Hallo Frank
Tomentella ,
die Untersuchung deines Belegs bestätigt meiner Meinung nach eindeutig deinen Verdacht mit Opegrapha vulgata (Schreibfehler: natürlich nicht "O.varia").

Bild U1 Borkensplitter mit Flechtenbeleg
Folgende Eigenschaften werden für das Erschlüsseln der Art festgestellt:
Die lirellenförmigen, unbereiften Apothecien sitzen auf einem dünnen, grau-grünlichen, bereichsweise bräunlichen, rissigen Thallus auf.
Es sind keine Sorale und kein schwarzer Prothallus sichtbar; der Thallusrand läuft weißlich-grau aus.
Die Apothecien der Probe haben eine typische Länge von geschätzt bis 500 µm, bei einer Breite um 150 µm.
Sie sind meist unverzweigt, stehen meist vereinzelt, bilden mehrfach sternförmige Gruppen.
Die Lirellen sind meist ritzenförmig schmal geöffnet und besitzen einen wulstig-erhabenen Rand.

Bild U2 Lirellenförmige Apothecien, teils verzweigt; häufig sich gewinkelt, Spitze an Spitze berührend.
Im Querschnitt zeigt sich ein kohlig schwarzes Gehäuse, das geschlossen (U-förmig) unter dem Hymenium durchreicht.
Dieses Excipulum ist um 40 µm breit und reagiert K-.
Das Hymenium ist etwa 50 µm dick und schwach gelblich gefärbt, und reagiert in Lugol J+ deutlich orange.
Die Asci sind keulig, die Paraphysioide sind verzweigt, teils netzig verbunden (nicht gezeigt).

Bild U3 Querschnitt durch Thallus, Fruchtkörper und Substrat (in Wasser)
Beim Algenpartner handelt es sich, wie erwartet, um Trentepohlia.
Die Alge ist an den karotinoid-haltigen Tröpfchen im Plasmaraum erkennbar.

Bild U4 Trentepohlia-Algenzellen mit gelb-orangen Tröpfchen (in Wasser)
Den Test auf Trentepohlia kann makroskopisch durch Anritzen des Thallus erfolgen, wodurch der Blick auf die gelblich orangen Algen frei wird:

Bild U5 Ritztest orange
Die reifen Sporen sind farblos, 6-zellig querseptiert, mit eckig wirkenden Sporenfächern (Zellen) und dünnen Septen.
Die Sporen haben Abmessungen von 20-36 x 3,5-4,0 µm².
Damit landen wir in der Gattung Opegrapha.

Bild U6 Reife, 6zellige, spindelförmige Spore mit eckigen Sporenfächern (in Wasser)
Das Hymenium reagiert mit Lugol eindeutig J+ orange:

Bild U7 Hymenium J+ orange
Die Pynknidien sind nicht, wie bei O. vermicellifera auffällig kugelig erhabene, stark weiß bereifte Gebilde.
Die Pyknidien finden sich nach kurzer Suche am Thallusrand in Form von eingesenkten, schwärzlichen Wärzchen.

Bild U8 Winzige, eingesenkte, punktförmige, schwärzliche Pyknidien am Thallusrand
Feucht sind die Pyknidien bräunlich und entleeren ihren Inhalt bei sanftem Druck durch eine kleine, polständige Öffnung.

Bild U9 Vergrößerte und angefeuchtete Pyknidien
Die gequetschten Pyknidien setzten große Mengen nadelförmiger, gekrümmter, einzelliger Pyknosporen frei.
Die bestimmungsrelevanten Abmessungen der Pyknosporen liegen bei 15-20 x 1 µm².

Bild U10 Gequetschte Pyknidie mit freigesetzten Sporen in Wasser

Bild U11 Nadelförmige, gekrümmte Pyknidien, Länge um 15-20 x 1 µm (Ölimmersion 1000x, in Wasser)
Damit sollte es sich um die Flechte Opegrapha vulgata, die Gewöhnliche Zeichenflechte, handeln.
Alle im Schlüssel erwähnten Eigenschaften, die zur Art führen, sind überprüft.
Sogar das Excipulum reagiert in KOH negativ (nicht rot oder grünlich), was den Befund stützt.
Die Flechtenart gilt als selten und kommt auf saurer bis subneutraler, glatter Rinde, meist von Laubbäumen und Tanne vor.
Sie hat es gerne luftfeucht, schattig, niederschlagsreich.
So "gewöhnlich" finde ich sie nicht, denn für gewöhnlich finde ich sie nicht.
Danke dir, dass ich eine neue Flechtenart kennenlernen durfte!
LG, Martin