Frag' einen Forstmensch was :)

Es gibt 62 Antworten in diesem Thema, welches 2.581 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kruenta.

  • Man gewinnt den Eindruck, dass nur wir Pilzsammler die wahren Experten des Waldes wären und deshalb wissen, was gut für ihn ist und was nicht.

    Diese "Rundumschläge" gegen Behörden, Forstleute, Jäger, und Waldarbeiter - die ja alle keine Ahnung haben - empfinde ich mehr als peinlich.

    Ja, da bin ich ganz bei dir. Es ist schade, dass die Diskussion so dermaßen in unangemessene Rundumschlägen abgedriftet und damit vernebelt ist. Denn ursprünglich - die wenigsten werden sich erinnern - ging es um die Diskussion der gefallenen Aussage: "Der Harvester zerstört keine Waldwege und ähnliche Habitate". Wenn es um genau dieses Thema gehen und die Diskussion bei diesem Thema bleiben würde, glaube ich, dass auch der Pilzsammler mit seinem fehlenden Forststudium und seinem vielleicht auch sonst bescheidenem Wissen mitdiskutieren kann.


    Früher ging er zum Pilzsammeln in ein Waldstück, das jahrzehntelang, vielleicht hundert Jahre lang unverändert einen ruhigen, unversehrten, sozusagen "friedlichen" Eindruck machte. Die obere Bodenschicht machte jedenfalls einen intakten Eindruck, es war der berühmte tolle "schwingende" Waldboden, nun ja, vielleicht mal abgesehen von ein paar der in Baden-Württemberg recht häufigen illegalen Bauschutt- und Müllablagerungen, gegen die niemand vorgeht. Im Folgejahr ist dagegen alles anders. Der Boden besteht nun aus breiten Fahrspuren, bei denen die Reifenprofile sich tief in den Boden eingegraben haben und der lehmig-morastige Boden offen zutage steht. Überall liegen Holzreste, Holzschnitzel, Zweige und dergleichen herum, die nicht eingesammelt werden - welch eine ideale Brutstätte für Forstschädlinge! Bremsen und ähnliches Getier schwirrt massenhaft durch die Luft. Es sind in einem ehemals dunklen Wald breitflächige Lichtungen entstanden, die das Austrocknen des Bodens sowie seine Verkrautung und Verfilzung bedingen. Auch ohne forstwissenschaftliches Theoriewissen kommen dem Pilzsammler da spontan die Tränen, auch weil er weiß, dass er da die nächsten 50 Jahre nichts mehr finden wird.


    Das alles lasse ich Pilzsammler mir nicht schönreden von Leuten, die glauben, dass mehr wissenschaftliches Theoriewissen alles ist.


    FG
    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Oehrling guten Abend,

    ja, in diesem Thread war wirklich einiges los.

    In Nachricht Nr. 8 hatte ich bereits erläutert, was ich mit „Harvester zerstören die Wege nicht“ meinte: Die tiefen Spuren stammen fast immer vom beladenen Forwarder -besonders, wenn bei nassem Boden gefahren wird. Vielleicht magst du dir die Stelle noch einmal ansehen, sie sollte genau diesen Punkt klären.


    Überall liegen Holzreste, Holzschnitzel, Zweige und dergleichen herum, die nicht eingesammelt werden - welch eine ideale Brutstätte für Forstschädlinge! Bremsen und ähnliches Getier schwirrt massenhaft durch die Luft. Es sind in einem ehemals dunklen Wald breitflächige Lichtungen entstanden, die das Austrocknen des Bodens sowie seine Verkrautung und Verfilzung bedingen.

    Unser Zoologieprof war von dem Begriff "Forstschädlinge" immer schockiert. Zu Recht, denn jedes Lebewesen hat seine Berechtigung. Solche Erntereste werden absichtlich liegen gelassen, um das Totholzaufkommen zu erhöhen. Neben anderen Maßnahmen mit ähnlichem Ziel, wie z.b. erhalt von stehendem Totholz, liegendes Totholz möglichst am Stück liegen lassen. Nicht jeder Ernterest ist eine Gefahr für den Wald, dies trifft hauptsächlich auf Erntereste von Käferfichten zu - diese werden gehackt. Das tötet zwar nicht die erwachsenen Käfer welche sich vielleicht darin verbergen, aber die Larven trocknen aus und können sich nichtmehr entwickeln. Hinsichtlich Zukunft des Waldes ist ein gleichmäßig dunkler Wald ziemlich schlecht - das heißt er ist meist nur einschichtig, keine Verjüngung (da dunkel). Ein dunkler Wald heißt auch dichter Stand der Bäume, das heißt weniger vitale und höchstvermutlich instabile Bäume (für konkreteres müsste ich mit dir im Bestand stehen). Das ist zwar angenehm für Pilzsammler, schöne Moosflächen so weit das Auge blickt, aber was soll dann da stehen wenn geerntet wird? Wie soll sich der Wald behaupten können bei Sturm? Forstlich sind auch die Zuwächse gering (hängt mit der Vitalität zusammen). Besser ist daher für Licht zu sorgen, Eichen z.b. brauchen viel Licht um aufwachsen zu können, die Vielfalt kommt mit Struktur. Deswegen studiert man auch ziemlich viel Waldbau als Forststudent, weil das nicht so einfach ist Bestände zu managen.

    Den generellen Mehrwert von Totholz diskutiere ich hier nicht, ich denke da stimmen wir alle überein.


    Das alles lasse ich Pilzsammler mir nicht schönreden von Leuten, die glauben, dass mehr wissenschaftliches Theoriewissen alles ist.

    Wenn ich hier schreibe, dann nicht allein aus Lehrbüchern: Ich arbeite auch praktisch im Forst und bewirtschafte eigenen Wald. Meine Hinweise stammen also aus einer Mischung aus Praxis, Studium und Erfahrung. Mir geht es nicht ums Schönreden - und auch nicht darum, „Theoriewissen“ über Beobachtungen zu stellen. Beides ergänzt sich: Deine Erfahrung beschreibt, wie sich eine Fläche anfühlt nach der Holzernte; meine Erklärung soll zeigen, warum diese Spuren entstehen und welche Überlegungen dahinterstehen.


    Viele Grüße


    Joana

  • N'abend,


    noch ein kleiner Einwurf am Rande, der m.E. nicht unwichtig für die Bewirtschaftung und den Zustand von Wäldern ist. Wenn der Gesetzgeber das GG "Eigentum verpflichtet" dahingehend auslegt, dass ein Waldbesitzer Bodensteuern für den Wald zu bezahlen hat, dann wird der Besitzer dazu gezwungen (falls er nicht anderweitig bedeutende Einkommen hat), den Wald so zu bewirtschaften, dass er abzüglich der Betriebskosten mindestens soviel geldwerten Gewinn (vor Steuern) macht, dass er diese Steuern zahlen kann. Zudem unterliegt diese Wirtschaftstätigkeit noch zahlreichen Regulierungen, was dazu führt - wie im Diskussionsfaden erwähnt - dass kleinere Waldbesitzer ihren Wald abstoßen und überhaupt Waldpreise eher gering sind. Speziell im Vergleich mit Ackerland.


    Anders in Ländern, wo es solche Steuern nicht gibt. Wo Wald nicht von einer Grundstückssteuer betroffen ist. Da können Besitzer den Wald auch einfach sich selbst überlassen [im Wesentlichen] und sind nicht auf Gewinnerwerb angewiesen. Das ermöglicht ein wesentlich breiteres Spektrum an Wirtschaftsformen, angefangen von "gar nichts" über "Kahlschlag gefolgt von 30+ Jahren gar nichts" bis zu "EU geförderten Plantagen auf Baumacker". Aus der Vielfalt der Bewirtschaftungsarten resultiert auch eine breite Artenvielfalt, wobei die letzte Kategorie dabei natürlich sehr schlecht abschneidet.


    LG, Bernd

  • Guten Abend Joana

    wo nicht nur die Forstinventurergebnisse sichtbar sind - sondern einfach ein weiterer layer möglich wäre drüber zu legen,

    wo dann z.b. eingezeichnet ist wo das Orchideenhabitat anfängt & endet

    ausgezeichnete Idee,

    leider hat die Behörde hier verschiedene Forstteilgebiete an verschiedene zuständige Förster vergeben, als Epipactis-Beobachterin weiß ich nicht, welcher Förster wofür zuständig ist, wie die Flurstücke heißen.

    So kam es, daß ausgerechnet auf der wunderschönen Lichtung im Frühjahr gefällte Baumstämme voll auf den Orchideen lagen, die da kein durchkommen hatten.

    Trotz Meldung und Anfrage bei der Unteren Naturschutzbehörde wurden die Baumstämme nicht weggebracht.

    Leider keine gute Kommunikation (Einbahn ohne Rückmeldung), das frustriert.

    Eine gute Option wäre, wenn die Naturschutzverbände NABU, BUND, NI, Behörden mit ASP mal auf observation.org oder naturaList schauen...ich erlebe nur Verzettelung, Partikularinteressen, Zuständigkeits-Ablehnungen, auch beim beauftragten LEV komme ich nicht durch...

  • Nachdem jetzt fast jeder Forenteilnehmer zu diesem Thema schon Stellung genommen hat, möchte ich auch noch ein paar Worte loswerden.


    Erstmal großes Lob an Joana_, die sich, trotz einiger spitzer Kommentare, zu keinem Zeitpunkt aus der Ruhe bringen ließ, und geduldig und freundlich alle Fragen beantwortet hat.

    Hinsichtlich Zukunft des Waldes ist ein gleichmäßig dunkler Wald ziemlich schlecht - das heißt er ist meist nur einschichtig, keine Verjüngung (da dunkel). Ein dunkler Wald heißt auch dichter Stand der Bäume, das heißt weniger vitale und höchstvermutlich instabile Bäume (für konkreteres müsste ich mit dir im Bestand stehen). Das ist zwar angenehm für Pilzsammler, schöne Moosflächen so weit das Auge blickt, aber was soll dann da stehen wenn geerntet wird? Wie soll sich der Wald behaupten können bei Sturm? Forstlich sind auch die Zuwächse gering (hängt mit der Vitalität zusammen). Besser ist daher für Licht zu sorgen, Eichen z.b. brauchen viel Licht um aufwachsen zu können, die Vielfalt kommt mit Struktur.

    Klar haben auch die Pilzsammler was davon, wenn der Boden schön moosig ist und man sich frei bewegen kann. Aber so ein Wald speichert auch enorm viel Feuchtigkeit, das Moos kommt ja nicht von ungefähr. Ein heller Wald kriegt zwangsläufig mehr Sonneneinstrahlung auf den Waldboden und trocknet schneller aus. Das ist simple Physik.


    Auch dass die Bäume im dunklen Wald zwangsläufig dicht stehen (und dadurch sturmgefährdeter sind), muss nicht sein. In meiner Nähe gibt es den Wildpark "Josefslust", das ist im Prinzip ein sehr großes Freigehege für Wildschweine. Dort gibt es aber auch eine Vielzahl an uralten Bäumen mit klangvollen Namen wie "Fürstin-Margarete-Eiche", die oft vor Jahrhunderten gepflanzt wurden. Der Wald dort ist stellenweise wirklich dunkel (und moosig!), obwohl die Bäume nicht dicht beisammen stehen. Viele sind halt sehr alt und haben gigantische Kronendurchmesser, was den Boden trotzdem optimal beschattet. Da wird einem erst bewusst, wie ein annähernd natürlicher Wald bei uns aussehen könnte. Ich sage bewusst "annähernd", weil natürlich auch dieser Wald teilweise forstwirtschaftlich genutzt wird (vor allem Fichten an den Randbereichen), und die Bäume auch gepflanzt wurden und nicht durch natürliche Aussaat dort gelandet sind, aber Wälder dieser vertikalen Dimension kenne ich hier sonst nirgendwo. Der Wald ist übrigens an der Spitze eines Hügels und müsste bei Stürmen recht exponiert sein. Trotzdem haben Kyrill, Lothar und wie sie alle hießen, diesen Wald offenbar nicht sonderlich beeindruckt.


    Ich finde, in viel mehr Wäldern müsste es Stellen geben, die von der Forstwirtschaft einfach gar nicht mehr angefasst werden, aber man sich als Privatmensch noch frei bewegen darf. Quasi die Vorstufe des Bannwalds*.

    Dafür könnte dann in anderen Waldteilen die forstwirtschaftliche Nutzung von mir aus intensiviert werden, um das zu kompensieren. Der Holzertrag bleibt dann unterm Strich derselbe, aber der Natur täte es vermutlich einen größeren Gefallen, als dass man jede Stelle des Waldes in Rotation alle paar Jahre mit schwerem Gerät ansteuert.


    LG Suillus


    *In Deutschland scheitert das vermutlich wieder an der Haftungsfrage - nicht auszudenken, wenn jemand trotz Warnschildern von einem Ast erschlagen wird. Bäume können (meines Wissens) nicht als Angeklagte vor Gericht erscheinen, weshalb der Waldbesitzer haftbar gemacht wird.

  • Hey Suillus, willkommen im thread. :)


    Danke für dein Lob. Ich mache das gern, habe aber gemerkt es saugt recht viel Zeit. Deswegen habe ich jetzt das Pilzforum in Arbeitszeiten blockiert, damit ich garnicht erst in Versuchung gerate. :D Also überhaupt nicht böse gemeint, ich muss nur auch mit meiner Zeit haushalten.


    Kurz zu deiner Haftungsfrage, als „Baumbesitzer“ bist du wirklich verantwortlich für die Gefahr die von ihm ausgeht, da wird aber zum Glück unterschieden jenachdem wo der jetzt steht - direkt am Straßenrand im Wohngebiet vs. irgendwo im Nirgendwo ohne Gründe die zu Menschenansammlungen führen. (Grillplatz z.b) Ich bin z.b auch Baumkontrolleur, und habe letztens für eine Bekannte ihre Bäume im Garten für sie kontrolliert. Im Wald heißt es dann „Waldtypische Gefahren“, sprich Äste dürfen auf Menschen fallen, nur nicht wenn von Anfang an klar war das da viel Verkehr ist.


    Finde deinen Vorschlag mit tlw. Stilllegung und anderweitiger Intensivierung interessant, zu Teilen ist das auch bereits in der Praxis vorhanden, aber ohne Intensivierung (das ist nicht möglich unter den gängigen Zertifizierungen). Da wird dann z.b für Ökopunkte stillgelegt oder Wälder die eh sehr schwierig zu bewirtschaften sind aufgrund Steigung/Boden/Zuwachs sind auch oft entweder nicht oder fast nicht bewirtschaftet.

    Betonung auf oft, gibt natürlich Ausnahmen oder im Gebirgswald würde das auch schwierig sein alles stillzulegen was Steigung hat. :D In anderen Ländern wirds so gemacht, aber man muss sich bewusst sein, das sind dann mit hohem Flächenanteil Plantagen und kleine stillgelegte Bereiche, die sind alles andere als klimaresilient. Auch wär das natutschutzmäsig eine Katastrophe, nicht das Naturschutz mein Fachgebiet wäre aber „Vernetzung von Biotopen“ ist definitiv aus bei der Bewirtschaftungsart. Daher würde ich eher nicht deinen Vorschlag unterstützen. Jede Waldbautechnik hat seinen „trade off“, wer z.b schonend wenige Einzelbäume entnimmt muss automatisch viel mehr Fläche bearbeiten und häufiger kommen. Wenn man als Gedankenspiel sich vorstellt wir würden jetzt die Forstwirtschaft massiv runterfahren - unser Bedarf nach Holz ist dennoch da, dann kommt das Holz aus anderen Ländern und Erntetechniken die definitiv sich unterscheiden von unseren. Wir brauchen eh schon mehr Holz als wir selbst herstellen, deswegen auch die EUDR (european deforestation regulation).


    Wegen der Sache mit „dunklem Wald“ da steckt der Teufel im Detail, „gleichmäßig dunkel“ habe ich geschrieben, ich meinte damit explizit nicht Bestände die einfach dunkle Ecken haben. Ein alter Bestand der dunkle Ecken hat ist stabilitätsmäsig eine ganz andere Sache als ein Wald der einfach nur gleichmäßig dunkel ist weil er zu dicht steht. Ein Wald der gleichmäßig dunkel ist aufgrund von weit verteilten Einzelbäumen ist nicht die Regel und das meinte ich hier nicht, aber da hast du vollkommen Recht das die stabiler sind.


    Der Wasserkreislauf im Wald besteht aus deutlich mehr als nur Verdampfung aufgrund von Sonneneinstrahlung. Ein Punkt den man z.b gern übersieht ist auch der Wasserverbrauch der Bäume, welcher hart gesagt, geringer ist -wenn weniger da sind. Aber das ist wirklich noch viel viel komplexer, über den Wasserkreislauf hört man im Studium jedes Semester was und immer geht es fachlich noch etwas tiefer. .


    Was ich noch sagen wollte, unser Prof hat uns mal Buchenurwälder gezeigt, die sahen aus als hätte man sie gepflanzt, ohne Struktur, kaum Totholz, man hat nur aufgrund der fehlenden Stöcke gesehen dass es eben kein bewirtschafteter Wald ist. Sprich was wir als „naturnah“ empfinden (Vielfalt, Struktur) muss nicht so sein.

    Für meine Bachelorarbeit habe ich viel recherchiert wie Menschen Wald empfinden, da kam raus das Menschen meist garnicht „echten Urwald“ sich wünschen, sondern eher einen ordentlichen Wald, mit Abwechslung von dicht & übersichtlichen Bereichen. (Prinzip hide&refuge vs. prospect) Ein dichter unübersichtlicher Wald kann für den Erholungssuchenden bedrohlich wirken, zu viel Totholz die Stimmung drücken. (sind oft psychologische Studien 😆) Übrigens kam auch raus das Forstmenschen sich schlechter im Wald erholen können - ist halt der Arbeitsplatz…


    lg,

    Joana

  • Hallo Joana,


    du hast sehr ausführlich dargestellt, wie sich die forstwirtschaftlichen Lehre gewandelt hat. Das ist interessant und zumindest ein Lichtstreif am Horizont.

    Davon kann ich hier in meiner Region aber leider nur träumen, außer dass beim Einsatz schwerer Technik jetzt oft die Rückegassen eingehalten werden. Ich weise noch einmal darauf hin, dass ich nur über meine persönlichen Erfahrungen in meinem Umfeld berichtet hatte.


    Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Ich studiere jetzt Forst im 5ten Jahr (Master) und bin in der Praxis aktiv, es ist völlig logisch das ich "besser Bescheid" weis als du.

    Es ist völlig unstrittig, dass du mehr forstwirtschaftliches Wissen hast. Aber ernsthaft, du glaubst nicht wirklich, dass ich die nicht existierende Warnschilder und Flatterbänder nicht wahrnehme, weil mir das Forststudium fehlt? Ich bin ganz sicher, wenn ich die sehen würde, wäre ich ein Fall für die Psychiatrie.


    Du bist Forstwirtin und Befürworterin der Jagd, so wie sie derzeit praktiziert wird. Ich bin der Meinung, dass die Jagd auf den Prüfstand gehört und im besten Fall durch eine gezielte Wildtier-Populationskontrolle ersetzt wird. Bei der Jagd werden wir also wohl nicht zusammen kommen. Aber vielleicht beim Wald?


    Ich wünsche mir mehr naturbelassene Wälder mit viel Totholz, alten Bäumen (und ja, mir ist bekannt, dass anfangs nicht unbedingt eine großartige Artenvielfalt existieren muss). Denkst du nicht, dass ein Wald wie der Lübecker Stadtwald ein Kompromiss zwischen naturnahem Wald und forstwirtschaftlicher Nutzung sein kann? Im Grunde geht es doch darum, ein Ziel zu definieren bzw. einen Kompromiss zu finden, um unterschiedliche Ziele unter einen Hut zu bringen.

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

  • Wutzi, jetzt komme ich endlich dazu dir zu antworten.


    Ich bin sehr positiv überrascht das du vom Lübecker Modell gehört hast. Das ist ein sehr interessantes Waldbaumodell, was bei manchen Beständen gut funktionieren kann.


    [...] Aber ernsthaft, du glaubst nicht wirklich, dass ich die nicht existierende Warnschilder und Flatterbänder nicht wahrnehme, weil mir das Forststudium fehlt? [...]

    [...] Vielleicht wurde das bei dir nicht gemacht, vielleicht ist es aber auch einfach deine Warnehmung und eigentlich wäre die Information verfügbar gewesen, ich weis es nicht. [...]

    Ich meinte generelle Informationen, wie sie z.b. im Tagesblatt, Zeitung, Internet, Gesprächen zwischen Dorfbewohnern usw. verfügbar sind.


    Du bist Forstwirtin

    nein.

    [...] und Befürworterin der Jagd, so wie sie derzeit praktiziert wird. [...]

    nein. Siehe bisherirge Nachrichten. Ich sehe die Jagd sehr differenziert, für mich gibt es nicht "die Jagd".


    [...] Im Grunde geht es doch darum, ein Ziel zu definieren bzw. einen Kompromiss zu finden, um unterschiedliche Ziele unter einen Hut zu bringen.

    Du hast Recht, es geht darum ein Ziel zu definieren. Ohne dieses ist keine Waldbautechnik die richtige. So wie bei der Pilzbestimmung nicht immer der selbe Schlüssel genutzt werden kann, sondern viele Schlüssel existieren, ist das im Waldbau auch. Je nach Ziel, Baumarten, Boden, Zuwachs, Klima, Dichte des Bestandes, Risiko, Wertverlauf, und vieles mehr, wird die passende Methode ausgewählt. Zudem auf aktuellem Wissen. Das Lübecker Modell ist auch eine Möglichkeit von vielen, die eben passen muss um angewendet zu werden. Ob das passt, kann nur eine Fachperson im Bestand selbst entscheiden - da sind einfach zu viele Faktoren zu bedenken. Forstwirte lernen natürlich auch Waldbau, die möchte ich jetzt nicht völlig ausgrenzen und vor allem mit zunehmender Erfahrung sind die richtig fit, deswegen würde ich einen erfahrenen Forstwirt auch als Fachperson zählen. Mein Waldbauprof war übrigens völlig in Extase wenns ums Lübecker Modell ging. ;)


    Lg,

    Joana


    PS: Ich wünsche mir einen respektvolleren Ton von dir, optimalerweise den gleichen Respekt den ich auch dir gegenüber zeige. :)

  • Hallo Joana,


    das liest jetzt außer uns beiden sowieso keiner mehr zu Ende, daher im Klartext.


    Du mahnst Respekt an. Respekt ist genau das, was ich mir generell wünsche. Auch gegenüber Menschen, die andere Positionen vertreten als man selbst. Ich wünsche mir, dass persönliche Lebensrealitäten und Erfahrungen nicht als Unwissenheit diskreditiert werden, nur weil sie der eigenen Meinung und einer aktuellen Lehrmeinung widersprechen. Theorie und Praxis liegen oft weit auseinander.


    Vielleicht hast du meine Kommentare nicht richtig gelesen. Ich sprach immer nur von meinen Erfahrungen hier in meinen Wäldern und von der hier praktizierten Forstwirtschaft. Ich sprach nicht davon, dass es hier bei mir in 10 Jahren keine Bäume mehr gibt, sondern davon, dass es keine vermarktungsfähigen Fichten mehr geben wird. Andere Baumarten als Fichten gibt es hier ohnehin kaum. Das hat nichts mit Glauben zu tun. Das ist bittere Realität.



    Beispiel:


    Besser als weitere Argumente, die meine Beobachtung untermauern würden und die du nicht glauben magst, ist die Online- Pressemitteilung über Thüringen-Forst bei MDR Thüringen von diesem Wochenende.

    Zitat:


    Offenbar war meine Einschätzung eine Punktlandung. Kein Holz, kein Geld kein Plan für die nächsten Jahre - ohne Strategie wohl eher für Jahrzehnte. Der Generationenvertrag Forst ist hier geplatzt. Das gewählte Foto zeigt meine Lebensrealität 2024. Kahlschlag, tote Bäume und das Fichtensterben in den verbliebenen Beständen geht weiter, großräumig.


    Die Forst-Theorie der Zehnjahresintervalle hilft da kein bisschen. Für diese Situation gibt es keine standardisierten Erhebungen. Die marktfähigen Fichten sind in 5 Jahren weg. Bis zur einer weiterten möglichen Vermarktung von Bäumen werden mehrere Jahrzehnte vergehen. Erst einmal ist Kahlschlag angesagt. Wenig Totholz wurde dem Boden gelassen. Die Hitze steht über den Flächen, die Böden an den ohnehin steilen humusarmen Südhängen erodieren zusehend. Es ist höchste Zeit darüber zu entscheiden, was der neue Wald in der Zukunft leisten, wie er aussehen soll und wie die Umgestaltung vonstatten gehen soll. Ich beklage, dass hier in den letzten Jahren lediglich tote Fichten vermarktet und gejagt wurden, ohne dass eine Strategie für die Zukunft entwickelt wurde.


    Du schreibst, der historische Vergleich mit dem Bayrischen Wald sei interessant, aber nicht der Standard. Allerdings: beim Standard können die raschen Veränderungen in Folge der Klimakatastrophe gar nicht eingepreist sein. Und genau damit haben wir es zu tun. Mit einer Situation, die vom Standard abweicht und auf die trotzdem reagiert werden muss. So rasch wie möglich.


    Beispiel 2


    Auf meine Wahrnehmung zur Sicherung der Jagd, die eine ganz persönliche ist und nur die hiesige Region betrifft, schreibst du zunächst:

    Wahrnehmung hat auch mit Wissen zu tun. So wirst du mir sicherlich zustimmen, das jeder Anfänger zum Thema Pilze, erstmal (wenn überhaupt) bei vielen Fruchtkörpern einfach nur "das ist ein Pilz" erkennt. Ein Fortgeschrittener spricht über Bestimmungsmerkmale, Habitat & Habitus, Sporenpulverfarbe und vieles mehr. Er sieht den Pilz anders, er nimmt anders wahr. Genauso ist das im Forst & Jagdbereich auch. Genau deswegen schicke ich dir hier lange Antworten, weil ich merke, dass das Wissen fehlt um sich wirklich unabhägig eine fundierte Meinung zu bilden. Ich möchte nicht das du am Schluss sagst "Forstwirtschaft/Jagd ist toll" sondern meine Idee war neutrales aber wissenschaftlich korrektes Wissen anzubieten, was du damit machst ist deine Entscheidung.

    Du unterstellst, dass mir das Wissen um mir eine Meinung zu bilden. Das ich nicht weiß, wie die Jagd abzusichern ist, wo und wie ich mir Informationen beschaffen über anstehende Jagden beschaffen kann und dass ich nicht in der Lage bin, Flatterbänder, Bekanntmachungen und Warnschilder zu erkennen. Allerdings ist mir die Theorie bestens bekannt. Hierzu brauch ich kein Forststudium sondern muss nur die einschlägigen Gesetze lesen. Deshalb habe ich noch einmal klargestellt:

    Ich spreche von meinen ganz persönlichen Erfahrungen mit den forstlichen Aktivitäten hier im Umkreis von vielleicht 15-20 Quadratkilometern. Deine kann ich nicht beurteilen. Ich nehme jedenfalls mit, dass die von dir beschriebenen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die gängige Praxis hier vor Ort nicht übereinstimmen.


    Ich bin vermutlich ein paar Jahre älter als du, aber noch nicht in so schlechter Verfassung, dass ich mein Umfeld nicht mehr richtig wahrnehmen kann. Mir ist bekannt, dass vorgeschrieben ist Jagdtermine bekanntzugeben, auf angrenzenden Straßen Warnschilder anzubringen und die Zufahrtswege zu Jagdgebieten durch Flatterbänder/Warnschilder abzusperren. Das alles gibt es hier gar nicht oder nur ausnahmsweise und dann völlig unzureichend. Alle, die wie ich regelmäßig in den Wald gehen, monieren das.

    Du hast wie folgt reagiert:

    Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Ich studiere jetzt Forst im 5ten Jahr (Master) und bin in der Praxis aktiv, es ist völlig logisch das ich "besser Bescheid" weis als du.

    Also wieder: Du studierst und alle, die nicht Forstwirtschaft studieren, können kein Gesetz lesen, haben keine Ahnung, wie man Flatterbänder erkennen und sonstige Informationen über Jagdereignisse erlangt.

    Letztlich relativierst du die Annahme, dass ich keine Warnschilder erkennen kann, unterstellst aber, dass ich nicht in der Lage bin, mir wichtige Informationen zu beschaffen und mahnst gleichzeitig einen respektvollen Ton an. Das ist seltsam.


    Wie respektvoll findest du es eigentlich, jemandem den du nicht kennst mehrfach zu unterstellen, dass seine Wahrnehmung falsch ist und dass er schon deshalb keine Ahnung haben kannst, weil er nicht Forstwissenschaft studiert hat?


    Im Gegensatz dazu ist es definitiv nicht respektlos, eine andere Meinung zu vertreten und Dinge infrage zu stellen.


    Nachdem ich das klargestellt habe noch eine inhaltliche Frage:



    Du schreibst in einem Post, dass Rückepferde bezüglich der Bodenverdichtung problematischer wären als technisches Gerät wie Rückeraupen. Da würde mich die Quelle sehr interessieren. Die Revierförster, die ich dazu befragt habe, haben mich ausgelacht. Über belastbare Informationen zu diesem Thema würde ich mich daher sehr freuen.

    Lieben Gruß


    Claudia


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  • Hallo Wutzi,


    die Geschichte mit der Bodenverdichtung und den Pferden dürfte einem Denkfehler gechuldet sein. Wenn man nämlich nur Physik 6. Klasse kennt (Druck = Kraft durch Fläche) und mit Kenntnis der Huffläche und Masse (Kraft = Masse * Gravitation) den Bodendruck abschätzt und mit dem einer Raupe vergleicht (abgeschätzt nach selbiger Formel). Nur ist es jetzt so, dass für die Bodenverdichtung, in sagen wir einer Tiefe von 1 Meter, dieser Bodendruck allein noch nicht ausreicht. Während das Pferd den Boden nur punktuell (nicht im mathematischen Sinne) belastet, bringt die Raupe die Last linear ein. Die Druckausbreitung des Bodendrucks erfolgt nun nicht in senkrechter Flächenprojektion, sondern mehr oder weniger allseitig - je nach Bodenkonsistenz und in 1 m Tiefe kommt davon nicht mehr viel an. Zudem erfolgt die Verdichtung nicht gleichmäßig und es bleiben auch in den oberen Schichten ungequetschte Bereiche, wo nicht aufgetreten wurde, wo also Bodenlebewesen der oberen Schichten gar nicht beeinträchtigt werden. Etwas anders sieht die Sache mit einer Raupe oder jedem anderen Fahrzeug aus, wo über eine ununterbrochene Linie Druck ausgeübt wird und dieser sich entlang der Fahrspur in die Tiefe auch in der Summe nicht so stark reduziert.


    Andernfalls müsste man ja argumentieren, dass dort wo frau mal mit Stöckelschuhen langgegangen ist (da ist der Bodendruck um ein Vielfaches höher als beim beschlagenen Pferd) gar nichts mehr wachsen kann :D

    Glücklicherweise führt der enorm hohe Bodendruck dazu, dass frau mit Stöckelschuhe im Wald einsinken würde und deswegen der Waldboden von diesem Schicksal verschont bleibt.


    Also nein, die Geschichte mit Pferden, die den Boden stärker verdichten als Raupen ist Humbug.


    LG, Bernd


  • Danke Bernd, so seh ich das auch. Aber ich hatte Joanas Ausführungen anders verstanden. Das mit den Stöckelschuhen muss ich unbedingt ausprobieren. ==Gnolm7

    Lieben Gruß


    Claudia


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  • Also nein, die Geschichte mit Pferden, die den Boden stärker verdichten als Raupen ist Humbug.

    Da muss ich jetzt doch mal einhaken. Wir reden hier nicht von 18-Tonnen Forwardern, sondern Joana sprach von Rückeraupen. Ich habe hier mal ein typisches Modell rausgesucht: https://www.reil-eichinger.de/…/details/kapsen-18rc.html


    Das Ding wiegt 1,100kg. Also etwa so viel wie ein VW Polo. Ein Kaltblüter wiegt zwischen 600 - 1300kg, sagen wir mal 1 Tonne. Wenn der Gaul gut gefrühstückt hat, wiegen sie also quasi dasselbe. Diese Tonne verteilt sich punktuell auf 4 Hufe, während sich bei der Rückeraupe 1,1 Tonnen auf zwei Gummiketten mit Metallstegen verteilt. Der Flächendruck bei der Raupe ist um Größenordnungen geringer. Wenn man ein-, zweimal über einen Waldweg fährt, wird die Rückeraupe sehr wahrscheinlich nur eine oberflächliche und kaum messbare Verdichtung erzeugen. Anders sieht es aus, wenn das Ding zwanzig, dreißig Mal über den selben Weg fährt. Die Verdichtung summiert sich auf und irgendwann ist das Pferd im Vorteil, weil es selten an die Gleiche Stelle tritt. Es kommt also immer drauf an.


    LG Suillus

  • Hallo Suillus,


    ja gut, wenn man ein Kleinstfahrzeug wie ein Quad, die gezeigte Raupe oder einen Kleintrecker (meiner wiegt auch bloß 1300 und passt gut durch den Wald) nutzt, braucht man aber gar keine Rückegasse - die kommen auch so durch den Wald. Die Frage steht dann ja, wer oder was hat die Bäume gefällt. Wenn man das manuell macht, kann man auch sehr gut pläntern und benötigt wiederum keine Rückegasse. Macht man es maschinell - die Dinger wiegen deutlich mehr - dann spielt das Rücken überhaupt keine Rolle mehr und kann bei der Abschätzung als Rundungsfehler angesehen werden.


    Will sagen, sobald man anfängt, von Rückegassen zu reden, impliziert man damit die Verwendung schwerer und breiter Holzerntetechnik.


    Wenn ich das aus Deinen Kommentaren richtig in Erinnerung habe, bist Du gelernter Physiker und Dir sollte dann schon klar sein, dass der Bodendruck in Tiefe 0 nicht 1:1 in die Tiefe 1 m übertragen wird, sondern dass dabei auch noch die Fläche, auf die dieser Druck eingebracht wird, zu berücksichtigen ist.



    LG, Bernd