Hexeneier II

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.656 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Adi Meyer.

  • Guten Tag

    Da die Stinkmorchel zum Pilz des Jahres 2020 erkoren wurde, habe ich mich in den letzten 2 Wochen weiter mit ihnen beschäftigt und für mich überraschende Erkenntnisse erhalten. Ich habe nach jungen Hexeneier gesucht, welche gefunden und folgendes beobachtet, was ich so noch nie in Texten gelesen habe.

    Der Entwicklungsprozess läuft biologisch sehr bemerkenswert ab. In allen Texten, welche ich zum Wachstum gefunden habe, wird vom schnellen Wachstum gesprochen, meine Beobachtungen stellen dies aber in Frage! Schaut euch mal meine Bilder Story an, bin gespannt auf eure Feedbacks!


    Grüsse

    von Adrian


    Folgendes habe ich bei Stinkmorcheln beobachtet:
    1. Schneidet man ein junges Hexenei auf, welches noch fest ist, verändert sich die Form und Grösse des unter der Peridie (= weisse derbe Hülle) befindlichen bereits angelegten Receptaculum (= stark gekammerter schaumstoffartig zusammengepresster Pilzstiel) überhaupt nicht. Auch wenn man dieses Ei in Scheiben schneidet geschieht auch nach 10 Minuten und später nicht viel.

    10 Minuten später: keine Veränderungen

    3h später keine Veränderungen


    2. Schneidet man ein etwas reiferes Hexenei auf geschieht folgendes, was mich sehr überraschte:

    Innerhalb von Sekunden entfaltet sich das Receptaculum (Stielanlage), nach 1 Minute ist es schon 2cm "gewachsen"!

    Nach 8 Minuten ist das Receptaculum bereits über 9cm lang

    Dieses schnelle "Wachstum" kann biologisch nicht als Wachstum durch Zellteilungen erklärt werden, viel mehr ist es ein wahrscheinlich physikalisch und osmotisch induzierter Prozess. Das Schaumstoff-ähnliche Gewebe entfaltet sich infolge Wassereintritt oder steht in der Kapsel bereits vorbereitend unter Druck, sobald die Peridie (= Hülle) aufplatzt stösst der Pilzstiel ohne weitere Zellteilungen nach oben. Ein ähnliches "Entfalten" kennt man bei den Insektenflügeln nach der Verpuppung füllen sich die Flügel innerhalb von wenigen Minuten mit Körperwasser und werden so ausgebreitet.

    Der Stiel ist auch 3 Tage später keinen Millimeter mehr gewachsen, das kammrige Gewebe hat sich einfach entfaltet.

    Das gleiche lässt sich auch bei unberührten Stinkmorchel erkennen, wie die unteren Fotos zeigen!

    Natürlich aufgeplatzte Peridie, in diesem Stadium sieht das Hexenei wirklich wie ein aufgeschlagenes Hühnerei aus!

    Frisch entwickelte Stinkmorchel

    3 Tage später ist der Stiel (das Receptaculum) immer noch gleich gross. Wegen der Kälte wurden fast keine Insekten mehr angelockt und die olivgrüne Gelba wurde nicht mehr weggefressen!

  • Hallo Adrian,

    Interresantes Experiment.

    Erinnert irgendwie an die Entfaltung einer vakuumverpackten Matratze.

    Gruß

    Norbert

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    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

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  • Hallo Adrian,


    ich denke ausschlaggebend ist der "Wasserfüllstand" der bräunlichen Gallertmasse. Ist hier ein bestimmter Druck vorhanden, kommt es zur Entfaltung des Stieles. Die Wasserversorgung der Gallerte erfolgt über die dicken Rhizomorphen, die man auf deinem ersten Bild gut sieht.


    Beste Grüße

    Stefan F.

  • Hallo Stefan

    Interessant war auch die Beobachtung, dass sich der Stiel auch ohne direkten Kontakt mit der Gallertmasse weiter ausdehnen konnte. Das Wasser muss also schon bevor der Stiel die zuerst feste weisse Hülle durchbricht, bei deren Entwicklung im Hexenei im schaumigen Gewebe eingelagert werden. Die Entfaltung oder das vermeintliche Wachstum wird danach offenbar über die Öffnung von irgendwelchen Membrankanälen gesteuert. So oder so scheint die Stinkmorchel ein sehr interessanter Pilz zu sein. Einige Inhaltsstoffe sind bereits im 18.Jahrhundert erstmals durch den berühmten Naturforscher und Pfarrer Jakob Christian Schaeffer (1760) untersucht worden.

    Grüsse von Adrian