Bekannte Arten, auch direkt im Sumpf, wie der Spitzgebuckelte Raukopf (Cortinarius rubellus), viele Fruchtkörper, aber meist nur einzeln oder in kleinen Gruppen.


    Der andere Rote, also der komplett Blutrote Hautkopf (Cortinarius sanguineus) ebenfalls an vielen Stellen zu sehen.


    Der Orangerandige Hautkopf (Cortinarius malicorius):

    wo mir erst zu spät auffiel, daß die Fruchtkörper direkt in einem nest kleiner, roter Ameisen wohnten. Sorry! Leider hatte ich dann schon die Fruchtkörper (und dutzende Ameisen) in der Hand.


    Den hier nenne ich mal Dunkelvioletter Nadelwaldschleierling (Cortinarius hercynicus).

    Viel zu jung zum mikroskopieren, aber in dem Habitat dürfte der normale Dunkelviolette (Cortinarius violeceus) nicht mehr klar kommen.


    Die dominierende Art bei den Milchlingen war an dem Tag der Maggipilz (Lactarius helvus):


    Dazwischen mal ein einzelner Nordischer Milchling (Lactarius trivialis):


    und viele kleine, braune Sumpfmilchlinge, die ich so auf Anhieb nicht bestimmen konnte.


    Die hier aber erkannte ich durch den dichten Wald auf 15 Meter Entfernung:


    Die abgestorbene Fichte in der Bildmitte. Ganz klar was das ist. Die schönste Kollektion der art, die mir je begegnet ist.

    Näher ran:


    Nördlicher Schwammporling (auch "nerdischer" Schwammporling, Climacocystis borealis).


    Noch zwei Porlinge, die gerne zusammen wachsen, und hier nicht fehlen dürfen. Rotrandige Baumschwämme (Fomitopsis pinicola) zusammen mit dem Leuchtenden Weichporling (Pycnoporellus fulgens).


    Komische Korallen, die ich nicht mitgenommen habe, ergo bleiben die unbestimmt (Ramaria spec.:(


    Aporpos Korallen. Man muss aufpassen, wo man sich hinkniet. Sonst stinkt die Hose nach fauligem Kohl.

    Stinkender Warzenpilz (Thelephora palmata):


    Große Farbklekse, die unbedingt auf Bild wollten. Purpurfilziger Holzritterling (Tricholomopsis rutilans):


    Noch ein richtiger Ritterling, und nicht selten, aber für mich ein Erstfund, der dann auch auf Bild darf, obwohl gar keine schöne Kollektion mehr.
    Der Brennendscharfe Ritterling (Tricholoma virgatum):


    Und eine wohl vom Wild schon ziemlich zerstolperte Kollektion von Getropften Schleimschirmlingen (Limacella guttata):


    Was im Schwarzwald in solchen Fichtenurwäldern nicht fehlen darf, ist natürlich der Gesellige Glöckchennabeling (Xeromphalina campanella):



    Noch ein Blick durch den Wald:


    Moment mal. Das sind aber keine Glöckchennabelinge:


    Das wäre dann der Fund des Tages, den ich natürlich auch zum ersten Mal sehe. Im Hochschwarzwald ist aber wohl ein natürliches Verbreitungsareal dieser insgesamt seltenen Art.
    Goldblättriger Gelbnabeling (Chrysomphalina chrysophylla):



    Tja. Und nun sind die Bilder alle.
    Hoffentlich komme ich da mal wieder hin. Bald. Gerne mit Gesellschaft.



    LG; Pablo.

  • Schöne Bilder und tolle Funde.

    Danke für die schöne Vorstellung:thumbup:

    Im Hamburger Raum ist derzeit tote Hose trotz jetzt doch schon längeren Regenfällen.

    Liebe Grüße aus dem Norden


    Leo


    100 Chips -1 Mausmann Rätsel +1 zurück

  • Hallo Pablo,

    beeindruckend, was Deine Oase so alles beherbergt. Ein richtiges Schleierlings-Dorado, wirklich traumhaft. Ich habe mich vor 3 Jahren in den Wald meiner Jugend zurückgewagt und war schwer enttäuscht. Nur der kleine See war noch so wie in meiner Erinnerung, alles Andere war nicht wiederzukennen.

    Im Gegensatz zu Deinem Hochmoorwald war es in meinem Fall allerdings ein stinknormaler Kiefern-Wirtschaftswald.

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

  • Schön, Pablo:):thumbup:!

    Das muss sich gut anfühlen nach der "Durststrecke" - und auch noch in Kindheits-Erinerungen schwelgen....

    Zu Chrysomphalina chrysophylla hab´ich auch eine spezielle Erinnerung. Wir hatten diesen vor ein paar Jahren bei einem Seminar in Hornberg. Der Finder hatte ihn als Trompetenpfifferling eingepackt, wurde als solcher natürlich in Frage gestellt, aber bis zum Schluss nicht bestimmt. Erst zuhause kam die Erleuchtung..


    LG


    Andreas

  • Hallo Pablo,

    wenn du bei deinem Phlegmacium gesägte Lamellen und leichten Honiggeruch in der Stielbasis feststellst passt das makroskopisch gut.

    Gerade die schmale aber gerandete Knolle ist für mich ein typisches Merkmal von C.multiformis

    Ausserdem ist das einer der wenigen gerandetknolligen Phlegmacium , die auch im richtig sauren Nadelwald wachsen.

    Im Ludwig wird die Gruppe ( und ähnliche) ganz gut aufgedröselt

    Gruss

    Uwe

  • Hallo Pablo,


    Bussi.........es war soooo schön mit Dir durch dieses Areal zu gehen.


    Ich glaube, ich wäre glatt in einen Deiner Seen rein gepurtzelt, weil ich doch unbedingt den Steini gaaaaanz nah sehen wollte. Das sind bestimmt Entzugserscheinungen.

    Deine Bilder.......umwerfend schön. Zum niederknien. Was hab ich das alles so vermißt.



    Liebe Sonntagsgrüße




    Heidi

    Jeder Tag an dem Du nicht gelacht hast, ist ein verlorener Tag.
    Auch von mir gibt es keine Essensfreigabe.



    100 Chips, da Islandwette verloren = 95 Chips
    95-2 Chips für Jan-Arnes Rätsel = 93 Chips
    93-5 Chips für Grünis Grauen Wulstling= 88 Chips
    88-10 Chips für APR 2017 = 78
    78 + 10 (APR 2017 als erste über die Hälfte der Gesamtpunkte gekommen) = 88

    88-3 Chipse für OPR = 85

    85 - 10 Chips für APR 2018 = 75

    75 + 5 fürs APR = 80

    80 -10 Chipse für APR 2019 = 70 Chipse

    70 +5 Apr 2019 = 75


    Keine Veröffentlichung ohne mein Einverständnis!!!!!!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!


    Vielen Danke für eure Beiträge!

    Das Lob gebührt freilich nicht mir, sondern dem Wald und den Menschen, die über all die Jahre den Wald einfach weitestgehend in Ruhe gelassen haben.
    Hoffentlich tun sie das noch viele weitere Jahre!

    Hallo Pablo !


    Klasse Beitrag mit schöne Cortinarius Kollektion . Frage , ist dir bekannt ob Climacocystis borealis kann jung Tropfen haben (Guttationstropfen) ?


    LG beli !

    Hallo, Beli!


    Ich habe das jedenfalls noch nie beobachtet. Aber ausschließen würde ich es nicht: Viele Pilze bilden zB Guttationstropfen, wenn sie angegriffen werden von Fremdpilzen oder Bakterien oder so. Das wäre dann zwar nicht typisch, aber auf die Weise kommt es auch bei vielen Arten vor, die das normalerweise nicht tun.

    Hallo, Andreas!


    Das war aber nicht bei dem Kurs bei Anja, wo wir uns vor einigen Jahren kennen gelernt haben?
    Weil sonst hätte ich den vielelicht doch schon mal in der Hand gehabt, ohne mir wass dabei zu denken.

    Hallo, Uwe!

    Ja und Ja. g:-)

    Ich habe den Fund mal etwas eingehender vorgestellt >siehe hier<, und versucht, das kleine taxonomische Problem, das ich da habe zu erläutern.



    LG, Pablo.

  • Das war aber nicht bei dem Kurs bei Anja, wo wir uns vor einigen Jahren kennen gelernt haben?
    Weil sonst hätte ich den vielelicht doch schon mal in der Hand gehabt, ohne mir wass dabei zu denken.

    Nein - das war wohl 1-2 Jahre später. Bei Anja gab´s ja keine Pilze :grolleyes: - naja, ein paar, eine wunderbare Woche war´s trotzdem.

  • Hallo Pablo,


    ich bin begeistert! Was für ein wunderschöner Wald mit so tollen Funden.

    Falls Du wieder einmal in der Gegend bist und so eine Tour machst, gib mir Bitte Bescheid - ich würde gerne mitkommen. Ich bin da ziemlich flexibel.....


    LG

    Dodo

    Die Welt ist schön, weil sie bunt ist==Gnolm16

    "Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück. Es kommt nicht darauf an, wie lang es ist, sondern wie bunt"

    (Lucius Annaeus Seneca)

  • Hallo Beorn,

    tolle Bilder!


    der "rubellus" ist aber fast sicher auch eine Dermocybe, ich tippe mal auf tubarius oder huronensis, also einer mit jung olivgrünen Lamellen.


    Diese beiden "Zwillinge" sind nur schwer auseinanderzuhalten. C. rubellus hätte einen spitzeren Buckel und mehr rötliche als olivene Farben, und der (hellgelbe) Ethanol-Extrakt im UV ein farbenfrohes Spektrum, während die eher bräunlichgelben Extrakte von tubarius und huronensis im UV nicht so auffällig sind.


    Gruß,

    Wolfgang

    • Offizieller Beitrag

    MoinMoin!


    Die Geutsche bei Hornberg ist in der Tat ziemlich ähnlich. Das hier vielleicht noch eine Spur wilder, aber schwer für mich einzuschätzen, dazu kenne ich Geutsche nicht gut genug.


    Dodo, du hast eine PN.


    Diese Schleierlinge schaue ich mir bei Gelegehneit noch mal vor Ort an, Wolfgang. Das, was ich für Cortinarius rubellus halte, steht da an vielen Stellen und recht zahlreich herum. Nicht nur im richtig sumpfigen kernbereich im Sphagnum, sondern auch in den trockeneren Randbereichen, auffälllig gefärbte Lamellen habe ich bei denen nicht beobachtet, habe aber auch nicht speziell darauf geachtet. Die Form des Buckels kam mir innerhalb einzelner Kollektionen eher variabel vor, das war aber schon immer so bei den Pilzen, die ich halt bislang für C. rubellus hielt. :gzwinkern:
    Wichtiger Input aber auf jeden Fall, da muss ich mein Artverständnis mal überprüfen.

    Wenn ich da noch mal rumstromere, nehme ich mir ein paar davon mit, um genauer zu gucken.



    LG; Pablo.

  • Merci das ist ein super gelungener Bericht.

    Du hast schriftstellerisches Talent und solltest mal ein Pilzroman schreiben :daumen::cool:


    Möge dieses Biotop ewig leben!

    LG Stephan

    Ein Pilzler Namens Guschti Frei

    fand im Wald ein Hexenei.

    Voll Gwunder pocht er ein`ge Male

    an die butterweiche Schale;

    ob wohl ein Vogel drinnen sei?


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    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Stephan!


    Danke. Wobei die (literarisch) abgefahreneren Berichte las man hier im Forum zB von Uli (erebus) oder Ralf (Rada).

    Da müsste ich doch noch etwas mehr üben.


    Für den Sumpf hoffe ich natürlich das Gleiche. :thumbup:

    Ist aber schön zu erleben, daß sich ein gesundes Biotop über lange Jahre wenig verändert, obwohl es kein Naturschutzgebiet ist.



    LG; Pablo.