Sporen und Pilzvermehrung

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  • Hallo Zusammen,


    ich habe zwei Fragen zur Fortpflanzung von Pilzen und hoffe auf freundliche und informative Antwort:


    1. Gibt es Untersuchungen, welche Strecken Pilzsporen nach ihrer Emission durch den Fruchtkörper zurücklegen können? Falls ja, was sind so ein paar Ergebnisse?


    2. Bei vielen Pilzen ist es erforderlich, dass sich nach Sporkeimung zwei Hyphen unterschiedlichen Geschlechts treffen müssen , um ein neues Myzel bilden zu können. Ist es dafür auch erforderlich, dass die beiden (!) Sporen von unterschiedlichen Individuen abstammen, oder können sie auch vom selben „Vater“ stammen, ohne dadurch Überlebensnachteile zu haben?


    Ich freue mich auf euer Wissen!

    Danke und viele Grüße

    stropharia

  • 1. Gibt es Untersuchungen, welche Strecken Pilzsporen nach ihrer Emission durch den Fruchtkörper zurücklegen können? Falls ja, was sind so ein paar Ergebnisse?

    Hallo stropharia,

    das wird nicht anders sein als bei Sand aus der Sahara, also tausende Kilometer. Über welche Zeit/Entfernung die Sporen keimfähig bleiben kann ich natürlich nicht sagen.

    LG Karl

  • Hallo,


    auf die Antwort der zweiten Frage bin Ich gespannt. Die erste teile ich mit Karl. Sporen sind extrem klein und leicht. Die können sicher (aber ich weiß es nicht) bei passenden Bedingungen um den ganzen Globus fliegen. Wie man das aber nun sicher bestimmen sollte, ist mir ein Rätsel.


    Gruß

    Stefan

  • Hallo King,


    das kommt auch auf die Verbreitungsmethode an. Trüffeln bspw. lassen sich ja fressen um dann durch die Ausscheidungen des Fressenden an einen anderen Ort zu gelangen. Da gibts eben verschiedene Modelle, die sicherlich verschiedene Wirksamkeit haben. Pilze, die ihre Sporen durch den Wind transportieren lassen, haben bestimmt einen größeren Verbreitungsradius. Das lässt sich vielleicht an invasiven Arten festmachen, die aus Südeuropa über die Alpen zu uns gekommen sind (z.B. Amanita caesarea, Amanita strobiliformis, Boletus aereus, etc.). Heimisch werden die in fremden Gefilden aber auch nur, wenn sie entsprechende Bedingungen vorfinden, wie Bodenbeschaffenheit, Klima, Mykorrhizapartner...

    Der bekannteste Fall, der auch den weitesten Weg hinter sich gebracht hat ist wohl der Tintenfischpilz, der von der anderen Seite des Planeten eingeschleppt wurde und sich seit ca. 1914 von den Vogesen aus über Europa verbreitet hat.

  • Hallo zusammen


    Zum Verbreitungsradius der Sporen eine Info, wenn auch nicht wissenschaftlich umfassend ergründet:

    In der Schweiz arbeiten wir im aktuellen Projekt der neuen Roten Liste neben der klassischen Kartierung auch mit Sporenfallen. Diese fangen über 10-20 Tage Pilzsporen an einem Standort auf, die dann sequenziert werden. Offenbar gibt es Sequenziergeräte, die mit dieser Menge verschiedener Sporen zurecht kommen. Wie das funktioniert weiss ich nicht.

    Aber zurück zum Thema: Während der Tests der Sporenfallen haben die Projektmitarbeiter untersucht, ob sie zu den gesammelten Sporen in der Nähe auch die passenden Fruchtkörper finden. Bzw. umgekehrt: Während die Sporenfalle dort stand, haben sie alle 1-2 Tage die nähere Umgebung nach Fruchtkörpern abgesucht, und dann am Ende die Sporen mit den Funden abgeglichen. Kern der Frage war, ob man mit der Sporenfalle mehrheitlich die Pilzarten des Habitats erfasst, oder ein unnützes buntes Sammelsurium der umliegenden Quadratkilometer.

    Natürlich fand die Sporenfalle jede Menge an Brand- und Rostpilzen, winzigen Ascomyzeten etc., die bei der Fruchtkörpersuche übersehen wurden.

    Aber die meisten grösseren Arten wurden in der näheren Umgebung als Fruchtkörper nachgewiesen. Auch Sporen von Arten, die nicht zum Habitat der Sporenfalle passten, waren nur in geringer Menge vorhanden.

    Das vorläufige Fazit hat uns alle überrascht: Auch wenn Pilzsporen mit dem Wind wohl sehr weit getragen werden können, ist das im Generellen eher die Ausnahme. Die meisten Sporen bleiben im Umkreis von 100-200 Metern liegen. Diese Tests fanden im Offenland statt. Im Wald dürfte die Distanz noch deutlich kleiner sein, weil es mehr Hindernisse in der Luft gibt wo die Sporen hängen bleiben können.


    Wenn jemand Interesse hat, kann ich nachfragen ob ich die Ergebnisse der Tests hier zeigen darf.


    Gruss Raphael

  • Der bekannteste Fall, der auch den weitesten Weg hinter sich gebracht hat ist wohl der Tintenfischpilz, der von der anderen Seite des Planeten eingeschleppt wurde und sich seit ca. 1914 von den Vogesen aus über Europa verbreitet hat.

    Der Tintenfischpilz ist zwar weit gereist - aber ich vermute eher nicht ohne menschliche Hilfe (sprich mit dem Flugzeug oder Schiff) denn die Sporen werden ja wie bei der Stink“Morchel“ über Fliegen/ Insekten und nicht über den Wind verbreitet. Ich denke der gehört zu Gruppe der Globalisierungsprofiteure.

    LG Ingo

  • Hallo Raphael,


    danke für die schöne, erklärende Darstellung der Ergebnisse!


    Ich stelle mit das so vor:

    Eine Spore, die in der näheren Umgebung landet und auskeimt, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, Bedingungen anzutreffen, die für die Elterngeneration geeignet waren/sind. Wird die Spore zu weit verfrachtet, schwinden die Chancen, in ein passendes Biotop zu gelangen.

    Eine Spore, die möglichst weit reisen soll, müsste zudem winzig sein, brächte nur sehr wenig Resourcen zum Auskeimen mit und könnte sich womöglich nicht gegen die größeren, Kurzreise-Sporen durchsetzen, die zudem schon früher da sind...


    Kurz und gut, es macht m.E. gar keinen Sinn, seine Nachkommen über den ganzen Planeten zu verteilen.


    Das macht (fast) nur der Mensch... ==Gnolm4


    Grübelnd, Martin

  • 'n Abend,


    zur zweiten Frage gibt es bisher noch keine Antworten,


    Zitat

    2. Bei vielen Pilzen ist es erforderlich, dass sich nach Sporkeimung zwei Hyphen unterschiedlichen Geschlechts treffen müssen , um ein neues Myzel bilden zu können. Ist es dafür auch erforderlich, dass die beiden (!) Sporen von unterschiedlichen Individuen abstammen, oder können sie auch vom selben „Vater“ stammen, ohne dadurch Überlebensnachteile zu haben?


    Gedankenspiel dazu,


    es wachsen zwei Hyphen unterschiedlichen Geschlechts aufeinander zu, bilden ein Myzel und entwickeln einige Fruchtkörper. Sind diese jetzt verwandt, weil sie aus dem selben Mycel stammen?

    Pilze vermehren sich viel häufiger asexuell, außerhalb des Sporangiums durch Umbildung von Hypen; oder entwickeln Konidiensporen.


    Zur zweiten Frage daher meine Meinung: plus + minus bildet bei günstigen Voraussetzungen ein Mycel, auch vom selben Fruchtkörper.

    Vater + Mutter spielt's bei Pilzen nicht, :gklimper:


    lgpeter

    "Die, die Kriege von oben führen sind feige Schreibtischtäter, die nicht wissen wie schrecklich Krieg ist".

    Quelle: "Masters Of War", Bob Dylan

  • Also zur Frage 2 :

    Kreuzungstyp – Wikipedia

    Man sollte es zweimal langsam lesen , dann kommen noch mehr Fragen auf.

    Es gibt eigentlich bei Pilzen keine Geschlechter , aber oft mehr als 4 verschiedene Faktoren bei den Sporen.

    Keine Ahnung , ob die von einem Fruchtkörper produziert werden können.

    Gruß

    Norbert

    ------------------------------------------------------
    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

    ------------------------------------------------------

  • Yepp,


    23.328 verschiedene Kreuzungstypen bildet der Gemeiner Spaltporling aus, https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeiner_Spaltbl%C3%A4ttling


    Was genau war hier die Frage, ==Gnolm10 ?


    lgpeter


    "Die, die Kriege von oben führen sind feige Schreibtischtäter, die nicht wissen wie schrecklich Krieg ist".

    Quelle: "Masters Of War", Bob Dylan

  • Zur zweiten Frage daher meine Meinung: plus + minus bildet bei günstigen Voraussetzungen ein Mycel, auch vom selben Fruchtkörper.

    Vater + Mutter spielt's bei Pilzen nicht

    So kann man es in der Tat vereinfacht sagen. Dazu habe ich gestern Abend mal Prof. Kost befragt, der das dann in etwas komplizierter aber prinzipiell so beschrieb.


    Grüße

    Harald

  • Hallo zusammen,


    noch eine kurze Anmerkung zu den Schweizer Beobachtungen, die Raphael erwähnt hat. Es wundert mich nicht unbedingt, daß man mit der Sporenfalle in erster Linie die Pilze nachweist, die dort in der Nähe fruktifizieren. Schließlich nimmt die Fläche, über die sich Sporen verteilen, quadratisch mit dem Radius um den Pilz zu (Ausbreitung in die dritte Dimension ist durch die Höhe der Atmosphäre dann ja stark begrenzt und spielt bei Abständen größer als 10 km sicher keine Rolle mehr). Entsprechend ist die Sporendichte um die Fruchtkörper herum natürlich deutlich höher als in großer Entfernung. Das heißt im Umkehrschluß aber natürlich nicht, daß einzelne Sporen nicht doch sehr weit kommen und dort dann ein neues Leben beginnen können.


    Björn

  • Hallo,


    mit dem Abstand wächst einerseits die Fläche, auf welcher sich die Sporen eines Pilzes bei isotroper, potentiell unendlich weiter Ausbreitung verdünnen, aber es wächst im gleichen Maß mit dem Radius die Anzahl der potentiell vorhandenen Pilze, die Sporen emittieren und im betrachteten Flächenelement deponieren.

    Der (einzige) Grund ist das also nicht.

    Erinnert ein wenig an das bekannte Paradoxon, warum es nachts dunkel ist bei beliebig vielen Sternen in beliebig großer Entfernung.


    Wenn die Dichte der Quellen (Pilze; Sterne) nicht konstant ist (z.B. Biotopvariation; leerer Raum), die Ausbreitung behindert wird (z.B. Vegetation; Dunkelwolken), durch Ausfall (Degradation, Fraß; Absorption) mit Zeit und Abstand abnimmt, und/oder in unserem Fall der Pilz es eben nicht nötig hat, oder es sogar nachteilig wäre, die Sporen so zu adaptieren, dass sie möglichst weit driften, reichern sich Fremdsporen nicht in höherer Konzentration an.


    Ich denke, es ist evolutionär einfach nicht vorteilhaft, den Aufwand zu betreiben, Sporen zu haben, die (sehr!) weit vom Pilz gelangen sollen/können.

    In der näheren Umgebung gibt es immer genug unbesiedelte Streu, frisches Totholz, mykorrhizafähige Wurzeln, was immer...


    Wozu in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah! :gidee:


    LG, Martin

  • Danke für die interessante Diskussion. Spannend auch, was man daraus schlussfolgern kann:

    1. Die höchste Wahrscheinlichkeit dafür, ein zweites Myzel einer gefunden Art zu finden (z.B. einer seltenen Art oder einer neu eingeschleppten Art), findet sich im unmittelbaren Radius eines Erstfundes


    2. Neu eingeschleppte oder seltene Arten verbreiten sich regional mit sehr niedriger Geschwindigkeit (geht man von einer maximalen Verbreitungsgeschwindigkeit von 200m/Radius p.a. aus und geht man vereinfacht davon aus, dass es 1 Jahr dauert, bis ein neues, fortpflanzungsfähiges Myzel entstanden ist, dann breitet sich eine Art "nur" im Umkreis von 20km innerhalb eines Jahrhunderts aus, vorausgesetzt, das Habitat endet nicht plötzlich. Haben also seltene/vom aussterben bedrohte Arten oder neu eingeschleppte Arten überhaupt reelle Chancen, sich über Habitatsgrenzen hinaus zu verbreiten?

  • Man könnte auch zu anderen Erkenntnissen kommen,


    Psilocybe serbica. var bohemica habe ich erstmals 2015 in der Laubstreu und auf kleinen morschen Holzstückchen auf einer Fläche von ca. 5 m² gefunden. Die Pilzchen zeigten sich bis jetzt jedes Jahr an dieser einen Stelle, pünktlich um den 15. November.

    Eine weitere Fundstelle konnte ich bis jetzt noch nicht ausmachen, dass spricht gegen 1, zumindest bei saprobiontischer Lebensweise.


    Zu 2.

    Bei der Verbreitung von Pilzsporen spielen auch andere Faktoren entscheidend mit, zB Symbiosen zwischen Pilz und Insekten, https://de.wikipedia.org/wiki/Braunfilziger_Schichtpilz, die gibt es tatsächlich, :gklimper:


    Wer mehrere Morchelplätze kennt wird sie in der Saison mehrmals aufsuchen, die Sporen haften an den Tscherfeln. Neue Stellen wollen erschlossen werden, also tragen wir die Sporen auch dorthin.

    In Kärnten haben wir Wölfe und Braunbären, die verbreiten Pilzsporen bei ihren Wanderungen über sehr weite Strecken, da reden wir von zig Kilometern pro Woche.

    Stinkmorcheln können nicht fliegen, deshalb locken sie fliegendes Personal an. Das fährt dann gerne mit, in Autos von arglosen Schwammerlklaubern, bis zur nächsten Ortschaft,


    lgpeter

    "Die, die Kriege von oben führen sind feige Schreibtischtäter, die nicht wissen wie schrecklich Krieg ist".

    Quelle: "Masters Of War", Bob Dylan

    3 Mal editiert, zuletzt von Habicht (†) ()

  • Hallo Peter,


    da hast du natürlich Recht.

    Es gibt durchaus noch andere Ausbreitungsweisen als mit dem Wind!

    Auch die Trüffel leben von tierischen Vermittlern...


    Und so manch Pilzsammler verwendet aus genau diesem Grund keine Körbe mit geschlossenem Boden, wenn er den Wald durchstreift.


    LG, Martin