Ziegenlippe oder Rotfuß?

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 5.351 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Jürgen.

  • Hallo,


    ein Bekannter hat auf einer Wiese bei Eichen und Buchen einen Röhrling entdeckt.


    Ich schwanke zwischen Ziegenlippe oder Rotfußröhrling, mit Tendenz zum Rotfuß.


    Der Schwamm blaut auf Druck leicht.


    Was meint ihr?


    Viele Grüße
    Jan




  • Ich hatte letztes Wochenende auch so einen Wackelkanditaten bei dem ich mir sehr unsicher war.


    Kalk-Laubwald mit überwiegend Buchen:




    Habe den dann für mich auch als Braunen Filzröhrling abgetan, bin mir aber weiterhin unsicher.

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, zusammen!


    Wenn es um Filzröhrlinge geht, hat man im Grunde drei Möglichkeiten:
    A) Es ist egal, wie der Pilz wirklich heißt, der Fund soll auch nicht kartiert werden, sondern es geht mehr um den kulinarischen Aspekt oder um ein hübsches Bild (ohne Namen).
    In dem Fall ist die Bestimmung gar nicht so schwer, man muss nur wissen, daß es ein Filzröhrling im weiteren Sinne ist, der Rest läuft >so wie hier beschrieben<.
    B) Es ist egal, wie der Pilz wirklich heißt, aber man möchte gerne so tun, als könnte man dem Pilz einen namen geben. Dann läuft die Bestimmung nach älterer Literatur, also so wie es in vielen Büchern gehandhabt wird, die sich so ungefähr ab kurz vor dem Erscheinen >dieses Buches< nicht mehr mit dem Thema befasst haben. Dann würde man nach Engel, Krieglsteiner, Breitenbach / Kränzlin bestimmen. Aber wozu die Mühe? Genauso präzise ist es, einfach einen Würfel zu nehmen, für 6 Taxa jeweils eine Zahl festlegen und dann den Namen eben auswürfeln. Die Bestimmung ist damit ebenso zuverlässig, aber es geht viel schneller. ;)
    Viele Seiten im Netz arbeiten bei der Röhrlingsbestimmung (insbesondere Filzröhrlinge) nach wie vor nach Prinzip B).
    C) Es soll tatsächlich ein Name für den Pilz gefunden werden, der auch einigermaßen der aktuellen Forschung und Nomenklatur entspricht. Dann ist die Basis das oben verlinkte Buch von Ladurner und Simonini, darüber hinaus wird man in etlichen Fällen auch weitere Spezialliteratur aus etlichen Artikeln mykologischer Fachorgane brauchen, die den Inhalt des Buches ergänzen und erweitern. Wenn man Prinzip C) folgen möchte, würde das auf den Pilz hier angewendet bedeuten:
    Ohne ein vollständiges (!) Schnittbild wird hier nichts rauskommen. Das gehört zum kleinen 1x1 der Röhrlingsbestimmung. Auch die Farbe des Basismycels wäre interessant. Vom Blauen der Poren wäre es super, noch ein Bild zu haben. verfärbungen sind ganz wichtig, und zwar nicht nur die Intensität, auch die Farbnuancen und wie schnell die Verfärbung auftrat. Einen Sporenabwurf könnte man noch machen, falls das hier tatsächlich ein Pilz mit hellem Fleisch und ganz ohne Verfärbungen wäre, um sich zwischen Aureoboletus moravicus (interessante Idee, weil hier ja doch ganze schön satt goldgelbe Poren zu sehen sind) und Xerocomus ferrugineus (Sporenpulver olivbraun, nicht goldgelb bis gelbbraun wie beim Mährischen Filzröhrling) entscheiden zu können.
    Deutlich blauende Poren schließen übrigens beide Arten aus.


    Schupfnudels Pilz kann niemals ein brauner Filzröhrling (Xerocomus ferrugineus, ausgehend von Bestimmungskonzept C)) sein, weil Fleisch gelblich und im Stiel unten auch rosa. Arten um den Bereiften Rotfußröhrling (Xerocomelluls pruinatus) würde ich da anhand der Bilder aber nicht kategorisch ausschließen wollen.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo!


    Vielen Dank für die Zeit, die du dir nimmst, um deine ausführlichen Antworten und Beiträge zu formulieren!


    Antwort B) fand ich extrem witzig! ;)


    Für das Vorgehen C) fehlen mir von diesem Fruchtkörper leider Schnittbilder.


    Mein Learning ist auf jeden Fall, dass man Filzröhrlinge ohne "größeren Aufwand" nur bis zu Gattung bzw. einer groben Artenauswahl bestimmen kann.


    Viele Grüße
    Jan

    • Offizieller Beitrag

    Hi.


    Genau, Filzröhrlinge findet man ja immer wieder. :thumbup:
    Dann ein Schnittbild zu machen ist ja auch eine sache von einer Minute, also gar kein Problem. So wie oben von Schupfnudel gezeigt soll das aussehen, damit kann man schon sehr viel machen.


    Beli, nicht auf die Stielspitze verlassen. ;)
    Daß es da Rippen oder ein rippiges Netz gibt, ist nur ein Kennzeichen für eine ganze Artengruppe, und für die Bestimmung der einzelnen Arten völlig irrelevant. Zumal bei nahezu allen Arten, die manchmal so eine Stielspitze haben, die Rippen / Netzstruktur auch fehlen kann.
    Das Entscheidende ist das Schnittbild und die Farbe des Basismycels; Farben von Hut- und Stieloberflächen sowie Form und Struktur der Stielspitze sind für die Bestimmung erstmal unwichtig. Erst später fließt das mit ein zur Beurteilung des Gesamterscheinungsbildes.



    LG, Pablo.

  • Ich habe mir jetzt nochmal das Portrait vom Braunen Filzröhrling angeschaut und der ist im Schnitt tatsächlich deutlich heller.
    Auf das Basismyzel habe ich auch nie wirklich geachtet, werde ich beim nächsten Kandidaten im Hinterkopf behalten. ;)

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

  • Hallo Pablo !


    Ich habe von sehr lange zeit in eine Website gelesen das NUR Ziegenlippe hat so charakteristische ende Spitzbasis , sieche Fotos
    https://www.123pilze.de/DreamHC/Download/lippziege3.jpg


    Ist diese Spitzende nur für Ziegenlippe charakteristisch (manchmal bei Ziegenlippe fehlt diese Spitzende aber in viele fälle gibt) oder war ich wieder bei nicht siechere Website ?


    LG beli !

  • Hallo Beli (und die anderen Röhrlingsinteressierten),


    Pablo ließ es schon anklingen: es gibt nicht "den Rotfußröhrling" oder "die Ziegenlippe". Die auf deutsch so benannten Pilze bilden jeweils einen Artenkreis von drei, vier, fünf oder sogar noch mehr Arten, die einzeln nur bestimmbar sind, wenn man eine aktuelle Literatur hat (also z. B. nicht "Pilze der Schweiz", die sind ja schon 35 Jahre alt, oder gar "MHK - Handbuch für Pilzfreunde"). Wenn die Filzröhrlinge jemals sequenziert werden sollten, wird möglicherweise wieder alles über den Haufen geworfen, Arten zusammengeschmissen, Artenkomplexe aufgetrennt, neue Arten benannt usw...


    Viel wichtiger als Farbe des Hutfilzes, aufgerissen-felderige Huthaut oder netzartige Rillen am Stiel, von denen Autoren älterer Pilzbücher geglaubt hatten, dass sie sich als Bestimmungsmerkmale eignen, sind Farbenspiel des Fleisches in allen Fruchtkörperteilen, Blauverhalten oder Sporenform. Genau darauf ist bei der Bestimmung zu schauen. Den mittig längs durchgeschnittenen Pilz zu sehen, ist viel wichtiger als der intakte Fruchtkörper. Eigentlich müsste man bei Filzröhrlings-Anfragen gar keine intakten Pilzfruchtkörper posten, dafür aber immer Schnittbilder.


    Wenn man einen Pilz als "Rotfußröhrling" oder "Ziegenlippe" ansieht, macht man ja eigentlich nichts falsch, nicht einmal dann, wenn man sie isst. Aber artgenau ist diese Bezeichnung nicht, etwa so wie die Bezeichnung "Steinpilz" oder "Reizker".


    Da bei Jans Anfrage kein Schnittbild dabei ist, kann eigentlich nur geraten werden. Es wird mit vermeintlichen Bestimmungsmerkmalen argumentiert, die aus aktueller Sicht unzuverlässig sind und in die Irre führen können. Dagegen sind bei Schupfnudels Anfrage Indizien sichtbar, die mich wie Pablo in Richtung Bereifter Rotfußröhrling (X. pruinatus) schubsen würden.


    FG
    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    Einmal editiert, zuletzt von Oehrling ()


  • Wenn man einen Pilz als "Rotfußröhrling" oder "Ziegenlippe" ansieht, macht man ja eigentlich nichts falsch, nicht einmal dann, wenn man sie isst. Aber artgenau ist diese Bezeichnung nicht, etwa so wie die Bezeichnung "Steinpilz" oder "Reizker".


    Ist es denn trotzdem möglich, den von mir gezeigten Pilz, einer der beiden Gruppen (Rotfüße oder Ziegenlippen) zuzuordnen? Wenn es sich bei den beiden "Arten" um Artengruppen handelt, muss der Pilz doch einer der beiden Gruppen zugehören. Welcher?


    Viele Grüße
    Jan

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend!


    Daß der in die Artengruppe um die Ziegenlippe gehört, kann man schon sagen, denke ich. :thumbup:


    Wenn du das Netz meinst, beli: Das könne tatsächlich alle Arten aus der Gruppe. Neben Xerocomus ferrugineus kannst du ja mal >hier< auch unter X. moravicus (gehört jetzt in die Gattung Aureoboletus!), unter X. chrysonemus und X. silwoodensis gucken.



    LG, Pablo.

  • Hallo Stephan und Pablo !


    Vielen dank für die Erklärung ! Ich habe festgestellt das viel aber wirklich viel mehr unsichere (falsche) Website als richtige hat .
    Ich muss wegen Ziegenlippe wieder in die schule gehen .


    LG beli !

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Beli!


    Ja, offenbar sind viele Website - Autoren nicht ganz auf dem aktuellen Stand, was die Gattung betrifft.
    Aber es ist im grunde wirklich nicht schwer: Vielleicht kann man nicht jeden Fruchtkörper immer zu 100% sicher bestimmen, aber meistens klappt es in der Gattung schon auch makroskopisch ganz gut.



    LG, Pablo.


  • Hallo zusammen,


    es würde mich sehr überraschen, wenn es sich bei beiden hier gezeigten Aufsammlungen um etwas anderes als Xerocomus subtomentosus handeln würde.


    Grüße, Jürgen