Vom Wissen der Waldleute - mein erstes Pilzjahr

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  • Der Eiche Wachstum wird oft frech vom Pilz verlacht,
    sie braucht Dezennien, er nur eine Nacht.


    Joseph Freiherr von Auffenberg (1798 - 1857)


    Wir sind Waldleute. Das kann man wohl so sagen. Seit vielen Generationen zieht es meine Leute in die Wälder. Sie hüten und hegen, jagen und pflanzen. Und sie achten, was sie dort finden.



    Schon als kleines Kind war mir der Wald vertraut und das Leben im Besonderen. Unter Jägern lernt man den Tod kennen als Teil des Lebens und als Notwendigkeit des großen Ganzen. Wachsen und Weichen, Leben und Sterben, alles ist eins und alles hat seinen Platz im großen Bild.


    Und doch, die Pilze kamen von allein zu mir. In meiner Familie waren sie zu selbstverständlich um besprochen zu werden und zu unwesentlich um vermisst zu werden. Es ging völlig an mir vorbei.




    Erst jetzt, als der Sommer langsam feuchter wurde und der Regen kam, Tag für Tag, da kamen die Pilze zu mir. Kaum ich zu ihnen. Und wenn man wahre Begeisterung finden will, dann kann man sie nicht machen, man kann nur von ihr überwältigt werden. Alles andere ist Humbug.



    Als ob Kunst nicht auch Natur wäre und Natur Kunst!


    Christian Morgenstern (1871 - 1914)



    Der erste Pilz, den ich je mit nach Hause nahm, war ein Steinpilz. Und weil ich das nicht wusste, habe ich ihn zerlegt und letztlich weggeworfen. Ein schöner Fruchtkörper, wie ich heute weiß. Frisch und fest.


    Es folgten zahllose mehr. Steinpilze, die dann auch die ersten waren, die ich je zubereitet und gegessen habe. Mit diesem Erlebnis, dessen bin ich sicher, überwindet man eine spezifische Grenze zwischen Mensch und Natur und wird Teil des großen Ganzen oder sich dessen zumindest bewusst. Zu essen, was man selbst im Wald gefunden hat ist ein wunderbares Gefühl. Nicht zu beschreiben. Niemals zu kaufen.



    Maronenröhrlinge folgten und zahllose Baumpilze. Ein Riesenporling und Spechttintlinge. Ein blattariger Zitterling und der seltene Kammporling. Eine krause Glucke, Fliegenpilze, Pantherpilze und zahllose Stäublinge. Hexenröhrlinge und Schmetterlingstrameten. Ich habe graue Wulstlinge, Milchlinge und Stockschwämmchen gefunden, Gifthäublinge und Knollenblätterpilze. Und Korallen.



    Dann kam der Herbst. Die Röhrlinge verschwanden im ersten Frostgedanken als wären sie nie dagewesen. Und nach ihnen kamen die Herbsttrompeten und graue Leistlinge. Irgendwo in einem knöchelhohen Teppich aus warmbraunen und sattgelben Blättern, zwischen dem Duft von feuchtem Waldboden und Winter in der Luft. Und es ist wunderbar.



    Inzwischen habe ich ein Dörrgerät und getrocknete Pilze in Gläsern und Dosen im Regal. Manchmal mache ich sie auf und schnuppere daran und denke, es riecht wie im Wald, nur trocken und warm.


    Die Pilzsachverständige in der Nähe ist eine nette, unfassbar kompetente Frau, die stundenlang die interessantesten Geschichten von Pilzsuchen und Wandertouren erzählen kann. Wir waren einige Male dort. Inzwischen aber sind ein paar Pilze so gut bekannt, so vertraut, da braucht es das nicht.



    Dennoch, manchmal schicke ich ihr Fotos per Email. Von seltenen oder hier kaum vorkommenden Pilzen, wenn sie mir begegnen. Sie freut sich darüber.



    Als ich zu den Pilzen kam, war die Hauptsaison beinahe schon vorbei. Aber das nächste Jahr kommt. Vor einigen Wochen war ich nicht alleine zum Pilzesammeln im Wald und mein Begleitet überreichte mir mit breitem Grinsen einen ganz wundervollen Korb. Leicht und robust. Genau die richtige Größe.


    Irgendwann mache ich den voll. Vielleich im nächsten Jahr. Mehr mitnehmen als ich grade brauche, fällt mir nach wie vor schwer. Das übe ich dann im kommenden Jahr an den Steinpilzen.


    Nur meine Pfifferlinge. Meine geliebten, ersehnten Pfifferlinge, die habe ich nicht gefunden. Vielleicht kommen sie noch. Vielleicht auch erst im nächsten Jahr. Ich kann warten. Die Pilze kommen immer wieder zurück. Und ich auch.


    Von Herzen lieben Dank an all die beseelten, begeisterten Menschen hier, die es mir so leicht gemacht haben, diese leise aufkeimende Begeisterung bei zu behalten und wachsen zu lassen.



    Die Pilze werden mich für den Rest meines Lebens begleiten, dessen bin ich mir sicher. Und da ich nicht jage und hege, ist das vielleicht mein Weg zurück zum Wald. Zurück in das große Bild.


    So wie es meine Leute, die Waldleute, immer getan haben.


    Euch allen eine wunderbare Winter- und Weihnachtszeit.
    Und einen guten Weg ins neue Jahr.

  • Hallo!


    *Gänsehaut*


    Wahnsinnig genial geschrieben!


    Da wünsche ich dir im nächsten Jahr viel Erfolg deinen Korb voll zu bekommen, und wünsche dir ebenfalls eine Schöne Winter und Weihnachtszeit!


    Danke Dafür!


    LG Enrico

    Liebe Grüße vom Enno  



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    Übers Internet verteile ich KEINE Essensfreigabe! Wer sich unsicher ist sollte einen Pilzsachverständigen aufsuchen!


    Zu meiner Website: Pilze der Lausitz ==)==lamessbar==becher==borste

    dsc07932-kopie1.png?w=325


    Zur Suche eines PSV's, auch in deiner Nähe einfach >>HIER<<  entlang ;)


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    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Sonja!


    Moment mal. Wo willst du denn hin jetzt?
    So sehr ich den Text auch mag (gefällt mir wirklich ganz ausgezeichnet), klingt das fast so, als wolltest du ich im nöchsten halben Jahr vor der Funga verstecken? Und womöglich noch vor dem Forum?


    Muss doch nicht sein. :)



    LG, Pablo.

  • Ihr habt ja völlig Recht - Pilze gibt ´s das ganze Jahr über.
    Aber mich leider nicht.


    Ich leide an einer unheilbaren chronischen Stoffwechselerkrankung, die in Schüben verläuft. Allem Anschein und den aktuellen Blutwerten nach, tut sich grade was. Derzeit muss ich mich auf kleine und meist begleitete Runden mit meinem Hund beschränken. Wenn ich mal mutig bin, dann auch im Wald und dann sind natürlich die Pilze auch da. Aber für wirkliche Pilztouren reicht es derzeit leider gesundheitlich nicht und desto kälter es wird, desto kniffliger wird es bei mir.

    Natürlich hoffe ich, dass wir es schnell in den Griff kriegen und ich lieber gestern als heute wieder den Wald unsicher machen kann. Aber so lange ich Kräfte schonen muss, fallen leider just die Pilze mit zuerst hintüber.


    Und bevor ihr euch hier wundert, dass man von mir so gar nichts mehr hört, :)


    Ich bin da, aber ich hab grade keine Saison mehr, fürchte ich.


    LG
    Sonja

  • Oh Sonja....das tut mir echt Leid! Dann wünsche ich dir von Herzen ganz viel Kraft und versuche doch, ein wenig Energie aus unseren Berichten hier zu tanken und im Geiste mitzuwandern, bis es wieder auf den eigenen Beinen geht! Alles Gute!

    LG Inken


    _____________
    Essensfreigabe nur beim PSV vor Ort!


    Pilzchips: 92 (100 + 20 APR 2013 + 5 APR 2014 - 15 Kollekte APR2015 + 17 APR 2015 -10 Kollekte APR2016-10 Einsatz Podiumswette- 15 APR2020 +9 APR2020 )=101 -APRStartgeb.2021= 86

  • Hallo Sonja,


    oh man, das tut mir auch sehr leid, wegen deiner Krankheit.
    Ich hoffe für dich und natürlich alle anderen Pilzler und Pilzlerinnen hier, das die Ärzte deine Krankheit so schnellstmöglich in den Griff bekommen.
    Drücke dir ganz ganz fest die Daumen und lass dich bitte, von NICHTS und NIEMANDEM unterkriegen :thumbup:.
    Schön das du hier im Forum bist jund kommst auf andere Gedanken :).


    Ganz liebe Grüße


    Michael

    Man sollte nur Pilze sammeln, die man auch 100% als Speisepilze kennt.
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    "Antonius behüt"
    _______________
    Ma hat ma Glück, Ma hat ma Pech, Ma hat ma Gandhi

  • Hallo Sonja!
    Ein wirklich toller Bericht, den Du uns hier schenkst. Für Dich natürlich alles Gute und mache es wie viele unserer kleinen, netten Waldbewohner: Sammle Deine Kräft für die nächste Saison, die für die Pilze so sicher kommt wie für Dich.
    Lies ab und zu mal rein, ins Forum, wenn Du Lust und Kraft dazu hast. Und wir alle freuen uns, wenn Du hier wieder Dein Mycel ausstreckst.
    Liebe Grüße,
    Tuppie

  • Welch ein wunderschöner Bericht! :)
    Danke für die investierte Zeit und Liebe!


    Zum Glück habe ich den überhaupt gelesen. Da wäre mir sonst etwas sehr herzliches entgangen.


    Für deine wohl kommende "Nebensaison" wünsche ich dir jede Menge Kraft und gute Ablenkung. Chronisch und unheilbar, das hört sich besch... an. Lass dir also keinen Sonnenstrahl entgehen und keinen Moment der Freude oder Entspannung.


    Am Horizont scheint schon die Sonne. Das ist der Weg. ;)


    Beste Grüße

  • Hallo Sonja,


    wenn ich alles richtig mitgelesen habe, kannst Du zumindest in warmen Räumen hier am Forum teilhaben.
    Es wird hier bestimmt auch über das Winterhalbjahr nicht langweilig werden, das kann ich Dir versprechen.
    Dafür sind viel zu viel Verrückte unter uns. :)
    Sei herzlich dazu einladen auch weiterhin hier teil zu nehmen, auch wenn Du selbst keine aktuellen Fundberichte von Ausflügen und Exkursionen beisteuern kannst.


    Dir Alles Gute !


    Liebe Grüße,
    Markus

    • Offizieller Beitrag

    Hej, Sonja!


    Ähm... "Vorübergehend funktionsuntüchtig" ist doch schon schlimm genug?
    Aber immerhin dürfen wir dann hoffen, daß die Schübe möglichst schwach und kurz verlaufen und du bald wieder ausgiebig unterwegs sein kannst, wie sich das gehört. :thumbup:



    LG, Pablo.

  • Liebe Sonja,


    vielen Dank für diesen herzerwärmenden Bericht :thumbup:


    Meine Vorredner haben schon alles geschrieben, dem ist nichts mehr hinzuzufügen außer auch "alles Gute und viel Kraft" zu wünschen!!


    Und mir wünsche ich noch viele Deiner Berichte lesen zu dürfen *mit-der-Hufe-scharre* ;)


  • ..und noch viele Deiner Gedichte! :)


    Ein sehr schön geschriebener und sehr schön bebildeter Bericht, Sonja.
    Gerne mehr davon.
    Und eine möglichst Gute Gesundheit für Dich!!! :sun:

    Schönen Gruß,
    Hans aus Bremen
    ------------------
    "Es gibt Gottsucher, Ichsucher und Schwammerlsucher" (G. Polt)



  • Ich bin übrigens fast wieder ganz da...


    Und wer ist Schuld?


    Birkenporling und trametes versicolor.


    Meine Ärztin versteht die letzten Untersuchungsergebnisse nicht. "Das sieht gesund aus"...
    Im Januar kommen die neuen Blutwerte. Ich eiere etwas, handtiere mit Dosis und Therapiedauer herum aber ich bin auf den Beinen. Mal mehr, mal weniger und auch mal schneller und mal langsamer, aber auf den Beinen.


    Und solang es laufen kann, ist es auch im Wald :)

  • Och, weisstu... :P


    Irgendwann gestern gab es so einen Moment, da kletterte "es" in einem Brombeerfeld zwischen Birken (ohne auch nur einen einzigen Porling... DAS is Frust) herum und hatte den 25kg Hund dabei auf den Armen, weil der auf Augenhöhe nicht durch die Brombeeren konnte und "es" Gummistiefel anhatte..


    Das war so ein Ding, da dachte ich mir, nachdem wir irgendwann wieder auf dem Weg waren: Wow. Nix gebrochen. Nur ein bisschen blutig geschrammt an den Brombeeren. Mensch, bin ich geschickt! :P

  • Hallo Sonja,


    dein schön geschriebener Bericht war mir bislang irgendwie entwischt.
    Deine Liebe zur Natur und zu den Pilzen spürt man in jedem Satz. :sun::sun::sun:


    Den Morgenstern-Spruch mag ich auch sehr. :)


    Vieles wurde von meinen Vorrednern ja schon gesagt. Ich wünsch dir, dass du im neuen Jahr viel Zeit in der Natur und mit den Pilzen verbringen darfst - und uns, dass du uns vielleicht gelegentlich mit einem Bericht verwöhnst :thumbup:

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Sonja,


    danke für die tollen Zeilen und Bilder. Klingt ja wirklich so, als ob du in deinem ersten Pilzjahr eine Menge gelernt hast. Und dann noch Pilze gefunden, die ich bisher nur von Fotos kannte; Spechttintling lässt grüßen :D


    Hoffe wir lesen mehr von dir.


    l.g.


    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.