Röhrlings-Umbenennungen - Eure Meinung

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,


    vor einiger Zeit wurden ja nach einem Artikel irgendeines Mykologen [ich bin da nicht so genau informiert] die Röhrlinge fast alle umbenannt und in neue Gattungen eingeordnet.


    Dennoch hört man bisher sehr selten z. B. Hortiboletus rubellus, sondern immer noch Xerocomus oder eben Xerocomellus rubellus.


    Da frage ich mich: Wie geht ihr mit der Sache um, bzw. wie soll man umgehen? Es scheint so, als würde diese Neuordnung nicht so schnell zurückgenommen werden. Sollen wir jetzt alle auf die Trendwelle aufspringen und "umlernen" oder abwarten und stur bleiben.


    Und kommt man da nicht sogar zwangsläufig zu der Grundsatzfrage, ob bei der Kommunikation über Pilze nicht das Verständnis im Vordergrund steht, also dass das Gegenüber weiß, welche Art gemeint ist, statt den gerade mal wieder geänderten, aktuellsten Namen zu nennen?


    Ich bin auf Meinungen gespannt.


    LG, Jan-Arne

                                                                               
    Im Forum gibt es keine Verzehrfreigaben, nur Hilfestellungen zu eigenständigen Vergleichen!


    Ich habe eine kleine Homepage gebastelt, auf der ich Tiere und Pilze in Kurzportraits zeige.

  • Solche Aktionen veranlassen mich, diese Gattungen nicht mehr zu kartieren. In meinen Augen ist das Firlefanz allererster Güte. Nicht, weil ich die bestehenden Zuordnungen als richtiger erachte, sondern weil es keine nationale und schon gar keine internationale Institution gibt, die die Nomenklatur federführend und verbindlich in den Händen hält. Mag ja sein, dass sich die Gelehrten damit zurecht finden. aber der größte Teil der Feldarbeit wird von Hobbymykologen in deren Freizeit geleistet. Und nur die wenigsten dürften Zeit und Lust verspüren, jedes Jahr neue Namen zu lernen und/oder die eigenen Datenbanken permanent zu überarbeiten.
    Sowas, wie auch die Auswüchse der Gensequenzierung sind der Tod der Kartierungsarbeiten.


    Nur den Speisepilzsammlern dürfte es egal sein, denn der Boletus schmeckt mit oder ohne Horti.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    "Rückgängig machen" ist sowieso nicht einfach möglich. Aber: Man kann sich auch einfach entscheiden, dem neuen Gattungskonzept nicht zu folgen.
    So am Rande: Die Splittung erfolgte nicht von einem mykologen, sondern von einer ganzen Gruppe guter Röhrlingskenner und orientiert sich neben dem genetischen "Stammbaum" auch an morphologischen kriterien.
    Es ist in der Konsequenz nicht aus der Luft gegriffen, im kern der Sache halte ich es sogar für richtig.
    Aber:
    Es ist schlichtweg unpraktisch. Ebensogut hätte man die Pilze neu in Untergattungen sortieren können, hätte die Gattungen Boletus und Xerocomus beim Status quo belassen.
    Es ist eben genau wie Ralf sagt: Ein Großteil der mykologischen Arbeit, insbesondere die enorm wichtigen Kartierungen und Datenerhebungen werden von Hobbymykologen durchgeführt.
    Dazu ist es wenig einleuchtend, eine im Grunde einfach Sache unnötig zu verkomplizieren. Das schreckt Pilzfreunde ab, die sich damit ernsthaft auseinandersetzen wollen.
    Auf der anderen Seite ist es ohnehin von den Kartierern zu erwarten, daß sie sich wenigstens einigermaßen nach aktuellen Art- und Gattungskenntnissen richten. Das betrifft aber weniger die taxonomischen, als vielmehr bestimmungstechnische Fragen. Eine gute Kartierungsdatenbank sollte dem Kartierungswilligen ohnehin die gängigsten Synonyme bieten. So daß es völlig wurschd ist, ob man nun Xerocomus rubellus, Xerocomellus rubellus oder Hortiboletus rubellus eingibt. Die Datenbank sollte das einfach zusammenfügen.
    Nur wäre es eben wünschenswert, daß die / der Kartierende auch den Unterschied zwischen Xerocomus rubellus, Xerocomus communis / engelii und Xerocomus bubalinus oder gar Xerocomus ripariellus kennt. Und im Zweifel eben auch mikroskopiert.
    Wenn ich mitbekomme, daß selbst Ramarien oder Rißpilze ohne mikroskopische Untersuchung oder ohne Konsultierung von aktueller Literatur (also eben nicht Pilze der Schweiz oder Großpilze Baden-Württembergs) unter irgendeinem beliebigen namen kartiert werden, da schlage ich die Hände über dem Kopf zusammen.


    Dennoch - bezogen auf eben diese Frage: Ich habe die neuen Namen der Röhrlinge durchaus im Hinterkopf (oder kann zur Not nachschlagen), aber ich nutze sie im Grunde nicht. So hin und wieder mal, wenn ein Röhrling sowieso unter dem Namen schon angesprochen wird.
    Weil meiine Meinung: Untergattung hätte gereicht. Bis auf Boletus depilatus und Boletus impolitus: Die hätte man einfach zu Xerocomus stellen können. Oder Xerocomus schlichtweg auflösen und X. moraqvicus, X. subtomentosus und X. ferrugineus einfach zu Boletus schieben.



    LG, Pablo.

  • Hallo zusammen,


    als ich angefangen habe, mich mit der Mykologie mehr als nur der Thematik Speisepilze zu beschäftigen, waren die wissenschaftlichen Namen, diejenigen, die als eindeutig galten. Heute ist es abgesehen von ein paar Bezeichnungen wie z.B. "Braunkappen" oder "Zigeuner" der deutsche anstatt des wissenschaftlichen.


    Das ist mMn. sicherlich nicht Sinn der Sache. Es mag ja schön und gut sein, wenn man Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede einzelner Pilze einer (ehemaligen) Gattung feststellt werden, aber ist das wirklich Grund genug , alles bisherige über Bord zu werfen?


    Gemäß dieses Aufspaltungs-Wahns ist es ja nur legitim auch z.B Russula in neue Gattungen aufzusplitten.
    Nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag:
    1) Huthaut lässt sich fast vollständig abziehen wird zu Nudussula
    2) HH lässt sich ca halb abziehen - Seminudussula
    3) HH lässt sich nicht abziehen- Pudicussula
    Beliebig erweiterbar ;)
    Hoffentlich hat das jetzt keiner der schlauen Köpfe gelesen.


    Manchmal kommt in mir das Gefühl auf, dass so manche dieser Neubenennungen nur deswegen vorgenommen werden, weil sich der Autor seinen eigenen Namen ganz gerne hinter dem wissenschaftlichen liest.


    Fazit: Für mich wird ein Dickröhrling auch weiterhin Boletus und ein Filzröhrling Xerocomus heißen. Den Unfug gehe ich bestimmt nicht mit.


    Grüße
    Christoph

  • Erinnert mich ein bisschen an die Rechtschreibreform: ich war immer stolz darauf, dass ich gut schreiben kann und schon in der Grundschule (wo es noch keine Noten, sondern nur Smileys gab) mal im Diktat 7 Einsen in Folge abgesahnt habe.
    Die Rechtschreibreform lasse ich mir daher ziemlich genau irgendwo vorbeigehen, es sei denn, irgendwas setzt sich bei mir im Kopf zufällig von selber fest.


    Okay, bei den Schreib"stilen", die man im Internet bisweilen so antrifft, fällt das nicht wirklich auf. Ist beim Kartieren, das man ja nicht nur für sich selber macht, natürlich schon was anderes...

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

  • Hallo zusammen
    hmm, ich kenne die Hintergründe für die Umbenennung nicht wirklich, aber ich möchte ein Beispiel aus der Astronomie Ableiten bzw. meine Meinung vertreten.
    Als Betreuer einer Sternwarte nebst nächtlichen Himmelsführungen ist für mich PLUTO immernoch ein Planet. Obwohl er den Planetenstatus Aufgrund seiner Größe, Umlaufbahn/ Neigung und Zusammensetzung aberkannt bekommen hat und zum Zwergplaneten degradiert wurde, bleibt er für mich der neunte Planet. Das gebe ich auch so an die Besucher weiter. Natürlich mit dem o.g. Hinweis, falls "Besserwisser" da sind.


    Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten


    Ein Satz der schon "Ewig" als Eselsbrücke zum Lernen diente, soll nun nicht mehr gültig sein?


    Und auch hier, wie beim Beispiel der Kartierung von Pilzen, machen die vielen ehrenamtlichen Hobbyastronomen die eigentliche Arbeit, Astronomie unters "Volk" zu bringen. Echte Berufsastronomen sehen selten bis gar nicht durch ein Teleskop und frei Schnautze jemandem am Nachthimmel einen Stern zu zeigen fällt auch einigen schwer. Also, warum irgendwas mal wieder neu Erfinden, wenn ganze Generationen damit gut Leben konnten?


    Nur mal so ein Gedankeneinwurf von mir. Natürlich ohne jeglichen wissenschaftlichen Hintergrund


    Viele Grüße

    Alle haben gesagt: Das geht nicht! Dann kam einer -der wußte das nicht- und hat es gemacht ==Gnolm1

  • Hallo in die Runde,


    wenn die Mykologie glaubt, dass es ihr weiter hilft, soll sie den Kult um die neuen Namen weiter treiben. Wie ähnlich sich Pilze sein müssen, um in derselben Gattung geführt zu werden, bzw. wie verschieden, dass dafür eine eigene Gattung aufgemacht wird, ist meines Wissens von der Wissenschaft nicht festgelegt.


    Im Ergebnis fände ich es allerdings etwas enttäuschend, wenn das Resultat hochwissenschaftlicher genetischer Untersuchungen lediglich aus einer Vielzahl neuer Gattungszuordnungen bestünde, m. a. W. wenn lediglich nomenklatorische Neuerungen dabei herauskämen. Ich hatte mir von derlei Untersuchungen z. B. Erkenntnisse erhofft, ob der dunkelbraunhütige Sommersteinpilz dasselbe ist wie der milchkaffeebraunhütige, die hellbraunhütige schlankstielige Marone aus dem hohen Gras dasselbe ist wie die dunkle kompakte aus dem Moos, oder aus wieviel Arten Chamäleons wie etwa der Fliegenpilz oder der Perlpilz tatsächlich bestehen. Solche Erkenntnisse wären es, mit denen man mich beeindrucken könnte, nicht mit der bloßen Umbenennung längst Bekanntem.


    FG
    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo zusammen,
    Bei mir sieht es so aus : Ich benenne meine Funde für mich nach den Großpilzen Baden-Württembergs. Für meine Verhältnisse habe ich viel Geld dafür bezahlt , und kann mir nicht alle 3-4 Jahre neue Literatur leisten.
    Wenn durch Gen-Test festgestellt wird , dass der Vater von Klaus Mustermann der Karl Müller war , ändert der Mustermann ja auch nicht seinen Namen , selbst wenn das noch so bekannt wird - ausser er selbst besteht drauf. Wenn der Xerocomus also Hortiboletus heißen will , soll er es doch beantragen , dann solls mir recht sein.
    Gruß Norbert

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    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo.



    Ich hatte mir von derlei Untersuchungen z. B. Erkenntnisse erhofft, ob der dunkelbraunhütige Sommersteinpilz dasselbe ist wie der milchkaffeebraunhütige, die hellbraunhütige schlankstielige Marone aus dem hohen Gras dasselbe ist wie die dunkle kompakte aus dem Moos, oder aus wieviel Arten Chamäleons wie etwa der Fliegenpilz oder der Perlpilz tatsächlich bestehen. Solche Erkenntnisse wären es, mit denen man mich beeindrucken könnte, nicht mit der bloßen Umbenennung längst Bekanntem.


    FG
    Oehrling


    Zum Glück wird ja auch das gemacht.
    Wenn auch nicht nur.
    Ich stimme dem Gesagten aber zu: Welchen Familiennamen man den Pilzen jetzt nun gibt oder auch nicht gibt, es ändert ja nichts an der Art und hilft auch nicht bei der Bestimmung. Es klärt auch keine offenen Fragen, wie Oehrling sie formuliert hat.
    Solche genetischen Stammbäumchen sind gut und haben auch ihre Bedeutung, aber überbewerten muss man das nicht. ich kenne da zwei Leute, die momentan eine große Gattung monographisch bearbeiten. Die Sequenzierungen spielen eine große Rolle, um einfach mal sagen zu können:
    "das ist das Selbe, hat alles die gleiche Sequenz"
    oder
    "das ist etwas Anderes, hat eine eigene Sequenz"
    Was bei den beiden dazu gehört, ist eben eine detaillierte Untersuchung um auch an die unterscheidenden morphologischen merkmale heranzukommen und ein Bild der Ökologie der Arten zu entwickeln.
    und da geht es nicht um eine oder fünf untersuchte, dikumentierte und sequenzierte Kollektionen pro Art, sondern um mehr. So viele wie möglich, um ein möglichst exaktes Bild zu zeichnen.
    Wasnim Hintergrund noch dazu gehört ist ein extrem umfangreiches Literaturstudium. Das betrifft dann nicht nur einzelne Bücher, sondern jede Veröffentlichung in jeder internationalen Pilzzeitschrift zu einzelnen Arten. Dazu die Einsicht der Originalbeschreibungen und Untersuchung und Sequenzierung der Typusbelege (wenn vorhanden).


    mykologische Arbeit orientiert sich meiner Ansicht nach eben nicht daran, "nur" ein Bäumchen auszudrucken (sehr lapidar gesagt, denn auch das will richtig interpretiert sein) und dann den Arten neue Gattungsnamen zu verpassen, wenn sich eine Abweichung zu soundsoviel Prozent ergibt, sondern das ganze auch noch zu definieren, Vergleiche anzustellen und nach wie vor besonderes Augenmerk auf Morphologie und Ökologie zu legen.



    LG, Pablo.

  • Es gibt sicher Gattungen die einer Überarbeitung würdig sind, wie die Inocybe z.B.


    Problematisch wird das, wenn als Ergebnis Arten benannt werden die mit mikroskopischen Mitteln nicht mehr zu unterscheiden sind. Für die Kartierung ist eine exakte Artbestimmung unerlässlich. Nicht sicher bestimmbare Exemplare kann man nicht berücksichtigen.


    Für die Zukunft bedeutet dass, das Arten die nur durch Gensequenzierung sicher bestimmbar sind, keinen Einzug mehr in die Kartierung finden können. Es sei denn, der Kartierer ist in der Lage eben jene Untersuchung durchzuführen oder durchführen zu lassen.


    Im Rahmen mykologischer Grundlagenforschung sind solche Arbeiten sicher richtig und können wertvolle Erkenntnisse liefern. Allerdings sollten sie getrennt von der Nomenklatur erfolgen, bzw. nur dort einfließen, wo eine sichere Zuordnung mit mikroskopischen Mitteln möglich ist.


    Generell, ich wiederhole mich gerne, macht eine Neuordnung der Nomenklatur erst dann Sinn, wenn es internationale Standards gibt, die genau festlegen nach welchen Kriterien eine Art den Artstatus auch verdient.


    Das müsste oberste Aufgabe der Wissenschaft sein.

  • PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    Einmal editiert, zuletzt von Oehrling ()

  • Ich beschäftige mich nicht sonderlich mit Röhrlingen, von daher gesehen habe ich von den Gattungsumkombinierungen bislang nur am Rande was mitbekommen. Lästig finde ich das allemal. Auf der anderen Seite muss man abwarten ob die Umbenennungen Bestand haben und nicht eine "Modeerscheinung" sind. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass viele neue Namen nicht Bestand hatten und man irgendwann zum Altbewährten zurückgefunden hat. Andererseits haben sich aber auch einige Gattungsaufplitterungen bewährt, wie z.B. die Rüblinge und die Tintlinge. Daran stört sich heutzutage auch keiner mehr.
    Wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt. Konsequenterweise müsste man auch die Cortinarien mal auseinanderpflücken, und wer weiß was dann alles noch kommt. Ich denke, wir werden uns künftig viel mehr Gattungsnamen merken müssen.


    Beste Grüße
    Harald

    • Offizieller Beitrag

    Moin.


    Die Gefahr, daß Arten nur per Sequenz bestimmbar sind, sehe ich eigentlich nicht. Ich glaube nämlich, daß jede eigene Art (also mit einer so weit abweichender, eigener Sequenz, daß sie mit einer anderen Art nicht mehr fortpflanzungsfähig ist) sich auch irgendwie mit ökologischen und / oder morphologisch Parametern beschreiben lässt. Nur sind diese Parameter nicht immer klar. Dazu ist es ja auch so wichtig, von einer Art ganz viele Sequenzen und immer mit ausgiebiger Beschreibung / Dokumentation zu haben.
    Es ist ja immerhin auffällig, daß die noch relativ neue Methode der Sequenzanalyse in sehr großen Bereichen schlichtweg die Arbeit der Mykologen bestätigt, die zuvor die Arten ohne dieses Mittel beschrieben haben.
    Sicher gibt es einige Grenzfälle. Bei den Röhrlingen wäre das zB die Unterscheidung zwischen Xerocomus communis, Xerocomus rubellus und Xerocomus bubalinus. In ihren typischen Ausprägungen gut und schon makroskopisch erkennbar, aber eben mit jeweil hoher Variationsbreite (auch mikroskopisch!), wo da welche Art anfängt und welche aufhört, muss einfach noch genauer untersucht werden. Am besten mit Sequenzierungen als Unterstützung.
    Und dann natürlich solche Bereiche wie Nectria s.l., wo es in manchen Gruppen eben noch gar keine verlässlichen Daten gibt, was nun welche Art auszeichnet.
    Um es ritterlich auszudrücken: Auch da gibt es ja noch offene Fragen. Neben akribischen Untersuchungen und auch der Suche nach Trennmerkmalen (Was macht die KOH - geschichte, Stephan?) wären auch da weitere Sequenzierungen wünschenswert, um einen zusammenhang zwischen abweichenden merkmalen und abweichender DNS feststellen zu können.


    Aber klar: Das alles hat nichts mit dem mE recht unpraktischen Gattungssplitting zu tun. Ich stimme Harald immerhin zu, daß die Umordnung zB bei den Rüblingen und Tintlingen auch gewöhnungsbedürftig war, aber eben auch durchaus nachvollziehbar ist. Da geht es aber um sehr viel mehr Arten. Ebenso ist es ja sinnvoll, daß nicht mehr jedes kleine, weiße, behaarte Becherchen eine Dasyscypha ist. Ob das bei Cortinarius so kommt, da warten wir mal ab.
    Denn nach wie vor bin ich der Meinung, daß man auch einfach in einem etwas weiter gefassten Gattungsbegriff Untergattungen, Sektionen und Subsektionen anlegen kann. So wie es bei Cortinarius und Inocybe ja der Fall ist. Und das ergibt dort aus meiner Sicht viel mehr Sinn, als gleich alles in Dutzende Gattungen aufzulösen.



    LG, pablo.

  • Hallo,



    da ich mich damit ein wenig auskenne, ein paar Anmerkungen:


    - Es gibt schon genaue Regeln und eine Internationale Kommission für die Benennung von Taxa (International Code of Nomenclature for
    algae, fungi, and plants)


    - sicherlich ist sowas nicht sonderlich praktisch, allerdings kann das ja kein Kriterium zur Benennung sein!


    - Was hier bisher völlig außer acht gelassen wurde: Je nach Ergebnis der molekularen Analysen (ich kenne diese nicht) MUSS ja die Gattung geändert werden, nämlich dann, wenn man herausfindet, dass eine bestehende Gattung kein sogennates Monophylum ist - also eine Gruppe von Arten die nicht alle von der selben Ursprungsart abstammen.


    Beispiel: Wenn man herausfinden würde, dass die Marone näher mit den Schmierlingen verwandt ist als mit Dick- u. Filzröhrlingen, wäre es ja völlig unsinnig sie in dieser Verwandschaft zu belassen.


    Aber das ist ja nur der Fall wenn die molekularen Unterschiede entsprechend deutlich sind. Insofern kann das mit den Untergattungen sinnvoll sein, kann aber auch schlicht nicht möglich sein (was ich schon vermute würde).


    Was stimmt, ist das Gattungen keine natürlichen Taxa sind (im Gegenatz zur Art) also völlig menschgemacht, dennoch müssen und sollen sie die korrekten Verwandschaftsverhältnisse wiederspiegeln.


    Und außerdem, dass eine Gattung wie Boletus zerpflückt wird wundert doch wenig oder?


    VG
    Konrad

  • - Es gibt schon genaue Regeln und eine Internationale Kommission für die Benennung von Taxa (International Code of Nomenclature for
    algae, fungi, and plants)


    Dort ist nur geregelt, wie bei einer Beschreibung vorzugehen ist. Die Kommission kümmert sich nicht darum, ob eine neu beschriebene/umgeschriebene Art diesen neuen Artrang verdient. Geregelt sind ergo nur die Formalitäten.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Konrad.


    Natürlich, die Gattung Boletus war (ist) ja alles andere als homogen. Erst recht in den Grenzbereichen und wenn man die Marone auch als Boletus und nicht als Xerocomus behandelt.
    Aber wie ich oben schon schrieb: Wäre es nicht möglicherweise logischer gewesen, die Arten in den Grenmzbereichen der Gattung auszugliedern (Boletus badius, Boletus impolitus & depilatus, Boletus pulverulentus & flavosanguineus)?
    Denn in dem Zusammenhang gibt mir auch deine Erklärung zu denken:


    Und das wäre etwas, was ich gerne wüsste:
    Reicht es da, die selbe Sequenz abzulesen, die für die Unterscheidung der einzelnen Arten nötig ist?
    Denn es wird ja nie das gesamte Genom abgelesen, sondern immer nur ein Teilstück, in dem sich relevante Abweichungen finden. Und daruas lässt sich auch eine "Stammart" ablesen?
    Bislang habe ich nämlich im Bereich der Funga noch nie etwas von solchen schönen Stammbäumchen gesehen, wie man sie zB in der Fauna aufgestellt hat (vom vor Disnosauriern flüchtendes Nagetier bis zu Homo sapiens usw).
    Was ich sehe, sind grobe systematische Bäume, was ungefähr wo hin gehört.
    Was mir bekannt ist, ist eine ungefähre Entwicklung von den einfachsten Ascomyceten über urtümliche Basidiomyceten (Heterobasidiomyceten) bis zu den hypogäischen Basidiomyceten (neuester Schrei in der Funga).
    Aber wirkliche, solide entwicklungsgeschichtliche Bäume? Müsste man dazu nicht auch konserviertes, genetisches Material aus prähistorischen Ablagerungen vergleichen?


    Zudem stellt sich mir die Frage, wie eng man nun das das Monophylum (Monofungum?) auffassen muss? Wenn man weit genug zurück geht, dürften ja alle Pilze den selben Vorfahren haben, wahrscheinlich irgendein paar Hefezellen. Ebenso wie auch Mensch und Nacktmull den gleichen Vorfahren haben, oder noch besser in dem Kontext: Mensch und Borstenwurm. Man muss nur weit genug im Stammbaum zurück. Aber das wäre ja Unfug im Grunde, oder?
    Also muss man da ja auch ein Kriterium anlegen, wo man die Grenze zieht, wie viel Abweichung, wie viele Entwicklungstufen für eine Gattungstrennung notwendig sind. Aber damit hätte man ja wieder eine "künstliche" Einteilung.


    Ist es das was du meinst Konrad, nur komplizierter ausgedrückt?



    LG, Pablo.


  • Hallo,


    Je nach dem, was du jetzt Grenzbereich nennst, machst du ja wahrscheinlich an abweichender Morphologie fest - es könnte ja aber sein dass genetisch B. satanas und B. edulis weiter entfernt stehen als z.B. B. edulis und X. badius.. Das Ganze ist halt so ein bisschen Morphologie vs. Genetik (aber wie gesagt ich kenne die Ergebnisse nicht!)
    Aber ich würde auch sagen es kann durchaus sein, dass es eine praktischere Lösung gibt..


    Zum Monophylum und dem Gattungs-Rang: genau das ist daran das Problem/Menschgemachte - alle Gattungen die es gibt sind unterschiedlich "eng" weil es ja letztlich gar kein Kriterium gibt, nach welchem man das abgleichen könnte, bedenkt man vor allem dass verschiedene Gruppen sich unterschliedlich schnell mit der Zeit verändern.
    Es gibt Tatsächlich auch Leute die einfach eine %-Grenze bei den Unterschieden in der Sequenz als Kriterium nutzen wollen. Z.B. ab 3% Unterschied andere Arten, ab 5% Unterschied andere Gattung, usw. (ich denke bei Bakterien wird es auch so gemacht)
    (Eine Gattung muss auch kein Monophylum sein aber aus meiner Sicht ist das schon sehr sinnvoll)
    Man kann dann ja auch dann die Unterschiede zw. verschiedenen Gattungen vergleichen: zB wenn man weiß Russula und Lactarius unterscheiden sich um ca 8%, Rubroboletus und Boletus aber um 10% (was faktisch nat nicht so ist^^), kann man ja daher kommen und sagen Leute das braucht schon einen eigene Gattung...


    Zu den Stammbäumen: Es gibt da ja verschiedene Stammbäume. Die, die ausgestorbene Arten beinhalten sind nicht anhand genetischer sondern meist morphologischer Merkmale erstellt, da man ja in den seltensten Fällen fossile DNA besitzt. Und wie du sagst haben wir quasi keinen Fossilbericht bei Pilzen.
    Wenn man wie bei Pilzen nun einen Vergleich der DNA anstellt bekommt man nur einen Fächer mit einer Ebene bzw man bekommt auch Verzweigungen aber die sind zum einen errechnet und nicht real und selbst wenns stimmt werden wir die Arten nicht mehr finden können.
    Die Entwicklung ist so allein dann nicht festzustellen, wohl aber die Verwandschaften.


    Und wie du richtig sagst sei noch erwähnt, dass eben durchaus nie das Genom verglichen wird sondern immer nur ein Gen oder nur ein Teil eines Gens (oder eine andere kurze Sequenz)... das ist natürlich auch in verschiedener Hinsicht problematisch. Ist aber besser als es auf den ersten Blick erscheint :D

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Konrad!


    Danke für die Erklärung! :thumbup:
    Ja, ungefähr so hatte ich mir das zusammengereimt.


    Und ausgehend von meinem Wissensstand habe ich jetzt schon erstmal die morphologischen Abweichungen betrachtet, wegen den "Grenzbereichen". Und wie weiter oben schon erwähnt war "Boletus" für mich gerade aus morphologischer Sicht schon immer eine sehr "heterogene" Gattung. Die Unterschiede zwischen den nicht verfärbenden, weißfleischigen weiß- bis Gelbporern (Gattung: Boletus) und den stark blauenden, gelb- bis rotfleischigen Rotporern (Gattung: Imperator) sind schon eklatant im morphologischen Bereich. Da wurden schon Gattungen aufgedröselt, wo zwischen den Gruppen geringere morphologische Unterschiede bestanden.


    Noch was ganz Allgemeines: Ich bin alles andere als ein Gegner der genetischen Untersuchungen. Im Gegenteil. ich finde sie sehr wichtig. Hoffentlich kam das in den vorigen Beiträgen auch so raus. ich meine nur, daß da die Forschung im mykologischen Bereich noch ziemlich am Anfang steht und eben auch immer im Abgleich mit den morphologischen und ökologischen Kriterien erfolgen sollte.
    Und weil dazu eben auch das Engament der "Hobby - Mykologen" ohne Universitätszugang (und -bildung) von großer Bedeutung ist, sollte man einen Weg finden, daß diese auch weiterhin ihren immens wichtigen Beitrag zur Forschung leisten können, ohne jeden Tag Dutzende von Neuveröffentlichungen zu verfolgen und neue Namen und Gattungen zu lernen.
    Dafür muss es ja nur stichhaltige Synonym - Listen geben. Was aber schon bei den offiziellen datenbanken nicht immer sinnvoll nachvollziehbar ist. Insofern wäre es strategisch eben günstiger, soweit wie möglich an den bekannten und gängigen Taxca festzuhalten bzw. zunächst bereits bestehendes Chaos zu bereinigen, bevor man "neues Chaos" (mal ganz plakativ ausgedrückt) anrichtet.
    Zum Beispiel hätte man mal die Synonymien zwischen Boletus erythropus und Boletus luridiformis sowie Boletus junquilleus / pseudosulphureus und deren Varietäten taxonomisch klären können. Aber das ist ja mal wieder ein anderes Thema.



    LG, pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,


    ich habe zwar nichts mehr gesagt, nachdem ich die Diskussion angestoßen habe, aber ich lese fleißig mit und bin dankbar für so viele Meinungen. :sun:


    Der Punkt mit den Hobbymykologen, die bei der Kartierung die meiste Arbeit leisten und denen mit einer notwendigen Sequenzierung die Grundlage genommen wird, gefällt mir sehr gut. So weit habe ich bisher noch gar nicht gedacht. :thumbup:


    LG, Jan-Arne


  • (Was macht die KOH - geschichte, Stephan?)


    Die ruht im Moment mangels Pilzen. Ich habe in ganz Hohenlohe dieses Jahr noch keinen Ritterling gefunden (OT: übrigens auch noch keinen Steinpilz, keine Marone, keinen Hallimasch, keinen Schleierling, keinen Pfifferling... :( ) . Wenn nicht bald ein Wunder passiert, geht Hohenlohe sozusagen pilzlos aus diesem Jahr raus.

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    Einmal editiert, zuletzt von Oehrling ()

  • Hallo Zusammen!
    Für mich als Nicht-Mykologe finde ich es noch schwerer, den neuen Namensgebungen zu folgen. Ich bin eigentlich heilfroh, wenn ich endlich einen der wissenschaftlichen Namen in meinen Kopf bekommen habe. Wenn ich in einem Bericht Trivial- sowie wissenschaftliche Namen verwenden soll, ziehe ich zuerst meine Bücher und dann noch mal das Netz heran, weil ich da nicht durchblicke. Ich finde es schlichtweg nervig.


    Eine Frage habe ich dann gerade noch: warum heisst das jetzt Hortiboletus? Soweit ich weiß, bedeutet der Wortteil "Horti" Garten...

    • Offizieller Beitrag

    Hi!


    So mache ich es auch nach wie vor bei den allermeisten Arten, Tuppie, aber keinem weitersagen. ;)


    "Hortiboletus is derived from the Latin word hortus "garden", referring to a typical habitat of the type species, Hortiboletus rubellus." sagt das englische Wikipedia.


    LG, Jan-Arne

  • oh Mann Tuppie, Du sprichst mir aus dem Herzen, wie soll man das nur in den kleinen Kopf bekommen, wenn die Festplatte schon so voll ist! Sometimes you should twentyfour...

    Liebe Grüße
    Claudi


    100 Chips + 3 von Abeja (imaginäres BRätzel) - 5 APR-Kasse + 5 Antiquengelbonus + 15 größte Punktesteigerung zu Vorjahren beim APR = 118


  • Hallo Zusammen!
    Für mich als Nicht-Mykologe finde ich es noch schwerer, den neuen Namensgebungen zu folgen. Ich finde es schlichtweg nervig.


    Guten Abend
    Dem kann ich nur zustimmen.Da finden sich irgendwelche Leute bewogen(vermutlich aus Geltungsbedürfnis oder Daseinsberechtigung) jahrelang geltende Bezeichnungen in Frage zu stellen und streiten sich ob hinten ein C oder K oder Spec. zu stehen hat.......Hoffentlich kommt Keiner auf die Idee das dieses Forum eigendlich "Fruchtkörper-Forum" heißen müsste,da ja der "Pilz" unter der Erde ist. ;) :cool:


  • Moin.


    Die Gefahr, daß Arten nur per Sequenz bestimmbar sind, sehe ich eigentlich nicht. Ich glaube nämlich, daß jede eigene Art (also mit einer so weit abweichender, eigener Sequenz, daß sie mit einer anderen Art nicht mehr fortpflanzungsfähig ist) sich auch irgendwie mit ökologischen und / oder morphologisch Parametern beschreiben lässt.


    Hallo Pablo,


    Dein Glaube in allen Ehren, alleine mir fehlt der in dieser Beziehung. Es mag ja vielleicht sein, dass es bei den Großpilzen so ist und immer so sein wird. Die Sequenzierer turnen allerdings auch im Bereich der Ascomyceten. Darunter auch Arten, die makroskopisch und ökologisch keine Unterscheidung zulassen und bei denen sogar die mikroskopischen Unterschiede sehr gering sind.


    Und ich mag hier gerne 50 Chips wetten, dass wir es innerhalb der nächsten 10 Jahre mit einer Aufsplittung von Amanita muscaria oder einem ähnlichen Kandidaten zu tun haben werden. Und dann ist Ende mit morphologischen und ökologischen Unterschieden.


    Darüber hinaus sind ökologische Kriterien, wie oft auch morphologische, alleine manchmal nicht ausreichend für eine sichere Bestimmung und bedürfen der mikroskopischen Bestätigung. Wenn die jedoch nicht möglich ist, fällt sowas bei der Kartierung durch.