Ein Schneckling

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 847 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Clavaria.

  • Hallo zusammen


    Ich glaube das hier habe ich nie ins Forum gestellt. Inzwischen bin ich völlig ratlos, mal schauen was ich dazu denkt.



    Diese Pilze habe ich Ende Oktober 2022 bei Pinus und Picea auf Kalk gefunden, Betula gab es auch.

    Man sollte ja meinen es ist ein Schneckling.

    Geruch: Schwach aromatisch.

    Die Stielbasis verfärbt sich bei Berühungen aussen chromgelb.

    Das Fleisch zeigt keine Verfürbung.


    Die Sporen sind recht unauffällig.


    Basidien 4-sporig und schlank, wie es sich für die Gattung gehört.


    Die HDS ist eine Ixokutis, kaum was zu erkennen.


    Hier noch die Stieloberfläche.


    Ich dachte der muss doch bestimmbar sein, aber Fehlanzeige.

    Schlussendlich habe ich ihn sequenzieren lassen, die Gattung ist ja sogar recht gut molekular bearbeitet.

    Ich habe zwar eine gute Sequenz bekommen, aber es gibt keinen Treffer.

    In der Genbank ist der beste Treffer ein Cortinarius (?!?!) mit 99% und zwei Phaeocollybia (!?!?!) mit 98.8% Übereinstimmung.

    Danach kommt nur noch ganz viel Hygrophorus, das meiste ohne Artname.


    Hat jemand eine Idee was ich da habe?


    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,


    ich habe keine Ahnung von mikroskopischen Merkmalen und denke, du hast dich bestimmt durchgeschlüsselt. Diese weißen Pilze sind für mich als Anfänger mindestens genauso schwierig, wie LBMs. Trotzdem mal ein Schuss ins Blaue: meine erste Idee rein makroskopisch war Clitocybe. Vielleicht der Bleiweiße Firnis-Trichterling (Clitocybe phyllophila)...


    LG Michael

  • Servus Raphael,


    faszinierend! Hast du die Sequenz mal in UNITE geblastet?

    Auf welcher Höhe hast du die Schwammerln gefunden? Ziemlich auffällig sind ja diese rußgrauen Verfärbungen der Hüte und die relativ dunkle Lamellenfarbe.


    Grüße

    Matthias

  • Hallo zusammen


    Ganz unspektakulär auf 750m. Diese Flecken hielt ich erst für eine Alterserscheinung, aber die Fruchtkörper waren noch frisch.

    Und ja, mit den dunklen Lamellen kommen gar nicht mehr viele Arten in Frage.


    Hallo Raphael,

    mit welchem Arbeitsnamen aus Cortinarius hat es denn (einigermaßen) gematcht?

    LG Günter

    In der Genbank kommen über 90% nur Kollektionen, die auf Gattungslevel bestimmt wurden:

    Die besten Treffer sind alles Direct Submissions ohne Publikation dahinter, helfen also nicht weiter.


    Bei UNITE sieht es ähnlich aus:

    Immerhin gibt es hier eine fast identische Sequenz, aber ohne Name. Mein Pilz wurde offenbar auch einmal in Tscheschien gefunden.

    Wenn man dieser obersten Kollektion etwas nachgeht, kommt man drauf dass diese ursprünglich als Hygrophorus subviscifer bestimmt wurde:

    MyCoPortal Detailed Collection Record Information

    Bei UNITE gibt es aber zwei andere, nicht identische Sequenzen von H. subviscifer. Offenbar also was anderes.


    Ich werde wohl mal Irja Saar kontaktieren...


    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,

    gibt es denn eine Sporenpulverfarbe? Und eine Untersuchung mit Melzers Reagens?

    Ich selber kenne keinen Schneckling, der so aussieht, dagegen gibt es in anderen Gattungen durchaus etwas, das so aussieht, ein Trichterling (Clitocybe) etwa, oder ein Tellerling (Rhodocybe), vielleicht auch ein Rasling/Schwärzling (Lyophyllum).

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo,


    Sporenpulver war weiss.

    Melzer habe ich nicht getestet, weil mir anhand der schlanken Basidien und des Aussehens klar war, dass es ein Schneckling sein muss.

    Zystiden gab es übrigens auch keine.


    Ich selber habe im Feld auch eher an eine Rhodocybe gedacht.

    Aber die Sequenzierung zeigt ja nun eindeutig, dass es ein Hygrophorus ist - auch wenn ich noch nicht weiss welche Art.

    Hygrophorus subviscifer bei Ludwig hat eine gewisse Ähnlichkeit, vor allem diese dunklen Lamellen.

    Ich vermute es ist irgendwas nahe Verwandtes.


    Gruss Raphael

  • Hi,

    wirklich knifflig, da es scheinbar auch keine verfügbaren Sequenzen vom Holotype bzw. eines Verantwortungsautors gibt?


    Dann bleibt für mich auch unklar, ob spodoleucus (Moser) und subviscifer (Harmaja) schlussendlich wirklich dasselbe ist? Ludwig zweifelt in der Fußnote an Harmajas Interpretationen und Namensgebung, Harmaja synonymisiert und kombiniert (n.comb.) Arten bzw. Holotypen, die er nicht gesehen hat (siehe Protolog: Mosers spodoleucus, Holotype from Switzerland, not seen): "Hygrophorus albidus Karst. (lectotype selected here) and H. spodoleucus Moser are reduced to synonymy with H. subviscifer." Ich frage mich dann immer auf welcher Grundlage genau? Darf man daran zweifeln? Sequenziert wurde da ja 1985 scheinbar noch nichts. Und die Herleitungen werden ja offensichtlich kontrovers diskutiert, oder? Müsste man die Sequenzierung an den Lectotypen nachholen? bzw. an Mosers Holotype?


    Interessant ist vielleicht noch die Möglichkeit, in PLUTO F hochwertige Fotos der entsprechend sequenzierten Arten anzuschauen (wenn denn welche bereitgestellt wurden). So scheint mir das, was in Unite unter der "Sequenz UDB015302|118042 Hygrophorus subviscifer (P. Karst.) Harmaja" geführt wird (und 96% Übereinstimmung hat zu deiner Sequenz) schon etwas anders als dein Fund (weniger kompakt, gezähnelte Lamellenschneiden?): nach unten scrollen zu "Associated Data" - Record, dann Bild öffnen - Beachte: Rights Holder: Irja Saar:

    PlutoF biodiversity platform


    Dazu wiederrum gibt es ja keine Veröffentlichungen/Beschreibungen


    Also, ich kann mir gut vorstellen, dass es da unbeschriebenes gibt.

    Schlussendlich habe ich ihn sequenzieren lassen, die Gattung ist ja sogar recht gut molekular bearbeitet.

    Denkst du dabei an spezielle Publikationen?


    Vielen Dank jedenfalls für die sehr interessante Darstellung und Diskussion hier.


    LG Sebastian

  • Hallo Sebastian


    Danke für die ausführliche Rückmeldung.


    Ja, ohne Typus-Sequenzen fischt man da etwas im Trüben...

    Die Autoren dieser Zeit bildeten die Synonyme aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer persönlichen Meinung, welche Merkmale in der jeweiligen Gattung arttrennend sein könnten.

    Da hatte natürlich jeder Mykologe eine etwas andere Meinung, aber eine andere Möglichkeit gab es einfach nicht. Das führt dann zu solchen verwirrenden Arten-Komplexen wie hier.

    Um das zu lösen, hilft nur eine Sequenzierung des Typus-Materials. Oder einen neuen Typus festlegen, wenn kein brauchbares Material verfügbar ist.


    Ich habe Irja Saar kontaktiert. Fürs erste hat sich mein Verdacht bestätigt. Bei UNITE gibt es verschiedene Sequenzen von Kollektionen, die als H. subviscifer bestimmt wurden.

    Dahinter verbergen sich aber mindestens zwei Arten, weshalb "meine" Art dort keinen Namen hat.

    Ob dafür irgendwann die Namen spodoleucus und subviscifer verwendet werden können, bleibt abzuwarten.

    Ansonsten wurde ich an Ellen Larsson weiterverwiesen, wo ich noch auf eine Antwort warte. Es bleibt spannend.


    Publikation:

    Da gab es 2021 ein Paper in der Persoonia 46, das hast du sicher schon. Dem verdanken wir die Tatsache, dass es nun zwei Wohlriechende Schnecklinge gibt.

    Ok, da wurde noch nicht die ganze Gattung bearbeitet. Neuere Sachen gibt es wohl nicht.


    Gruss Raphael