Kaffeebrauner Gabeltrichter mit Anastomosen?

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 3.484 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tricholomopsis.

  • Hallo zusammen,


    Pilzfotos sichten und bestimmen in Zeiten der Dürre ist meine Methode Entzugserscheinungen zu minimieren. Dabei ist mir dieses Foto aufgefallen. Ich hatte den Pilz als Kaffeebraunen Gabeltrichterling - Pseudoclitocybe cyathiformis abgespeichert, bin aber ein wenig unsicher, weil deutlich die Ansätze von Anastomosen zu erkennen sind, über die ich nirgends etwas lesen konnte. Kann der das, oder ist das eine ganz andere Art? Wie ist Eure Einschätzung zu dem Pilz?

    Durch Anklicken lässt sich das Foto vergrößern, dann ist es besser zu sehen.


    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


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  • GriasDi Wutzi,

    schaut aus der Ferne jedenfalls typisch für den Kaffeebraunen aus. Auf Anastomosen hab ich da ehrlich gesagt noch nicht besonders geachtet. Ich glaub ned, dass ein Anastomosenansatz da bestimmungsrelevant is.

    An liabn Gruaß,

    Werner

  • Hallo Claudia,


    theoretisch ist auch denkbar, dass die von dir konsultierte Literatur nicht präzise genug beschreibt bzw. der Autor nicht präzise genug beobachtet. Bei den gängigen Pilz-Kompilationswerken ("Pilzbilderbücher") ist es meistens so, dass der Autor gar nicht selber zur Erforschung ins Feld geht, sondern aus der zur Verfügung stehenden Primärliteratur heraus kompiliert. Böse gesagt: abschreibt. Steht in der Primärliteratur nichts über anastomosierende Lamellen, kann dieses Merkmal dann auch nicht in der Kompilation vorkommen. Warum das mit den Anastomosen nicht in der Primärliteratur steht, hat der Werner schon erklärt: vermutlich hält der Primärbeschreiber dieses Merkmal für bestimmungsirrelevant, vielleicht ist es auch nicht so konstant ausgeprägt, dass man es in der Beschreibung erwähnen müsste.


    Auf jeden Fall darf man nicht aus dem Fehlen eines Merkmals in einer Beschreibung schlussfolgern, dass der Bestimmling die vermutete Art nicht sein kann, da das Merkmal bei ihm doch vorhanden sei. Wir haben mal bei einer Vereinsexkursion einen Grauen Wulstling mit kurzgerippt-gerieftem Hutrand gefunden, was in der einschlägigen Literatur auch nicht erwähnt ist. Dennoch war es ein Grauer Wulstling.


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Ich glaub ned, dass ein Anastomosenansatz da bestimmungsrelevant is.


    Auf jeden Fall darf man nicht aus dem Fehlen eines Merkmals in einer Beschreibung schlussfolgern, dass der Bestimmling die vermutete Art nicht sein kann, da das Merkmal bei ihm doch vorhanden sei. Wir haben mal bei einer Vereinsexkursion einen Grauen Wulstling mit kurzgerippt-gerieftem Hutrand gefunden, was in der einschlägigen Literatur auch nicht erwähnt ist. Dennoch war es ein Grauer Wulstling.

    Hallo Jungs, vielen Dank für Eure Einschätzung. Wenn ich Euch richtig verstehe, kommen Anastomosen hin und wieder auch bei Arten vor, die dieses Merkmal üblicherweise nicht zeigen. (Ich hatte das bei anderen Kaffeebraunen noch nie beobachtet) Wenn es kein übliches - also bestimmungsrelevantes - Merkmal ist, steht es auch nicht in der Literatur, zumal da oft einer vom anderen abschreibt. Mir ist das mit den Anastomosen auch schon bei anderen Pilzarten aufgefallen. Das kann ich jetzt einordnen. Wenn ein in der Literatur nicht erwähntes Merkmal vorhanden ist und alles Andere stimmt, kann es dennoch die vermutete Art sein. Vermutlich gibt das Mikroskop dann die letzte Sicherheit.


    Beim Kaffeebraunen Gabeltrichterling und offenbar auch beim Grauen Wulstling ist das Auftreten solcher nur gelegentlich auftretenden Merkmale nicht bedeutsam. Aber trifft das beispielsweise auch bei der Gattung Amanita zu? Wenn ein Pantherpilz oder ein Königsfliegenpilz mit deutlich geriefter Manschette auftreten würde, wäre das heikel. Habt Ihr solche abweichenden Merkmale, die zu folgenschweren Verwechslungen führen können, schon beobachtet, oder sind Euch entsprechende Beobachtungen bekannt?

    Lieben Gruß


    Claudia


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  • GriasDi Wutzi,

    klar kann ein Panterpilz mal einen gerieften Ring haben. Die Riefung resultiert ja davon, dass das Teilvelum, das ja die Lamellen schützen soll, jung an den Lamellen abgedrückt ist. Beim Panterpilz ist der Velumansatz am Stiel, im Gegensatz zu Perlpilz oder Grauen Wulstling, normalerweise so tief, dass sich die Lamellen und das Teilvelum nicht berühren. Dass das natürlich nicht immer so ist, liegt auf der Hand, wenn man sieht welche Wuchsanomalien bei Pilzfruchtkörpern so vorkommen. Den Panterpilz z.B. vom Grauen Wulstling nur an dem einen Merkmal trennen so wollen, wär natürlich falsch und fatal.

    An liabn Gruaß,

    Werner

  • Hallo Claudia,

    bei Panterpilzen ist vor allem zu beachten, dass da die Manschette auch mal verloren gehen kann.

    Neben meinem damaligen Arbeitsplatz konnte ich einmal eine größere Kollektion beobachten.

    Die wuchsen auf der Wiese neben niedrigen Eichen. Bei einigen Exemplaren war die Manschette verloren gegangen.

    Auch das gern benannte geruchliche Unterscheidungsmerkmal zum ganzgrauen Wulstling - jener riecht stark nach Rettich der Panter nicht - kann ich nicht bestätigen.

    Die Exemplare damals rochen deutlich nach Rettich, aber im Gegensatz zum scharfen Rettichgeruch der ganzgrauen eher angenehm.

    Wenn man beides schon mal gerochen hat, kann man die am Geruch unterscheiden, ansonsten müsste man die Riechwahrnehmung des Autors nachvollziehen und das kann man nicht.

    Ich esse zum Beispiel nicht gerne Rettich, darum fällt mir der Geruch auch in geringen Dosen sofort auf.

    Heutzutage beschränken sich die Buchautoren auf die Benennung von irgendwelchen Schlüssel- oder Dietrichmerkmalen.

    Früher beschrieb man die Pilze komplett in allen erfassbaren Merkmalen. Wenn ein Merkmal bei einer Art nicht konstant war, beschrieb man die Variationsbreite.

    Man wies damals auch immer darauf hin, dass ein Pilz erst dann sicher bestimmt ist, wenn alle Merkmale geprüft sind und den Vorgaben entsprechen.

    Gruß,

    Marcel

  • Danke Euch beiden für Eure Einschätzungen. Fehlende Manschetten gibt es öfter, entweder weil sie vergänglich oder abgebrochen sind. Auf Gerüche würde ich mich sowieso nicht zwingend verlassen, außer bei wirklich sehr intensiven Gerüchen - Nitrathelmling, Stinkmorchel==Gnolm13, etc.. Aber oft werden Gerüche beschrieben, die ich ganz schlecht nachvollziehen kann. Mir geht es tatsächlich um die Beschaffenheit bestimmter Pilzbestandteile und deren Bedeutung für eine korrekte Bestimmung. Das Beispiel der in der Literatur nicht erwähnten Anastomosen bestätigt m.E. genau den von Werner angesprochenen Punkt: Eine vernünftige Beurteilung braucht die Berücksichtigung aller Merkmale und falls einmal ein nirgends beschriebenes Merkmal auftaucht, ist das kein Ausschlusskriterium. Außerdem: korrekte Pilzbestimmung braucht gerade bei untypischen Merkmalen eine Menge Erfahrung.

    Lieben Gruß


    Claudia


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  • Hallo,


    hier noch ein Bild vom Ausblassenden Gabeltrichterling Pseudoclitocybe expallens, den wir auf einer diesjährigen Pilzexkursion im März fanden, zuerst dachte ich bei dem Fund auch an einen Gabeltrichterling, als ich jedoch die Ansatomosen und die fleischigen schon fast an Leisten erinnernden Lamellen sah, glaubte ich nicht mehr daran, dann jedoch wurde ich wieder von meinen zwei Pilzlehrern überzeugt, dass es sich doch nur um einen Gabeltrichterling handelt. Ging mir also wie dir Claudia!



    LG, Chris

    ...........................:snail:

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  • Danke Chris, das baut mich auf:gfreuen:

    Lieben Gruß


    Claudia


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  • Früher beschrieb man die Pilze komplett in allen erfassbaren Merkmalen. Wenn ein Merkmal bei einer Art nicht konstant war, beschrieb man die Variationsbreite.

    Man wies damals auch immer darauf hin, dass ein Pilz erst dann sicher bestimmt ist, wenn alle Merkmale geprüft sind und den Vorgaben entsprechen.

    Hallo Marcel,


    danke für die erklärenden Hinweise. Das hat man damals wahrscheinlich deswegen so gemacht, weil man die tatsächlichen Trennmerkmale der Arten bzw. die harten Bestimmungsmerkmale noch nicht wirklich kannte. Wer sich davon einen Eindruck verschaffen will, kann einmal die ganzseitigen Beschreibungen in Michael/Hennig/Kreisel (Handbuch für Pilzfreunde) durchlesen, da steht zu jedem Pilz sensationell viel, aber eben auch ganz viel Irrelevantes drin. Mit der Folge, dass von den beschriebenen Dutzend Merkmalen eben immer eines oder zwei nicht stimmten, was dann dazu führte, dass man unter Beachtung der von dir genannten Regel nie zu einem befriedigenden Bestimmungsergebnis kam.


    In unserem Verein haben die Anfänger auch oft das Problem, dass sie sich (im Bewusstsein, dass man grundsätzlich nicht nur Bilder vergleichen, sondern Beschreibungen genau lesen sollte) Wort für Wort durch die Beschreibung kämpfen, bis sie irgendwann auf eine Fehlinformation stoßen und aus ihrer Sicht zu keinem Bestimmungsergebnis kommen, wobei ihnen aufgrund des Bildvergleichs eigentlich schon klar war, welchen Pilz sie vor sich haben. In diesem Fall hat die Beschreibung nicht nur keinen, sondern negativen Nutzen für die Bestimmung.


    Freundliche Grüße

    Oehrling

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  • Hallo Harald,


    darfst du ja gerne, überzeugt hat mich halt Wolfgang Prüfert und Bernhard Örtel und wenn die sich einig sind glaube ich das dann auch gerne.


    Beim großen sieht man aber schon einen ausgeblassten Hutrand!


    LG, Chris

    ...........................:snail:

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    • Offizieller Beitrag

    Salve!


    Also für mich wäre Pseudoclitocybe expallens (agg.) ein Pilz, der dann eher so aussieht:


    Hat allerdings nix mit Anastomosen zu tun, ob da welche wären oder nicht. Bei denen auf dem Bild (Saftlingswiese im Kaiserstuhl) war halt das makroskopische Aussehen irgendwie anders, und irgendwas war noch mit den Sporen und den HDS - Hyphen. Was genau da un anders war, müsste ich aber jetzt nachrecherchieren. Diese Pilze sind ja normalerweise nicht so meine Zielgruppe.
    Oder waren die gegabelten HDS - Hyphen nur ein wichtiges Gattungsmerkmal?


    Alelrdings: Bei den von Chris gezeigten Exemplaren sieht es ja auch so aus, als hätten die doch einen deutlichen Schaden, vermutlich durch Trockenheit und / oder Bodenfrosteinwirkung? Darum die braun eingekrempelten Hutränder, nehme ich an? Und wenn dem so wäre, und so ein Schaden gerade bei jungen Fruchtkörpern auftritt, dann wäre das eine Erklärung, warum es eben doch Pseudoclitocybe expallens (agg.) sein kann. Weil dadurch ein fein durchscheinend gestreifter Hutrand ebenso wie ein "normales" Farbspektrum stark beeinträchtigt sein könnte.



    LG; Pablo.

  • überzeugt hat mich halt Wolfgang Prüfert und Bernhard Örtel und wenn die sich einig sind glaube ich das dann auch gerne.

    Nun gut, das ist geballte Kompetenz - ohne Zweifel.


    Allerdings zeigt dann dein Bild keineswegs typische Fruchtkörper. Das Bild von Pablo deckt sich genau mit dem, was ich unter P. expallens verstehe.

    Hier noch eins von mir:


    Beste Grüße

    Harald

  • Servus beinand,


    das Problem ist, was man unter P. expallens versteht. Meine Artauffassung ist genau das, was auch Pablo und Harald zeigen. Typisch ist der glatte Stiel, der helle Hut mit der winzigen, dunklen Mitte und die starke Riefung. Beim Foto von Chris erkenne ich Ps. expallens nicht.


    Parallel wurde auch im Funga austria über Ps. expallens diskutiert: Gedanken zu Pseudoclitocybe - Funga Austria


    Ich finde das, was ich unter Ps. expallens verstehe, in Kalkmagerrasen und in Kalkschotterfluren. Hier Fotos zweier solcher Kollektionen (an einem Tag auf zwei Bereichen der Rothschwaiger Magerwiese bei FFB - ich habe den Fund in der Mycologia Bavarica als Ps. expallens publiziert.)


    Hier sieht man den glatten Stiel... auf denoberen Fotos die abgesetzt, kleinflächig sehr dunkle Hutmitte.


    Liebe Grüße,

    Christoph