Hallo Joana,
für meinen Teil abschließend, weil wir wohl nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen:
Ich spreche von meinen ganz persönlichen Erfahrungen mit den forstlichen Aktivitäten hier im Umkreis von vielleicht 15-20 Quadratkilometern. Deine kann ich nicht beurteilen. Ich nehme jedenfalls mit, dass die von dir beschriebenen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die gängige Praxis hier vor Ort nicht übereinstimmen.
Ich bin vermutlich ein paar Jahre älter als du, aber noch nicht in so schlechter Verfassung, dass ich mein Umfeld nicht mehr richtig wahrnehmen kann. Mir ist bekannt, dass vorgeschrieben ist Jagdtermine bekanntzugeben, auf angrenzenden Straßen Warnschilder anzubringen und die Zufahrtswege zu Jagdgebieten durch Flatterbänder/Warnschilder abzusperren. Das alles gibt es hier gar nicht oder nur ausnahmsweise und dann völlig unzureichend. Alle, die wie ich regelmäßig in den Wald gehen, monieren das.
Deinen Ausführungen entnehme ich, dass die Erkenntnisse des Instituts für Zoo- und Wildtierforschung keinen Eingang in die forstwissenschaftliche Lehre bzw. Praxis gefunden haben. Das ist bedauerlich, für alle Betroffenen.
Jäger und Forstleute beklagen den Wildverbiss, zu hohe Wildbestände, betreiben aber gleichzeitig Winterfütterung und betrachten den Wolf als ihren Erzfeind. Du stimmst mir sicher zu, das das nicht schlüssig ist.
Für mich wäre ein Wildtiermonitoring mit gezielten Abschüssen durch autorisierte Personen eine gute Alternative zu dem Chaos, das fremde Jäger aus der ganzen Republik hier bei ihren zahlreichen Hetzjagden regelmäßig verursachen.
Der zentrale Unterschied zwischen der Jagdausübung in Deutschland und der Wildtierkontrolle im Kanton Genf ist doch, dass dort die Wildtiere emphatisch und mit Respekt behandelt werden. Hier wird auf Wildschweine ganzjährig geschossen, das Rotwild hat nur kurze Schonzeit, wobei natürlich alle Tierarten durch ganzjähriges Schießen im Wald beunruhigt werden, denn sie wissen ja nicht, dass sie nicht gemeint sind.
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Im Kanton Genf darf das Wild nur in einem Zeitraum von 4 Wochen geschossen werden und zwar niemals bei "Drück"- oder "Treib"-jagden, wo die Tiere gehetzt werden (Das Wild wird damit vermeidbaren Leiden und Ängsten ausgesetzt, was hierzulande gemäß Tierschutzrecht gtundsätzlich verboten ist). In Genf werden ausgewählte Tiere durch gezielte Abschüsse, ggf. auch mit Nachtsichtgeräten erlegt. Die anderen 11 Monate im Jahr darf das Wild in Ruhe leben, es ist weniger scheu, tagaktiv und lässt sich tagsüber beobachten. Es flieht auch nicht in der Dämmerung in Panik über Straßen, sodass Wildunfälle zum absoluten Ausnahmefall wurden.
Das Bundesjagdgesetz stammt aus der Bismarck-Zeit, als die Jagd der gehobenen Gesellschaft vorbehalten war, die sich einer abgehobenen Sprache bedient hat. Gleiches gilt für die Landesregelungen. Aus meiner Sicht enthält das Jagdrecht viele unsinnige Vorschriften und beschönigende Begrifflichkeiten, die der historischen Mottenkiste entspringen und dem Tierschutzgesetz widersprechen. Eine Novellierung des Jagdgesetzes in Wort und Inhalt ist überfällig, scheitert aber an Lobbyinteressen..
Ich erkläre das einmal. In meiner Sprache bedeutet ein Tier zu hetzen, hetzen.
Das Jägersprech macht drücken daraus. Das bedeutet in meiner Sprache etwas völlig anderes.
Warum denkst du, dass Jäger eine Sprache sprechen, die dem durchschnittlichen Menschen fremd ist? So heißt es im Jägerdeutsch:
Das Tier tut sich nieder- statt das Tier stirbt. Es schweißt - statt es blutet und: drücken - statt hetzen. Ist die Wortwahl so, damit Nichtjäger nicht verstehen, was gemeint ist? Wenn ja, warum? Wenn das nicht die Absicht ist, warum wird die Sprache nicht reformiert?
Ich musste erleben, dass ein Jäger ein waidwundes Schmaltier ( Jägersprache übersetzt für Nichtjäger und *innen: einen angeschossenen, schwer verletzten Junghirsch) nicht von seinen Qualen erlöst hat, weil sich das Tier an der falschen Stelle quälte. Im falschen Jagdrevier nämlich, 10 Meter neben der Reviergrenze. Da darf der Jäger das Tier nicht erlösen, weil Eigentumsrechte Jagdrevierinhabers nebenan verletzt würden. In Diskussionen versuchen Jäger diese besondere Form von Tierquälerei durch Unterlassen zu rechtfertigen. Es tut mir leid, mir erschließen sich rechtfertigende Gründe nicht.
Völlig unverantwortlich finde ich auch, dass niemand überprüft ob ein Mensch im hohen Alter noch in der Lage ist, die Jagd sicher auszuüben. Du kannst halb blind sein und dich geistig nicht mehr auf der Höhe befinden, einmal Jagdschein immer Jäger, der schießen darf, so lange er das Gewehr halten kann. Interessant ist auch ein Blick auf die Jagdunfälle. Der Spaziergang am Maisfeld ist nicht ganz ungefährlich.
Die Aufzählung könnte ich noch eine Weile fortführen, schließe das aber jetzt ab, weil ich meine Aufmerksamkeit nun wieder den Pilzen zuwenden will.
Eine Freundin hat ihren Job bei den Landesforsten übrigens an den Nagel gehängt, eine Bekannte wurde als Revierleiterin weg gemobbt. Die Arbeitsauffassung der beiden war mit der Realität nicht kompatibel.
In der Forstwirtschaft gibt es also tatsächlich Einzelne, die einen höheren Anspruch haben, als Holz zu verkaufen und die einen guten Job machen wollen. So viel gebe ich gern zu.