Liebe Pilzfreunde.
Im folgenden möchte ich euch gern mitnehmen auf eine kleine Reise in die Welt der auf Dung wachsenden Pilze.
Habe ich in den letzten Jahren meist nur andere Beiträge kommentiert und bei Bestimmungsanfragen geholfen, so sollen einige mir zugeschickte Proben Anlass für einen eigenständigen und ausführlichen Beitrag sein.
Achtung: Textlastig und viele Bilder enthaltend!
Im Nordosten von Nordrhein-Westfalen, südöstlich von Bielefeld und nahe der Ortschaft Oerlinghausen befindet sich die eiszeitlich entstandene Wistinghauser Senne, die von bis zu 30 Meter mächtigen Sandschichten geprägt wird. Auf den nährstoffarmen Böden ist im Laufe der Jahrtausende eine artenreiche, lückig bewaldete Landschaft entstanden. Um die Flächen weiterhin offenzuhalten, werden diese seit einigen Jahren im Rahmen eines Naturschutzgroßprojektes ganzjährig mit Exmoor-Ponys und Schottischen Hochlandrindern beweidet.
Die Fotos der Tiere in der sennetypischen Landschaft stammen von Meike und Michael del Monaco, lieben pilzbegeisterten Freunden, die Anfang April einige Dungproben gesammelt und mir einen Teil davon zur Untersuchung zugeschickt haben. Es folgt eine Übersichtskarte des Gebietes. Darauf markiert sind die Orte, an denen die Proben entnommen wurden.
Ich habe davon einige Feuchtkammern angelegt und werde von dem, was sich da so nach und nach entwickelte z.T. ausführlich berichten, um auch den weniger mit der Materie vertrauten Pilzfreunden einen kleinen Einblick in diese Miniaturwelt zu geben. Gut als Feuchtkammern geeignet sind u.a. durchsichtige, verschließbare Plastikdosen. Die Dungproben werden auf Filterpapier oder etwas ähnlichem gegeben und sollten bei Zimmertemperatur leicht feucht gehalten werden (Sprühflasche!). Da manche der Coprophilen nur kurzzeitig fruktifizieren, ist eine regelmäßige Kontrolle unerlässlich.
Hier vier von insgesamt neun Feuchtkammern. Blick von außen
Und so sieht es im Inneren aus. Links Schottisch Highland, rechts Exmoor.
Die Proben waren größtenteils recht frisch und noch nicht bzw. kaum von Pilzen besiedelt, sodass die Sukzessionsfolge gut beobachtet werden konnte. Den Anfang machten typischerweise mit den Pillenwerfern (Pilobolus) Vertreter der Mucorales. Zu Hunderten überzogen sie das Substrat und ließen sich schließlich vier Species zuordnen. Die winzigen Jochpilze (Zygomyceten) gehören für mich zu den filigransten coprophilen Pilzen überhaupt und ihr Anblick begeistert mich jedes Mal wieder aufs Neue.
Pilobolus umbonatus und Pilobolus kleinii, unreif
Pilobolus kleinii, einer der häufigsten Pillenwerfer.
Pilobolus umbonatus, der bisher einzige bekannte Vertreter der Gattung mit „Zipfelmütze“.
Und hier noch ein Blumenstrauß von denen.
Pilobolusarten schießen bei Reife die winzigen schwarzen Sporenbehälter ab (Sporangien, ca. 0,2 bis 0,4 mm Durchmesser). Diese können über zwei Meter weit fliegen. Welch gigantische Leistung! Es kann passieren, dass man bei einer Kontrolle Unmengen unreifer Fruchtkörper (Sporangiophore) entdeckt, während sie nur Stunden später alle schwarzen "Pillen" abgeschossen haben, die dann meist am Deckel der Feuchtkammer-Box kleben..
Zum Abschluss Pilobolus kleinii und umbonatus mit ihren spezifischen Sporen zum Vergleich.
Etwa zur gleichen Zeit ließen sich die ersten winzigen Pezizales blicken. Recht zahlreich vertreten waren zwei Ascobolus-Arten. Mit Abstand am häufigsten konnte Ascobolus albidus beobachtet werden, der nahezu flächendeckend fruktifizierte. Die Apothecien sind jung nahezu weiß und verfärben sich bei Reife gelblich mit einem leicht violetten Ton.
Typisch für viele Arten der Gattung sind die bei Reife violetten, oft längsgerieften Sporen mit meist zahlreichen Querverbindungen.
Weniger häufig, dafür äußerst attraktiv präsentierte sich Ascobolus immersus. Die +/- kugeligen bis napfförmigen Fruchtkörper sind ca. 0,5 mm groß. Bei Reife durchbrechen die etwa eben so großen Schläuche die Oberfläche und schieben sich aus dem Apothecium heraus. Die auf den Bildern sichtbaren violetten Sporen sind ca. 50 bis 60 µm lang. Es gehört etwas Glück dazu, die Minipilze im optimalen Zustand abzulichten. Denn kaum sind die Sporen reif, öffnen sich die Schläuche an der Spitze und die Sporen werden freigesetzt. Übrig bleiben Fruchtkörper mit leeren Asci, die es kaum lohnt zu fotografieren.
Leerer Ascus mit geöffnetem Deckel (Operkulum) und freigesetzten, noch unreifen hyalinen Sporen.
Einer von zwei entdeckten Tintlingen war Parasola misera, den ich hier mit zwei noch unausgereiften Entwicklungsstadien vorstelle. Der linke Fruchtkörper ist ca. 5 mm groß!
Dank des glatten ziegelfarbenen Hutes scheint der winzige Pilz bereits makroskopisch bestimmbar zu sein. Doch leider ist das ein Trugschluss, wie ich kürzlich erfuhr, denn mit Parasola cuniculorum wurde 2014 ein äußerlich identischer Doppelgänger beschrieben, der sich nur durch seine konstant zweisporigen Basidien unterscheidet. Und wohl durch sein vorrangiges Wachstum auf Kaninchendung. Also auch hier ist zukünftig mikroskopieren Pflicht!
Weiter geht es mit einigen Vertretern der Sordariales. Von denen konnten leider nur drei der häufigsten Arten gefunden werden, die ich dennoch gern zeigen möchte.
Als erstes wäre da Schizothecium conicum, ein Pyrenomycet, der flächendeckend vorkommen sollte und sicher einer der häufigsten coprophilen Pilze Deutschlands ist. Charakteristisch für die Gattung sind Büschel von zusammenklebenden Haaren, sogenannte Squamufolien (Haarschuppen), die je nach Art +/- stark ausgeprägt sein können.
Mit reduzierten Squamufolien präsentiert sich Schizothecium vesticola, ein weiterer häufiger Gattungsvertreter. Die Perithecien sind im übrigen etwa 0,5 mm groß.
Die Sporen liegen bei dieser Art meist uniseriat in den Asci, was allerdings nicht immer der Fall ist.
Podospora decipiens, einen weiteren Vertreter der Sordariales, kann man ebenfalls an vielen Dungproben entdecken. Am häufigsten an Rinder- und Pferdedung, was durch diesen Nachweis zum wiederholten Mal bestätigt wird.
An der Basis des Perithecienhalses sitzen längliche, dunkelbraune Tuberkel, die P. decipiens zur Sektion Rhypophila verweisen, der in Europa noch die vielsporigen Arten P. myriaspora (64-sporig) und P. pleiospora (16 - 32-sporig) angehören.
Die Sporen zeichnen sich u.a. durch ein breites, mehrfach gefurchtes Apikalanhängsel aus.
Sie sind zudem zweizellig, bestehend aus einer dunklen Kopfzelle und einer hyalinen Basalzelle (= Pedicel).
Ebenfalls sehr häufig an Dung findet man Arten der Gattung Sporormiella. Die Fruchtkörper (Pseudothecien) sind in der Regel sehr klein und unscheinbar. Größen über 0,5 mm sind schon die Ausnahme. Die braunen Sporen sind meist dreifach, oft aber auch vielfach septiert.
Hier Sporormiella dubia, ein Klassiker an Pferdedung, in dem Fall an Exmoor-Pony. Makroskopisch auffällig sind die kugeligen Pseudothecien (um 0,3 mm) mit deutlich ausgeprägten Hälsen.
Die Sporen sind apikal zugespitzt, quer septiert und die Keimspalten +/- parallel angeordnet. Oft findet man im gleichen Fruchtkörper Asci mit verschiedengroßen Sporen. Bitte mal darauf achten, falls jemand diese Art findet. Die Fachliteratur schweigt bisher dazu.
Etwas größer und mehr tonnenförmig ist Sporormiella grandispora.
Die Sporen mit ebenfalls parallelen Keimspalten sind größer und die Septen der Mittelzellen unregelmäßig schräg angeordnet, wobei die Endzellen beidseitig zuspitzend sind.
Typische Spätentwickler an Dung sind Arten der Gattung Coniochaeta. In diesem Fall wurden erste Fruchtkörper von Coniochaeta vagans nach etwa drei Wochen in Feuchter Kammer entdeckt. Die Perithecien fallen makroskopisch durch eine feine „Behaarung“ auf. Dabei handelt es sich um schwärzliche, spitze und unseptierte Seten, die den Arten ein wehrhaftes Aussehen verleihen.
Die auf dem nächsten Foto riesig wirkenden Seten sind in diesem Fall maximal 50 µm, also 0,05 mm lang!
Die Sporen sind uniseriat im Ascus angeordnet, sie besitzen eine Keimspalte und sind bei dieser und vielen anderen Arten der Gattung einseitig abgeflacht. Deshalb wird die Sporengröße mit drei Werten angegeben. Hier betrug sie 12-14 x 9-10 x 5-7 µm.
Das beste kurz vor Schluss!
Sporormia fimetaria, dessen kugelige Fruchtkörper ich mit 150 bis 180 µm vermessen habe, fruktifizierte in größerer Anzahl am Dung vom Schottischen Hochlandrind. Die Art wurde bisher nur wenige Male in Deutschland nachgewiesen.
Im Gegensatz zu den unscheinbaren Fruchtkörpern sind die Sporen und die Asci einfach nur spektakulär! So erinnern die Asci mit ihren acht parallel gelagerten Sporen an kleine Maiskolben.
Und das allerbeste ganz zum Schluss!
Mit Pyxidiophora grovei konnte ein vermutlich für Deutschland neuer Pilz entdeckt werden.
Gefunden an Exmoor-Dung. Dieser äußerlich völlig unspektakuläre Pilz wirkt mit seinem ca. 150 µm langen Hals wie eine winzige zugespitzte Grasfaser, die aus dem Substrat ragt. Die Gattung gehört zu den Pyxidiophorales der Klasse Laboulbeniomyces. Alle Arten dieser Klasse parasitieren an Insekten, die Gattung Pyxidiophora wohl an Milben. Bei der Größe stoße ich fototechnisch leider an meine Grenzen. Hier dennoch ein paar Eindrücke.
Pyxidiophora grovei ist gegenüber den ähnlichen Arten P. arvernensis, P. petchii und P. microsporus u.a. abgegrenzt durch die Länge des Halses, die Größe der Hals- und Bauchzellen und die Größe der spindeligen Sporen. Diese sind bei Reife meist durch einen kleinen, schwärzlichen und +/- linsenförmigen Körper im oberen Bereich charakterisiert. Die genaue Anzahl der Sporen in den sehr früh vergänglichen Asci konnte nicht ermittelt werden, auch weil die Sporen oft in größeren Bündeln zusammenkleben. Letzteres ist rechts unten auf der Collage gut zu erkennen.
Aufgrund des bereits eingangs erwähnten recht frischen Zustandes eines Großteiles des Dunges war die Zucht coprophiler Pilze erschwert. So sorgten diverse Mücken- und Fliegenlarven sowie viele Fadenwürmer dafür, dass der Dung teilweise nach wenigen Tagen zersetzt wurde. Deshalb mussten einige Proben bereits nach kurzer Beobachtungszeit entsorgt werden. Dennoch konnten bisher insgesamt 27 Pilzarten nachgewiesen werden. Wenngleich viele davon zu den eher häufigen Dungbesiedlern zählen, ist das auf jedem Fall ein guter und gelungener Auftakt zur Erfassung der Dungpilze dieses Gebietes.
Ich bin überzeugt, dass bei zukünftigen Untersuchungen noch viele weitere Arten entdeckt werden können.
Dass das Gebiet Potential für besondere Pilze hat, haben die Funde von Sporormia fimetaria und Pyxidiophora grovei eindrucksvoll gezeigt.
Mein herzlicher Dank geht an dieser Stelle an Meike und Michael, die diese Bestandsaufnahme dank ihres Engagements erst ermöglicht haben!
LG, Nobi