Merkwürdiger pleurotoider Fund

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  • Hallo zusammen,


    vorgestern haben meine Partnerin und ich einen pleurotoiden Pilz gefunden, den wir selbst nach intensiver Recherche nicht sicher zuordnen können und daher gern mit euch teilen möchten. Zwei Fruchtkörper wuchsen übereinander an einem lebenden Laubbaum:



    Besonders ins Auge fiel uns sofort die Hutoberseite: In einer ellipsoiden Zone um die Anwuchsstelle herum zeigten sich auffällig gelbliche Farben, zudem war dieser Bereich deutlich filzig. Außerhalb dieser Zone dominierten eher Brauntöne, der Rand war etwas heller. Auf der Hutunterseite waren selbst bei dem jüngeren Exemplar keine weißen Lamellen zu erkennen; auch sie wiesen einen Gelbstich auf. Die Lamellen liefen an einem sehr kurzen, weißen Stiel zusammen. Der Geruch war unauffällig:



    Zuhause fertigten wir zunächst ein Schnittbild des Fruchtkörpers an. Darin sind die gelblich gefärbten Lamellen, die weiße Huttrama sowie die auffällig dicke Hutdeckschicht mit filzigen Härchen gut zu erkennen:



    Da uns dies noch nicht weiterbrachte, untersuchten wir zusätzlich die relevanten Mikromerkmale (momentan habe ich Probleme mit dem Mikroskop, deshalb sind die Bilder qualitativ minderwertig, aber hoffentlich dennoch ausreichend). Die hyalinen Sporen (aus Abwurf gemessen) sind auffällig langgestreckt, sehr schmal und allantoid:



    Sporenmaße: 5,3 ± 0,5 µm × 1,5 ± 0,2 µm, Q̄ = 3,6 ± 0,4

    Reichweite: 4,7–6,4 µm × 1,3–2,1 µm, Q = 2,7–4,5

    n = 20


    Die extrem schmalen Sporen in Kombination mit dem sehr hohen Q-Wert erscheinen uns ziemlich außergewöhnlich. Die Basidien sind viersporig und ebenfalls auffallend schlank:



    Zystiden konnten wir nirgends feststellen. Schnallen sind vorhanden, die Lamellentrama ist irregulär aufgebaut.


    Aufgrund der Jahreszeit und des pleurotoiden Habitus ist die Auswahl an infrage kommenden Arten zwar begrenzt, dennoch überzeugt uns keine der naheliegenden Möglichkeiten vollständig:

    1. Pleurotus ostreatus scheidet aus, da er weder eine gelbliche, filzige Zone auf der Hutoberseite noch gelblich gefärbte Lamellen besitzt, zudem passen die Sporen von Form und Größe her nicht.
    2. Sarcomyxa serotina würde die sehr dünnen antaloiden Sporen mit dem hohen Q-Wert und die dünnen Basidien erklären, allerdings sollte er einen punktierten safrangelben Stiel aufweisen und zeigt keinen Filz auf der Hutoberseite, dafür aber olivfarbene Huttöne und eine feucht schmierige Oberfläche. Mikroskopisch gesehen hat er zudem (wenn auch wenige) Pleurozystiden.
    3. Phyllotopsis nidulans würde zwar die filzige Hutoberseite, die schmalen allantoiden Sporen und die Lamellenfärbung erklären, jedoch sind die Sporen hier zu schmal und der Q-Wert zu hoch (laut Literatur bis 2,6). Zudem ist ein Stiel erkennbar, es fehlt der Geruch nach fauligem Kohl (auch nach dem Trocknen) und die Hutoberseite erscheint ebenfalls höchst untypisch.

    Da es bei uns in den letzten Tagen nicht gefroren hat, gehen wir nicht davon aus, dass Frostschäden vorliegen. Habt ihr Ideen oder Hinweise auf Merkmale, die wir gezielt weiterverfolgen sollten? Ich freue mich sehr auf eure Rückmeldungen!

  • Hallo Vitus,

    Hast Du einen Muschelkrempling (Tapinella Panuoides) in Betracht gezogen ?


    VG Corne

  • Hallo Vitus,


    ich hätte Euren Fund auch schon makroskopisch als alte Fruchtkörper von S. serotina angesprochen. Mit den schmalen, allantoiden Sporen habe ich dann keinen Zweifel mehr daran, dass es wirklich diese Art ist. Der Stiel ist wahrscheinlich nicht erkennbar, weil der Pilz in dieser Baumritze gewachsen ist und entsprechend ein Großteil des Stiels in dieser Ritze verblieben sein dürfte.


    Björn