Älteste deutsche Pilzliteratur

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  • Hallo, liebe Pilzfreundinnen und Pilzfreunde,


    aus kulturhistorischem Interesse würde mich interessieren, welche ältere Literatur es zum Thema gibt?


    Z.B.: Was ist das älteste deutschsprachige Pilzbuch? Welche Pilzbücher aus den vergangenen Jahrhunderten gibt es, z.B. (frühes) 20. Jhdt., 19. Jhdt., 18. etc.


    Kennt sich jemand damit ein bisschen aus?


    Liebe Grüße

    Paula

  • Hallo Paula,


    hier kannst Du online schon viele Beispiele und Hinweise finden.


    Bibliothek Christian Volbracht - Antiquariat MykoLibri


    Die gedruckte Bibliographie ist natürlich das Standardwerk schlechthin. Vielleicht findest Du in deiner Nähe eine geeignete Bibliothek.


    Beste Grüße

    Stefan F.

  • Hallo Josef,


    dort gibt es nicht nur einige Pilzbücher, sondern eine riesige Anzahl, darunter fast alle wichtigen älteren Werke. Weiteres bieten die digitalen Sammlungen der Bibliotheken, Museen und zentralen Portale. Ein gutes Übersichtsportal ist


    Willkommen - Virtuelle Fachbibliothek Biologie (vifabio)


    Beste Grüße

    Stefan F.

  • Hallo Paula,


    sehr interessant und empfehlenswert zum Thema finde ich die beiden folgenden Bücher:


    - Lütjeharms (1936): Zur Geschichte der Mykologie: Das XVIII. Jahrhundert

    - Dörfelt/Heklau (1998): Die Geschichte der Mykologie: Eine Übersicht von den Anfängen bis zur Gegenwart


    Beide Bücher sind nur antiquarisch zu erhalten. Doch eine Ausleihe bei der Bibliothek lohnt sich wirklich.


    Das wahrscheinlich älteste deutschsprachige Pilzbuch dürfte das prachtvolle Werk von Schaeffer sein:

    Schaeffer, Jacob Christian (1762-74): Natürlich ausgemahlte Abbildungen Bayrischer und Pfälzischer Schwämme, welche um Regensburg wachsen. Band 1 -4. Regensburg. Es enthält 330 handkolorierte Kupfertafeln.

    Freundliche Grüße

    Peter

  • Hallo Josef,


    ja, das Buch enthält deutsch/lateinischen Paralleltext.

    Viele der "Schaefferschen Arten" haben übrigens heute noch Gültigkeit. Z. B. Boletus reticulatus Sommersteinpilz.


    Gruß

    Peter

  • Hallo Paula,


    nachdem ich ebenfalls sehr viel in alten Schriften forsche, der Pflanzen wegen, antworte ich auch. Es lohnt sich sehr sich die alten, also die wirklich ur-ur-ur-alten, Schriften anzusehen und zu lesen. Und das Schöne ist, dass diese mittlerweile fast alle komplett eingescannt sind und, sofern sinnvoll, auch noch zusätzlich übersetzt sind.


    Unter anderem der Hieronymus Bock hat ja auch über Pilze geschrieben. Leider weiß ich nicht mehr in welchen seiner Werke aber ich vermute in seinem Kreüterbuch. Und so sind wie schon gesagt beinahe alle alten Bücher eingescannt - man muss sie nur finden.

    Sehr interessant fand ich auch diesen Artikel hier: Historischer Rückblick im Jahr 2004: Hieronymus Bock (1498-1554) und Paolo Boccone (1633-1704)

    Und dann besitze ich selbst ein paar sehr interessante Bücher. So zum Beispiel eines von 1791 mit dem Titel: "Handbuch für Frauenzimmer - Erster Band welcher das Kochbuch enthält." Hier gibt es einige interessante Rezepte mit Pilzen aber auch die Anweisung wie man die guten von den schlechten unterscheiden kann. Bei Interesse kann ich gerne ein Foto machen. Bei meinen anderen alten Bücher müsste ich erst nachsehen ob da Pilze enthalten sind.


    Sehr interessant sind auch die "Hefte" aus der NS-Zeit. Keine Ahnung ob man an die noch ran kommt oder ob die eingescannt sind. Ich habe Mal eines auf einem Flohmarkt erworben. Dies ist von 1939 und hat den Titel "Billige und gesunde Nahrungsmittel aus dem Wald".


    Vielleicht magst Du uns etwas genauer mitteilen was genau Du suchst, denn in meiner umfangreichen Bibliothek habe ich, was kulturhistorisches angeht, jede Menge Literatur in der es eben auch um Pilze geht. Und vielleicht kann ich Dir den einen oder anderen Tipp geben.


    Liebe Grüße


    Maria

  • Hallo Maria,


    im Kräuterbuch von Hieronymos Bock aus dem Jahre 1546 ist tatsächlich ein kleiner Abschnitt zu den Pilzen. Es wäre somit das älteste deutschsprachige "Pilzbuch". Aber, wie Peter schrieb sind es die 4 Bände von Schaeffer, in denen es ausschließlich um Pilze geht. Mein Weg ist bei der Suche nach älterer Literatur: Werk aus der Datenbank oder dem Buch von MykoLibri ermitteln und dann in Google suchen "Autor Titel PDF". Suche nicht zu früh aufgeben.


    Ja, die NS-Organisation "Reichsarbeitsgemeinschaft Ernährung aus dem Wald" (RAW) hat einige solcher Heft herausgegeben. Sie dienten aber der Unterstützung der Mangelwirtschaft durch den Kriegsausbruch. Berüchtigt die Schrift "Die Pilzverwertung und ihre Zukunftsaufgaben" von Bötticher aus dem Jahre 1944. Zitat: "Wehrmacht und Rüstungsindustrie wollen Pilze haben! Helft mit, damit diesem Begehren weitgehend entsprochen werden kann.". Alle Pilze eines Waldstückes sollten als Eiweißquelle gesammelt werden. Es gab schlimme Versuche an Schweinen mit Giftpilzen. Zum Glück für die Schweine war gerade der Grüne Knollenblätterpilz im Jahr der Experimente rar.


    DGfP (1941) - Die Verwertbarkeit der in deutschen Wäldern wachsenden Pilze, ZfP, N.F. 20, Heft 1-2, 4-7.pdf

    DGfP (1941) - Die Verwertbarkeit der in deutschen Wäldern wachsenden Pilze II, ZfP, N.F. 20, Heft 3-4, 66-72.pdf


    Die führenden Kräfte der RAW haben nach dem Krieg in Ost- und Westdeutschland aktiv die Pilzberatung mit aufgebaut.


    Beste Grüße

    Stefan F.

  • Hallo Stefan,


    erst einmal vielen Dank für die zwei Links und auch für die Infos. Es ist mir schon klar worum es in diesen Heften eigentlich ging, aber im kultur-historischen Zusammenhang ist dies für mich sehr interessant. Vor allem, da ich auch Drucksachen um einige Zeit vor Ausbruch des Krieges habe - da wurde die Bevölkerung schon einmal Schritt für Schritt vorbereitet. Interessant war dann für mich auch Pilzbücher aus der Nachkriegszeit aus der ehemaligen DDR zu sichten. Und da könnte es durchaus passen, dass deren Autoren eben vorher bei der RAW waren.


    In diesem Zusammenhang sind für mich aber auch die Schilderungen meiner Mutter sehr interessant - wenn man (im Krieg oder in der Nachkriegszeit) nichts zu essen hatte, oder wenn man nicht wusste was man kochen sollte, dann ist man mal schnell um die Ecke in den Wald gegangen und hat Steinpilze oder Pfefferlinge geholt - damals, zumindest dort wo meine Mutter aufwuchs (Mühlstetten in Mittelfranken), wohl Massenware die nicht wenige auf dem Markt in Nürnberg verkaufte. Und anscheinend war dies nicht nur dort so. Auch aus der Baiersdorfer Gegend (zwischen Erlangen und Forchheim in Mittelfranken und rund 120 Kilometer von Mühlstetten entfernt) ist mir dies bekannt, dass von dort nicht wenige ihre Steinpilze, Pfifferlinge und Co. am Markt in Nürnberg verkauften. Ich denke, zum Verständnis sind auch noch weitere Faktoren, also nicht nur die politischen, nötig. Wenn ich nach den Schilderungen meiner Großeltern und meiner Mutter gehe gab es damals entschieden mehr Pilze als heute in genau den gleichen Gegenden. Und das für mich Spannende ist nun all diese Faktoren zusammenzufügen - bei vielen der Wildpflanzen (ist ja im NS-Regime auch ein wichtiger kriegsbedingter Ernährungs-Faktor gewesen) habe ich dies getan, mit den Folgen für die Generation meiner Mutter und evtl. darüber hinaus. Echt spannend und aufschlussreich! Und vielleicht könnte man einmal analysieren welche Pilze damals eigentlich als Nahrungsmittel angepriesen wurden, wie diese dann in der Mangelwirtschaft zubereitet werden mussten (Butter, Sahne??? - ein anscheinend enorm wichtiger Faktor der sich bis heute durchzieht!) und diese dann in den Kontext zu stellen zu den Pilzen die die absolute Mehrheit heute kennt und ausschließlich sammelt. Das fände ich echt einmal, unter Bezugnahme auf die Historie, so richtig interessant!
      
    Mit den richtig alten (Kräuter-)Büchern mache ich es übrigens genau so. Erst recherchieren welches Buch evtl. interessant wäre und dann nach einer online-Version dieses Buches suchen. Meistens wird man fündig, manchmal über Umwege im Ausland.

    Liebe Grüße


    Maria

  • Hallo Funginator,

    mein Wissensstand ist auch, dass zumindest Wildschweine problemlos Knollenblätterpilze fressen können und dies auch tun.

    Mal schauen was da noch an Informationen kommt.

    Viele Grüße

    Thomas

    AUCH VON MIR KEINE ESSENSFREIGABE. EINE BESTIMMUNG IST OHNE JEDE GARANTIE.

  • Das wahrscheinlich älteste deutschsprachige Pilzbuch dürfte das prachtvolle Werk von Schaeffer sein:

    Schaeffer, Jacob Christian (1762-74): Natürlich ausgemahlte Abbildungen Bayrischer und Pfälzischer Schwämme, welche um Regensburg wachsen. Band 1 -4. Regensburg. Es enthält 330 handkolorierte Kupfertafeln.

    Freundliche Grüße

    Peter

    Lieber Peter, es geht sogar noch älter. ;)


    1759, also drei Jahre vor seinem Hauptwerk, erschien Schäffers Buch:

    "Vorläufige Beobachtungen der Schwämme um Regensburg, angestellet und mit vier Kupfertafeln ausgemahlter Abbildungen erläutert".


    Laut Volbracht ist dies das älteste deutschsprachige Pilzbuch und gleichzeitig das erste Pilzbuch, dessen Illustrationen von einer Frau (Susanna Sophia Betzin) gezeichnet wurden. (VOLBRACHT, MykoLibri, Seite 404).


    LG

    Stefan

  • War das nicht so, dass die Gifte für Schweine ebenso toxisch wären wie für andere Säugetiere, nur deren Magensäure so stark konzentriert ist, dass die Toxine bei oraler Aufnahme nicht resorbiert werden? (Quelle müsste ich allerdings jetzt lange suchen.)

    Hi Craterelle,

    ja, so habe ich das auch im Gedächtnis, wobei die Toxine natürlich nicht im Darm "nicht resorbiert", sondern vorher im Magen schon zersetzt werden. Aber ich bin nicht sicher, ob das nur für Wildschweine oder auch für Hausschweine gilt. Die Originalliteratur hab' ich auf die Schnelle auch nicht parat.


    Gruß,


    Wolfgang

  • Viele der "Schaefferschen Arten" haben übrigens heute noch Gültigkeit. Z. B. Boletus reticulatus Sommersteinpilz.

    Hallo Peter,

    wenn ich mich recht erinnere hat der Christoph Hahn mal erzählt das die Abbildung bei Schaeffer blauendes Fleisch zeigt und Boletus reticulatus durch Sanktionierung auf einen Porling festgelegt ist. Daher ist Boletus aestivalis obwohl der jüngere Name die bessere Wahl,

    viele Grüsse

    Matthias

  • Hallo Matthias,


    welcher Name wohl der "richtige" für den Sommersteinpilz sein wird, vermag ich nicht zu entscheiden. Das Namenskarussell dreht sich schneller, als ich dem folgen kann. Und die Begründungen sind nicht immer leicht nachvollziehbar.

    Bevor ich etwas glaube, versuche ich immer mir selbst ein Bild davon zu machen.



    Die Abbildungen bei Schaeffer (hier die Originaltafel), die ich kenne, zeigen keinerlei Blautöne.

    Es würde mir schwerfallen, hier etwas anderes als den Sommersteinpilz zu erkennen.


    Gruß

    Peter

  • Hallo zusammen,


    ganz herzlichen Dank noch mal für die vielen tollen Anregungen und Ideen.


    Mich interessiert das Thema in seiner ganzen Breite - kulturgeschichtlich, naturkundlich, ...


    Aktuell stöbere ich schon in dem ein oder anderen älteren Buch... merkwürdig im wahrsten Sinne des Wortes, wie unterschiedlich die Pilze hinsichtlich ihres Speisewerts eingeschätzt werden.


    Seltsam auch, wie sie bezeichnet werden z.T. - mir scheint, es ist viel häufiger die Rede vom Schwamm, weniger vom Pilz. Schwammerl kenne ich natürlich auch.


    Seit wann heißt der Steinpilz eigentlich Steinpilz? ;) Oder der Pfifferling Pfifferling? Oder der Brätling Brätling? Kann man das etymologisch rekonstruieren?


    LG

    Paula

  • Seit wann heißt der Steinpilz eigentlich Steinpilz? ;) Oder der Pfifferling Pfifferling? Oder der Brätling Brätling? Kann man das etymologisch rekonstruieren?


    LG

    Paula

    Hallo Paula,


    der Steinpilz heißt seit Anfang des 18. Jahrhunderts so.

    Der Pfifferling seit dem 11. Jahrhundert. Damals phiferia, dann phefferlinc bzw. phifferlinc.

    Beim Brätling weiß ich jetzt nicht genau was du meinst.


    Pilze werden nachgewiesen seit dem 8. Jahrhundert in so gut wie allen nördlichen europäischen Ländern (auch) als "Schwamm" bezeichnet. Das Wort Pilz wurde anscheinend erst ab dem 10. Jahrhundert (Bölz, Bülz, Pültz, ...) benutzt.


    Maria


    P.S.: Dies kann man natürlich etymologisch rekonstruieren.