Flockenstielige Hexenröhrlinge aus dem Jahr 2017

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 1.784 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von TheWrestler.

  • Für ein bei uns extrem egiebiges Pilzjahr sorgten unter anderem die Hexenröhrlinge. Zum einen hatten wir den Netzstieligen Hexenröhrling als Erstfund (leider wegen dem Wuchsort direkt an einer Hauptstraße nicht verwendbar), zum anderen hatten wir an den uns bekannten Stellen ein teilweise enormes Aufkommen der Flockenstieligen Hexenröhrlinge. Gerne möchten wir euch zum Jahresende an unseren Funden teilhaben lassen.


    Im Video:

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    Bilder:

















    Da alle 102 Bilder hier den Rahmen sprengen würden, hätten wir die restlichen Bilder bei Interesse in der folgenden Galerie zusammengefasst: Hexenröhrlinge 2017: Neoboletus Luridiformis


    Noch ganz nebenbei eine Frage zur korrekten lateinischen Bezeichnung. Wie lautet diese denn aktuell? Bis vor kurzem war ich mir mit "Neoboletus luridiformis" eigentlich relativ sicher. Auf Wikipedia findet sich der lateinische Name "Neoboletus erythropus" und auf Facebook wurde ich schon mehrmals darauf hingewiesen, dass das alles "veraltet" ist, die aktuelle, korrekte Bezeichnung "Neoboletus praestigiator" lautet. Dürfen wir nach eurer Meinung bzw. eurem Wissen zur (aktuell) gültigen, lateinischen Bezeichnung fragen?


    Wir wünschen euch einen schönen 3. Advent und senden vorweihnachtliche Grüße aus dem verschneiten Mühldorf am Inn :)


    Melanie, Leon und Michael

  • Hallo Melanie, Leon und Michael,


    sehr gelungen eure Darbietung des Pilzjahres, vielen Dank.

    Viele Grüße
    Veronika Weisheit - Pilzberaterin Landkreis Rostock
    Auch Pilzberater können irren, erst recht in einem Forum, deshalb gibt es keine Freigabe von mir, Pilze zu verzehren, auch, wenn diese essbar sind.

  • Hallo Wrestlers,
    oho oho, lecker lecker lecker!
    Schöne Funde und ich wünsche euch für nächstes Jahr eben solche Funde!
    Viele Grüße.
    Thomas

    AUCH VON MIR KEINE ESSENSFREIGABE. EINE BESTIMMUNG IST OHNE JEDE GARANTIE.


  • Noch ganz nebenbei eine Frage zur korrekten lateinischen Bezeichnung. Wie lautet diese denn aktuell? Bis vor kurzem war ich mir mit "Neoboletus luridiformis" eigentlich relativ sicher. Auf Wikipedia findet sich der lateinische Name "Neoboletus erythropus" und auf Facebook wurde ich schon mehrmals darauf hingewiesen, dass das alles "veraltet" ist, die aktuelle, korrekte Bezeichnung "Neoboletus praestigiator" lautet. Dürfen wir nach eurer Meinung bzw. eurem Wissen zur (aktuell) gültigen, lateinischen Bezeichnung fragen?


    Servus ihr drei,


    das Grundproblem ist, dass Persoon einen Boletus erythropus beschrieben hat, dabei aber die Beschreibung mit dem Glattstieligen Hexenröhrling vermengt hat. Jetzt kann man den Namen wegwerfen als nomen dubium, ihn als den dann ältesten Namen für den Glattstieligen Hexenröhrling anwenden (in Suilellus ist das möglich) oder man interpretiert ihn doch als den Flocki.


    Fries hat 1821 den Persoon'schen Namen übernommen und damit sanktioniert (also: Flocki = "Boletus" erythropus). Das gilt aber nur in der Gattung Boletus. Als Neoboletus aufgestellt wurde, brauchte die Gattung einen Typus. Die Autoren haben dafür (wohl sicherheitshalber) den jüngeren Namen Boletus luridiformis verwendet.


    Die Verwirrung wäre aber komplett, wenn man jetzt den Glattstieligen plötzlich als Suilellus erythropus benennen würde, obwohl das Epitheton erythropus schon immer der Flocki war.


    Deshalb habe ich, um den alten Namen weiter gebrauchen zu können, die Kombination Neoboletus erythropus (Persoon) C. Hahn aufgestellt.


    Das Problem ist aber noch nicht gelöst. Würde man die Persoon'sche Beschreibung wirklich als Glattstieligen interpretieren, hätte ich nur eine Kombination erzeugt, die wenig Sinn ergibt, da der Glattstielige eben einer anderen Gattung zuzuordnen ist.


    Allerdings bin ich der Meinung, dass man auch aus der Persoon'schen Beschreibung den Flocki gut herauslesen kann. Der Knackpunkt ist die Angabe, dass die Stielbasis rotes Fleisch hat. Das habe ich allerdings bei einem Flocki auch schon gesehen, wenn auch selten vorkommend. Ich habe daher mittelfristig vor, das Ganze durch eine nachträgliche Typisierung zu "zementieren".


    Es ist nämlich auch so schon nervig: immer war es "Boletus erythropus". Dann kam in den 90er Jahren kurz mal "Boletus luridiformis" auf (was dann so im Krieglsteiner-Atlas übernommen wurde), um dann wieder gekippt zu werden. Es blieb bei Boletus erythropus. Und jetzt soll, nur weil die Gattung Neoboletus aufgestellt wurde (was ich wiederum richtig finde) jetzt schon wieder auf "luridiformis" gewechselt werden? Und dann auch noch das Gedöns mit Boletus praestigiator. Nein, da ist Neoboletus erythropus das, was das Epitheton schon immer bedeutete: der Flocki.


    Einene "gültigen" Namen kann man aber nie festlegen (es sei denn, die Typisierung steht), da man die Beschreibungen dieser nicht typisierten Arten immer nur interpretieren kann. Insofern sind alle drei gültig und korrekt. Ich interpretiere die Persoon'sche Beschreibung als die älteste des Flocki. Andere interpretieren den als gelb beschriebenen Rostkov'schen Boletus luridiformis als Flocki und wer auch das nicht macht, da dieser Pilz eben gelb ist und auch den Persoon'schen nicht als Flocki akzeptiert, nimmt den B. praestigiator. Dass dieser aber jetzt der "richtige, gültige" sei, kann man so nicht sagen (Facebook halt?!).


    Sollte ich 2018 einen passenden Flocki finden oder Hilfe (z.B. aus dem Forum hier) bekommen und so einen Flocki mit Rot in der Stielbasis bekommen (nahe Niederlande wäre optimal, also NRW), dann ist es allemal geklärt.


    Meine Empfehlung: sag Neoboletus erythropus ;)


    LG
    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Hi.


    Immerhin interessant: Wenn ich das jetzt richtig sehe, ist bei SF nach wie vor keine Synonymie zwischen luridiformis, erythropus und praestigiator hergestellt. ;)
    Das hat aber lediglich technische gründe, natürlich beschreiben alle Namen dennoch die gleiche Art.
    Interessant: Das Synonym "praestigiator" war mir bisher irgendwie durchgerutscht. Aber ok, wenn es denn ebenfalls die gleiche art beschreibt, kann man den Namen halt auch fakultativ verwenden. Persönlich bevorzuge ich nach wie vor erythropus als Epithet, spreche im Alltagsgebrauch auch nach wie vor von "Boletus", kann aber die Gattungstrennung sehr gut nachvollziehen. Auch morphologisch bildet der Flocki ja eine ziemlich gut von den anderen Röhrlingen abgrenzbare Gruppe (vor allem die Fleischkonsistenz ist ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal von "Neoboletus"). In Europa eben dann zusammen mit "Boletus pseudosulphureus", wenn das denn tatsächlich eine eigene Art ist.
    Interessant dazu der Hinweis, daß Rostkov mit "luridiformis" einen gelben Pilz beschrieben hat. Ganz gelb? Also auch Poren niemals mit Rottönen und Stielflöckchen nie rot? Dann dürfte das Epithet ja eigentlich gar nicht für die normal gefärbten Flockis verwendet werden, und sollte zu pseudosulphureus gehören. Oder junquilleus, je nach dem, wie man den interpretiert; ob eben ganz gelb (was im Sinne der Originalbeschreibung wohl korrekt wäre) oder eher im Sinne eines Flockis mit gelben Flecken...
    ...aber das ist dann wieder ein ganz anderes taxonomisches Problem und würde sich dadurch in Luft auflösen, wenn sich nachweisen ließe, daß >sowas< mit völligem Verlust des roten Pigments eben doch nur eine Art Albinoform von Neoboletus erythropus ist und zb auch phyllogenetisch nicht von normal pigmentierten Formen trennbar.



    LG, Pablo.


  • Immerhin interessant: Wenn ich das jetzt richtig sehe, ist bei SF nach wie vor keine Synonymie zwischen luridiformis, erythropus und praestigiator hergestellt. ;)


    Servus Pablo,


    das ist auch nicht Aufgabe der Datenbank. Die drei Namen haben ja alle unterschiedliche Typen, daher ist es immer Interpretationsache, was man unter der Art versteht.


    Zitat

    Das hat aber lediglich technische gründe, natürlich beschreiben alle Namen dennoch die gleiche Art.


    Das ist eben nicht per se natürlich. Lass mal Herbarbelege, also Typusbelege der drei Taxa auftauchen und sequeneziere die. Muss da bei allen drei das Gleiche rauskommen? Man erlebte des öfteren Überraschungen, nachdem nachträglich Typen gefunden wurden (ich sag nur Hygrophorus cossus).


    Zitat

    Interessant: Das Synonym "praestigiator" war mir bisher irgendwie durchgerutscht. Aber ok, wenn es denn ebenfalls die gleiche art beschreibt, kann man den Namen halt auch fakultativ verwenden.


    Wenn er wirklich die selbe Art beschreibt, dann eben nicht. Denn dann ist er ein jüngerer Name für die gleiche Art. Die Disukssion ist ja, ob die beiden anderen Namen (B. erythropus, B. luridiformis) nicht doch andere Taxa meinen. Dann bleibt B. praestigiator übrig, aber nur dann.


    Zitat

    Persönlich bevorzuge ich nach wie vor erythropus als Epithet, spreche im Alltagsgebrauch auch nach wie vor von "Boletus", kann aber die Gattungstrennung sehr gut nachvollziehen. Auch morphologisch bildet der Flocki ja eine ziemlich gut von den anderen Röhrlingen abgrenzbare Gruppe (vor allem die Fleischkonsistenz ist ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal von "Neoboletus").


    Auch anatomisch - andere Rhizomorphen als die übrigen "Hexen". Und dann die behaarte Stielbasis, an der eben fast keine Rhizomorphen abgehen, was bei Röhrlingen sehr seltsam ist (ich habe zig Bodenproben nehmen müssen, bis ich endlich mal Rhizomorphen hatte, extrem mühsam!).


    Zitat

    In Europa eben dann zusammen mit "Boletus pseudosulphureus", wenn das denn tatsächlich eine eigene Art ist.


    Ich kenne gelbe Flockis, die einfach nur gelbe Flockis sind (z.B. aus einem Hexenring / einer Reihe mit normalen am einen Ende und gelben am anderen). Ob aber alles, was gelb ist, ein gelber Flocki ist, ist halt die Frage.


    Zitat

    Interessant dazu der Hinweis, daß Rostkov mit "luridiformis" einen gelben Pilz beschrieben hat. Ganz gelb? Also auch Poren niemals mit Rottönen und Stielflöckchen nie rot?


    Doch... es ist etwas, was man als "ssp. discolor" bezeichnen könnte - und auch da wurde ja zwischen B. queltii ssp. discolor und B. erythropus ssp. discolor hin und her geworfen. Hätte Rostkov nicht sowas beschrieben, wäre B. praestigiator wohl gar nicht zur Diskussion gekommen.


    Deshalb wäre es wirklich sinnvoll, nachträglich zu typisieren. Und zwar so, dass die Namensverwendung einheitlich bleibt. Es ergäbe gar keinen Sinn, wenn man Boletus erythropus Persoon mit einem Glattstieligen typisieren würde, da dann in Boletus trotzdem erythropus als Epitheton verwendet würde (Fries schlägt Persoon), in anderen Gattungen aber nicht.


    Falls also jemand einen Flocki mit rotem Fleisch in der unteren Stielbasis finden sollte (bevorzugt NRW), wäre ich äußerst angetan, den mitsamt Foto zu erhalten. Wenn dann sie Sequent auf den Flocki auch noch passt, wäre es ein guter Typus - dann natürlich gerne gemeinsam.


    LG
    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Christoph!


    Das ist :thumbup: hochinteressant, insbesondere der Hinweis dazu, was Rostkov original als "Boletus luridiformis" beschrieb.
    ich nehme mal an, auch davon existiert kein verwertbares Typusmaterial mehr? Ebensowenig wie vom Persoon'schen "Boletus erythropus"? Denn das wäre ja dann der erste Schritt, wenn man das "Namensproblem" wirklich hieb- und stichfest lösen wollte. Und wenn es keines gibt, und man aber einen Namen konservieren wollte, müsste man dann einen Neotypus anlegen? Und wäre das nicht auch reichlich kompliziert? Ich nehme mal an, dafür wird ein Flocki mit rotem Stielfleisch aus NRW benötigt?


    Das "Gelbe Problem" müsste man eventuell erstmal zurückstellen. Das kann nämlich durchaus sein, daß es (genetisch gesehen) zwei "Gelbe Flockis" gibt.
    In dem Fall wäre es natürlich wünschenswert, die nicht nur anhand von Sequenzen auseinanderhalten zu können, sondern ausreichend Kollektionen ganz ausführlich zu untersuchen, um vielleicht den einen oder anderen konstanten morphologischen Unterschied zu entdecken.
    Anschließend hätte man dort aber wieder das Problem, welchen Namen man einem "Gelben Flocki" mit eigener Sequenz geben müsste...


    ...wurde von Rostkov eigentlich die Amyloidität der Stielbasis - Hyphen beachtet? Das wäre ja auch noch ein recht handfestes Merkmal zur Trennung von Boletus erythropus (ich setze hier mal "s.l.") und Boletus (Suillellus) queletii.



    LG, Pablo.

  • Hallo Christoph,


    an dieser Stelle einmal vielen Dank auch meinerseits für Deine außerordentlich interessanten, informativen und spannenden Beiträge hier im Forum.


    Liebe Grüße


    Maria


    [hr]


    Hallo Melanie, Leon und Michael,


    mit Freude habe ich Euren Beitrag angesehen und wenn ich ehrlich bin, ich war fast ein wenig neidisch aber nur fast ;) Als ich vor einem Jahr in das Altmühltal zog sagte man mir, dass es hier sehr viele Hexenröhrlinge gäbe. Ich habe das ganze Jahr über vielleicht 8 gefunden :(
    Um so mehr freuten mich nun Eure tollen Fotos und der Film.


    Liebe Grüße


    Maria

  • Lieber Christoph,
    auch von mir ein grosses Dankeschön.
    Auch an Pablo, der unermüdlich arbeitet und von dem ich ebenfalls viel gelernt habe.
    Alle Anderen vergesse ich natürlich ebenfalls nicht.
    LG.
    Thomas

    AUCH VON MIR KEINE ESSENSFREIGABE. EINE BESTIMMUNG IST OHNE JEDE GARANTIE.

  • Vielen, vielen Dank für die extrem spannenden Infos zum Thema - da sieht man mal "wie kompliziert" es wird, wenn man tiefer in die Materie eintaucht. Danke an alle die sich Gedanken gemacht haben und vor allem an Pablo und Christoph, dass Ihr euer Wissen mit uns geteilt habt :)