Psathyrella niveobadia ...

Es gibt 16 Antworten in diesem Thema, welches 3.839 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Sebastian_RLP.

  • Hallo zusammen,


    So langsam zeigen sich Pilze mit Stiel und Hut. Folgender sollte P. niveobadia sein. Gefunden an einem Bachlauf unter Erle, Esche und vereinzelt Buche, teresstrisch auf feuchter Erde. Einzeln. Hut kräftig Kastanienbraun mit deutlichem Velum. Rand gelb. Hygrophan. Keine Riefung.
    Lamellen ausgebuchtet angewachsen. Schneiden heller bis weiss, bewimpert. Spp schwarzbraun. Stiel weiss. Erscheinungszeit für Niveobadia ab März beschrieben.



    Bei den Mikromerkmalen passen die engstehenden ballonförmigen (umgekehrt birnenförmigen) Parazystiden auf der Schneide. Pleurozystiden vereinzelt und utriform. Sporen 8,18x4,92 (1,66). Häufig ovoid, seltener zylindrisch (was mich anfangs etwas irritiert hat, schließt Niveobadia wohl aber nicht aus?).

    KP deutlich, ca. 1,5ym.



    Passt meine Diagnose. Niveobadia ist eine Erstbestimmung für mich. LG Sebastian

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    mit was hast du geschlüsselt?


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo


    Lamellenbild , mich erinnert an Inocybe Lamellen , dumm oder ?


    LG

    Dumm ist das nicht; das hat schon seine Berechtigung, wenn man das Lamellenbild allein betrachtet. Für eine Inocybe passt allerdings der ganze Rest nicht. Die Sporenfarbe, Sporenpulverfarbe, Zystiden, Huthaut usw.


    Eine Psathyrella ist das definitiv. Die Frage ist halt nur welche Art und mit welchem Schlüssel geschlüsselt wurde und ob und womit das Ergebnis abgeglichen wurde.


    l.g.

    Stefan

  • Nee beli, nicht mit dieser Sporenpulverfarbe!

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    nur noch 2 Anmerkungen von mir.


    1. Sporengrößenangaben mit 2 Nachkommastellen bringen nur scheinbar eine höhere Genauigkeit. Mit dem Lichtmikroskop ist es schon mit einer Nachkommastelle kritisch. Das gibt die Auflösung einfach nicht her.


    2. Ps. niveobadia hat laut Andreas ehem. Website braune Schleimkappen auf den Pleuros. Die müsstest du gefunden haben. Wenn nicht, dann hast du was anderes. Was spricht gegen Ps. spadiceogrisea agg.?


    l.g.

    Stefan

  • Hallo Stefan,


    habe mit Ludwig gearbeitet, habe dabei weniger geschlüsselt wie ich zugeben muss als mehr alle Informationen zusammengetragen und dann abgeglichen.

    Mit dem dichotomen Schlüsseln komme ich häufig nicht zum Ziel. Wenn ich den Schlüssel von Melzer konsequent anwende, komme ich nicht zu P. niveobadia, sondern da lande ich eher bei der sehr seltenen Art P. groegeri zu der ich kaum Dokumentationen finde. Ludwig setzt die Art P.groegeri synonym mit Spadiceogrisea, welche ich mir auch bereits angeschaut hatte. Die Sporen werden da als ovoid angegeben und würden auch sonst passen (bis auf die fast schwarze KOH-Reaktion die aber auch Niveobadia nicht zeigen sollte - Interpretationsspielraum?). Spadiceogrisea finde ich auch häufig bei uns, kenne den allerdings heller und ohne diesen ausgeprägten Velumsaum sowie mit gerieftem Hutrand (der wohl aber auch nicht zwingend sein muss). Das sind genau die Merkmale, die Ludwig unter Verwechslungsmöglichkeiten beschreibt, weswegen ich nach wie vor zu P. niveobadia tendiere. Auch der gelbe Rand bei einem absoluten Frischpilz spricht für mich dafür.


    Bei Niveobadia wäre ich bei Melzer nur gelandet, wenn ich die Sporen als überwiegend (>50%) phaseoliform gesehen hätte und gleichzeitig die Pleurozystiden mit leicht verdickten Wänden und Anlagerungen beschreiben könnte. Während apikal dickwandig noch durchgehen kann (siehe Bilder), tue ich mich mit "Anlagerungen" nach wie vor extrem schwer, da immer irgendwas "angelagert" ist. Hätte ich hier eher verneint.


    Gleichzeitig sind mir bei der Durchsicht der Bilder "rhomboide" Cheilozystiden aufgefallen, die Melzer im Teil B bei niveobadia beschreibt.



    LG Sebastian

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    danke. Ich weiß, was du mit rhomboiden Zystiden meinst. Dennoch bin ich nicht der Meinung, dass du Ps. niveobadia gefunden hast. Wenn du mir die braunen Schleimkappen zeigst, dann würde ich meine Meinung gerne revidieren.


    Hier ist zumindest das Pdf von Ps. niveobadia von Andreas Website. Gerade frisch "ausgedruckt".


    l.g.

    Stefan

  • Oh, toll ... ich dachte die Website wäre nicht mehr erreichbar. Ein tolles Portrait.


    Gestern konnte ich tatsächlich keine Auflagerungen erkennen, hatte allerdings auch nicht explizit danach gesucht. Die Angaben in Ludwig "bisweilen mit Schleimklümpchen" hätte ich in meinem Kopf niemals mit dem Bild aus dem von dir präsentierten Portrait dieser Schleimkappen zusammengebracht (Auch weil auf den Zeichnungen im Ludwig die Auflagerungen lediglich als Pünktchen dargestellt sind).


    In der Nachuntersuchung in H2O (Exsikkat) konnte ich jetzt allerdings schon Strukturen finden, die passen könnten. Ich bleibe allerdings etwas unsicher, da manche Pleurozystiden apikal auch kollabiert erscheinen und ich mir nicht sicher bin, ob dadurch Auflagerungen "imitiert" werden, die gar nicht da sind. Schaut mal selbst ....



    Frischeres Material habe ich leider nicht mehr ... immer gut, wenn man vorher weiß, wonach man suchen sollte ...


    LG Sebastian

  • Hallo,


    ich zweifle etwas daran, dass die Schleimkappe zwingend vorhanden sein müssen, bzw. ihr Fehlen ein k.o-Kriterium für niveobadia bedeutet. Ich habe aus frühester Zeit einen niveobadia-Fund, den mir Manfred Enderle damals bestätigt hatte. Ob das natürlich den heutigen Erkenntnissen noch stand hält, ist fraglich. Was damals aber auffalend war, dass die Fruchtkörper einen deutlich schön gelbbraunen Randbereich hatten - ein Merkmal was auch Romagnesi beschreibt. Das zeigt der Fruchtkörper von Sebastian auch einigermaßen.

    Die Zystiden haben nach meinem Dafürhalten schon braune Auflagerungen, die durch das einfallen der SPitze halt deutlicher werden, weil mehrere Zellwände übereinanderliegen. Den Effekt hat man ja oft, dass zerknitterte Sporen z.B. deutlicher amyloid erscheinen weil mehrere Lagen Wand übereinander liegen.


    beste Grüße,

    Andreas

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    ja nach den neuen Bildern bin ich nun auch überzeugt. Die Schleimkappen sind ja gut zu sehen.


    Die pdf-Datei oben stammt von meinem "Privatarchiv" von Andreas Melzers Website. Er hat mich damals kurz angemailt, dass die Website bald offline gehen wird und ich habe dann alles in einer Hau-Ruck-Aktion für mich gesichert, weil ich ja zumindest die Tintlinge auch mit weiter bearbeiten möchte, zumindest im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten. Das war ziemlich zeitraubend und nervenaufreibend, weil ich jede Teilseite einzeln sichern musste. Ein Programm für den Zweck habe ich mir zwar runtergeladen, aber es hat nicht funktioniert. Zumindest kann ich immer gleich die ermittelten Merkmale von Psathyrellaceaen mit der Sicherung abgleichen, wie vorhin auch.


    l.g.

    Stefan

  • Toll, wieder eine Menge gelernt. Danke für eure Hinweise und vertiefenden Denkanstöße und Impulse.


    @ Stefan ... du Glücklicher. Das scheint ja nach allem was man hört sehr fundiert gewesen zu sein. Schade das es nicht weiterging.


    Herzliche Grüße Sebastian

    • Offizieller Beitrag

    Toll, wieder eine Menge gelernt. Danke für eure Hinweise und vertiefenden Denkanstöße und Impulse.


    @ Stefan ... du Glücklicher. Das scheint ja nach allem was man hört sehr fundiert gewesen zu sein. Schade das es nicht weiterging.


    Herzliche Grüße Sebastian

    Hi,


    ja Andreas ist/war ein sehr versierter Kenner der Psathyrellaceaen (gewesen). Er hat aus gesundheitlichen Gründen mit den Pilzen aufgehört. Die Website war wirklich eine Goldgrube bezüglich der Psathyrellaceaen, gerade weil auch Verweise auf die Originalbeschreibung und alte Zeichnungen der entsprechenden Arten hinterlegt waren etc.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Ob das natürlich den heutigen Erkenntnissen noch stand hält, ist fraglich.

    Hallo nochmal, ein Mykollege und Freund der APV hat mich noch auf folgenden Aufsatz von Voto et al., 2019 aufmerksam gemacht:


    (PDF) A revision of the genus Psathyrella, with a focus on subsection Spadiceogriseae


    Dort wird eine Konspezifität zu spadiceogrisea diskutiert, am Ende werden bei uneindeutigen Ergebnissen beide Arten aufrechterhalten, wenn ich das jetzt richtig erfasst habe. Insgesamt scheint es aber sehr schwierig zu sein, zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen. Eine Kollektion weißt in der Gesamtmorphologie auf niveobadia hin, ist aber spadiceogrisea zuzuordnen. Bei anderen Kollektionen gibts Überschneidungen in den Merkmalen aber gleichzeitig "begrenzte genetische Divergenz" ... Die beiden Schlusssätze sind für mich entscheidend:


    Hier mal die freie Übersetzung der Seite 126 (mithilfe von Google-Übersetzer und meinem stark beschränkten Fachenglisch):


    "Anmerkungen: Der Fall von P. niveobadia bleibt ein wenig zweideutig. Wir konnten den französischen Holotyp seines Basionyms Drosophila niveobadia nicht untersuchen, deshalb haben wir zwei französische Sammlungen untersucht, die uns freundlicherweise von G. Tassi zur Verfügung gestellt wurden. Die Gesamtmorphologie des Tickets 04005 (Duplikat MCVE29103) erinnert an die von P. niveobadia, gehört jedoch eindeutig zu P. spadiceogrisea (siehe obige Diskussion). Das andere Ticket 93014, weist mikroskopische Merkmale auf, die denen von P. niveobadia entsprechen (Form der Pleurocystidia, einige dickwandige Pleurocystidia-Spitze, Abmessung und orange-braune Farbe der Sporen, kleine Keimporen), aber leider ist die DNA-Extraktion fehlgeschlagen.


    Zwei weitere Exemplare aus Mittelitalien (Sammler Micucci, MCVE30076 und De Ruvo, MCVE29102) zeigen morphologische Merkmale, die perfekt mit denen von P. niveobadia übereinstimmen, die von Kits van Waveren (1985) beschrieben wurden. Sie besitzen, und dies gilt insbesondere für Micuccis Exemplar, alle wichtigsten erwarteten diagnostischen Merkmale für diese Art, einschließlich: die Dicke und Steifheit der Stielrinde und in geringerem Maße der Hut, welcher nur, wenn überhaupt, knapp gestreift ist; die möglicherweise wurzelnde Stängelbasis; die orange-braunen Sporen, die durchschnittlich 7,4–8,3 × 4,5–4,7 μm groß sind; die deutlich dickwandige Pleurocystidia-Spitze, die subcapitate oder besonders schmal bis verjüngt sein kann. Nach unseren eigenen Beobachtungen können wir (zumindest in ausreichend frischen Proben) stark schleimige Bedeckungen der Pleurocystidia-Spitze hinzufügen über die in der Beschreibung von Kits van Waveren (1985) nicht berichtet wird.


    Wir betrachten andere Merkmale in der Beschreibung von Kits van Waveren (1985) als weniger relevant, nicht exklusiv oder instabil. So könnten beispielsweise Identifikationen, die hauptsächlich auf der Pileusfarbe und der Velum-(Schleier)entwicklung beruhen, wie in den Anmerkungen von Kits van Waveren (1985) hervorgehoben, diese Art tatsächlich mit P. spadiceogrisea verwechseln, während Bestimmungen, die hauptsächlich auf der rhomboiden Form der Paracystidie beruhen, die tatsächlich P. fatua sein könnte. Molekulare Vergleiche zwischen den beiden italienischen Proben und den in diesem Artikel enthaltenen P. spadiceogrisea-Proben haben jedoch zu etwas mehrdeutigen Ergebnissen geführt. Die Homologieniveaus von Tef-1 & agr; -Nukleotiden lagen zwischen 98,14% und 98,67%, was auf eine mögliche Spezifität hinweist, aber die Werte der ITS-Nucleotidhomologie lagen zwischen 96,77% und 99,02%, was die Spezifität nur teilweise bestätigt. Da die Sequenzen von Micucci Ende 2018 erhalten wurden, wurden sie bei der Konstruktion der phylogenetischen Bäume nicht verwendet, sodass ihre genaue Platzierung in der Phylogenie des Unterabschnitts unbekannt ist. Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten morphologischen Unterschiede und des Vorhandenseins einer gewissen, wenn auch begrenzten genetischen Divergenz zwischen P. spadiceogrisea und P. niveobadia im kombinierten phylogenetischen Baum (Abb. 3) haben wir uns entschlossen, die Art P. niveobadia beizubehalten getrennt von P. spadiceogrisea. Natürlich erkennen wir auch an, dass die zu diesen beiden Arten gehörenden Exemplare stattdessen Extreme einer eher variablen Einzelart darstellen können." vgl. Voto et al., 2019, S.126


    Beste Grüße Sebastian

  • Servus beinand,


    Andreas Melzer hat ja auch in zwei Artikeln in der Zeitschrift für Mykologie (2016 und 2018) umfangreiche, auch sequenzanalytisch unterfütterte Studien zur Gruppe um P. spadiceogrisea vorgestellt. Die Ergebnisse dieser Artikel wurden in der zitierten Arbeit von Voto et al. (2019) nach meinem Eindruck weitgehend ignoriert:haue:. Andreas hatte zum Beispiel einen Epitypus von P. spadiceogrisea definiert.


    So bleibt es nach wie vor ein Abenteuer, Psathyrellen aus dieser Gruppe zu bestimmen. Eine typische P. spadiceogrisea, die dem Epitypus gut entspricht, hätte ich gemäß Voto et al. (2019) als P. albescens Hesler & A.H. Smith schlüsseln müssen. Da hört sich der Spaß irgendwann mal auf:D


    In Andreas Artikel in der ZfM 82/1 von 2016 (S.53) ist übrigens eine Kollektion von P. niveobadia mit Mikrofoto der Zystiden abgebildet, die Sebastians Fund makroskopisch ziemlich gut entspricht und exakt dieselben Auflagerungen an den Zystiden aufweist.


    Beste Grüße

    Hias

  • Hallo Hias,


    Vielen Dank für den Hinweis! Tatsächlich habe ich beide Zeitschriften vorliegen. Eine Überlassung der APV. Damals hatte ich noch überlegt, ob ich jemals dazu komme da hinein zu schauen. Gerade bin ich sehr froh den Stapel mitgenommen zu haben.


    Nach den Ausführungen von Stefan, Andreas und dem Studium dort darf ich P. niveobadia denke ich wirklich getrost abhaken. Melzer stützt sich hier (2016) ebenfalls vorwiegend auf die morphologischen Unterschiede:


    "Da ausschließlich mit der ITS-Region gearbeitet wurde, bestehen jedoch Unschärfen, weil sich molekulare Differenzen bei sehr eng verwandten Arten nicht unbedingt in diesem locus manifestieren. Morphologische Unterschiede ausserhalb einer mit gutem Gewissen zu konzendierenden Amplitude lassen es momentan gerechtfertigt erscheinen, getrennte Taxa beizubehalten und hier eine Bestimmung als Psathyrella niveobadia vorzunehmen."


    Die Bilder von Kunze passen wirklich wie die berühmte Faust :thumbup:


    Werde den mal zur Kartierung melden, da ja nicht sehr häufig.


    Tolle Portraits übrigens auf deiner Seite!


    LG Sebastian

  • Hallo nochmal,


    am Standort haben sich nochmals zwei frische Fruchtkörper gezeigt, welche ich jetzt habe stehen und gedeihen lassen. Die Entwicklung des Hutes fand ich jetzt auch nochmal spannend, vielleicht von Interesse:


    4.4.2020


    6.4.2020: deutlich gelber Rand, das Velum ist nahezu vollständig weg, der Hutrand wirkt nun runzelig:



    LG Sebastian