Pholiota oedipus = Meottomyces dissimulans

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    • Offizieller Beitrag

    Meottomyces dissimulans (Berk. & Broome) Vizzini
    Pappelblatt – Schüppling, Blätter - Scheinschüppling, Pappelblatt - Scheinschüppling
    Synonyme:
    - Agaricus dissimulans Berk. & Broome 1882
    - Agaricus oedipus Cooke 1885
    - Pholiota oedipus (Cooke) P.D. Orton
    - Hemipholiota oedipus (Cooke) Bon
    - Phaeogalera oedipus (Cooke) Romagn.
    - Pholiota dissimulans (Berk. & Broome) Sacc.
    - Phaeogalera dissimulans (Berk. & Broome) Holec
    - Phoiota ochroflavida (Malencon) Bon
    - Pholiota oedipus var. ochroflavida (Malencon) Esteve-Rav. & A. Ortega
    - Pholiota olivacea (Maire & Malencon) Bon
    - Pholiota oedipus var. olivacea (Maire & Malencon) Esteve-Rav. & A. Ortega



    Familie: Strophariaceae
    Ordnung: Agaricales
    Klasse: Agaricomycetes



    Hut: klein bis mittelgroß; jung konvex, bald verflachend, im Alter niedergedrückt und oft etwas wellig – verbogen; Hutmitte oft mit flachem, eher unauffälligem Buckel oder etwas niedergedrückt; jung mitweißlichem, faserigem oder flockigem Velum, das rasch vergänglich ist; Hutrand bei guter Durchfeuchtung gerieft; Hutoberfläche frisch und feucht klebrig bis schmierig, trocken matt; hygrophan; farblich ziemlich variabel: Dunkelbraun, graubraun, ockerbraun, gelbbraun, ockergelb; abtrocknend isabellfarben, blass gelbocker bis schmutzig cremefarben; Huthaut meist wenigstens in kleinen Teilchen abziehbar.
    Huthaut ohne Pileozystiden, Cutis aus liegenden Hyphen, feucht als Ixocutis ausgeprägt, Schnallen vorhanden.


    Stiel: Schlank, oft verbogen oder gekrümmt, Stielbasis oft gekniet und stark weißfilzig, am Substrat flach und breit ansitzend und dort besonders dick mit weißem Filz überzogen, der auf das Substrat (meist Blätter) ausläuft; Stieloberfläche weißlich längsfaserig, darunter ockerlich, ockerbraun oder gelbbraun; oft mit vergänglicher, faseriger Ringzone; Stielspitze weißlich bereift (durch Kaulozystiden)


    Lamellen: jung fast weiß, mit Reife mehr und mehr ockerbraun bis hell milchkaffebraun umfärbend; breit angewachsen oder kurz ausgebuchtet; Lamellen untermischt; Lamellenschneide deutlich und grob weiß beflockt; steril, Cheilozystiden unregelmäßig keulig, zylindrisch oder angedeutet moliniform; keine Chrysozystiden, Pleurozystiden fehlen.


    Fleisch: dünn, weich, brüchig, weißlich über cremefarben bis blass ockerlich; ohne spezifischen und konstanten Geruch


    Speisewert: kein Speisepilz


    Sporen: im Abwurf braun bis gelbbraun, eher hell, ohne Violett- oder Purpurtöne; Sporen glatt, unregelmäßig ellipsoid bis angedeutet bohnenförmig; ohne (bzw. mit sehr undeutlichem bis unsichtbarem) Keimporus; ca. 6,5-10,5 x 4,5-7


    Vorkommen: bildet vorwiegend im Winterhalbjahr Fruchtkörper, dann bei eher milder, +/- frostfreier und feuchter Witterung; häufig in Flussniederungen, in Gebieten mit Auwaldcharakter, benötigt ausreichende Bodenfeuchtigkeit und meidet trockene Böden. Saprobiont auf Laubstreu verschiedener Baumarten, meist Pappel, aber auch an Laub von Ahorn, Rotbuche, Weide usw zu finden, gelegentlich auch an vorjährigen, abgefallenen und in der Laubstreu eingebetteten Fruchtständen von Laubbäumen;
    In entsprechenden Habitaten in milden Wintermonaten recht regelmäßig anzutreffen, ansonsten selten.


    Verwechslungen: kleine braune Lamellenpilze mit dunklem Sporenpulver gibt es wie Sand am Meer.
    Neben weiteren Schüpplingsartigen (Pholiota s.l.) kann zB der Trompetenschnitzling (Tubaria furfuracea) recht ähnlich sehen, der aber zumeist mehr rotbraun durchfärbt ist. Insbesondere die Lamellenfarbe ist deutlich unterschiedlich.
    Einige Häublinge können ähnlich sehen, darunter der Gifthäubling (Galerina marginata), wenn dieser an kleineren Holzstückchen im Laub Fruchtkörper bildet. Allerdings hat der meist einen beständigeren, häutigen Ring. Moosbewohnende Arten wie der Zweisporige Mooshäubling (Galerina subclavata) sind meist kleiner und weisen ein etwas anderes Farbspektrum auf.
    Glockenschüpplinge wie der Frühlings – Glockenschüppling (Pholiotina aporos) haben einen völlig anders aufgebauten, häutigen und oberseits gerieften Ring (falls der nicht abgefallen ist) und meist auch eine andere Wuchsform (Stiel im verhältnis zur Hutbreite länger).
    Ackerlinge wie der voreilende Ackerling (Agrocybe praecox) oder der Leberbraune Ackerling (Agrocybe erebia) sind oft etwas kräftiger im Wuchs und haben eine völlig anders aufgebaute Huthaut (aus kugeligen Zellen, niemals abziehbar).
    Potentiell ähnliche Träuschlinge (Gattung: Stropharia), Kahlköpfe (Gattung: Psilocybe) und Schwefelköpfe (Gattung: Hypholoma) unterscheiden sich durch dunkleres Sporenpulver, das bei allen drei Gattungen meist auch einen Violett- oder Purpurton zeigt.
    Bei den Schüpplingen gibt es einige ähnliche Arten, die aber meist andere ökologische Ansprüche haben, und / oder deutlicheres Velum auf dem Hut, andere Wuchsformen und Farben sowie natürlich abweichende mikroskopische Merkmale.
    Als Beispiele wären unter anderem das Glattstielige Stockschwämmchen (Kuehneromyces lignicola) erwähnenswert, das eine Art des Berglandes mit eher winterkaltem Klima wäre und an Holz und Holzresten wächst. Mikroskopisch unter anderem durch die Sporen mit deutlichem Keimporus zu unterscheiden.
    Der Weiden- und Feuchtstellen – Schüppling (Pholiota conissans und Pholiota graminis) werden bisweilen als Synonyme betrachtet. Hier ist das Wachstum an Holz bzw. Grasresten eine Möglichkeit zur Unterscheidung, die wärmeren, mehr ins ockergelbe spielenden Farben und abweichende Mikromerkmale (zB vorhandene Pleurozystiden, als Chrysozytiden ausgebildet) sind ansonsten zur Bestimmung wichtig.
    Der Erlen – Schüppling (Pholiota alnicola) ist ein ziemlich lebhaft gelber Pilz, der in der Regel direkt an Holz wächst.
    Arten wie der Runzel – Schüppling (Pholiota mixta) und der Weißflockige Schüppling (Pholiota lubrica) sind meist etwas kräftiger und haben deutlicheres Hutvelum. Beide Arten haben Pleurozystiden.
    Eine potentiell ähnliche Art ohne Pleurozystiden wäre Pholiota funariophila (Brandmoos – Schüppling) mit total anderer Ökologie (bewohnt alte Brandstellen) und Sporen mit deutlichem Keimporus.


    Anmerkungen: Die Namensgebung / Taxonomie ist einigermaßen undurchsichtig und kontrovers. Salopp: Der Pilz spielt "Flipper" (flippert in Datenbanken und Literatur immer lustig zwischen verschiedenen Namen umher). So war Mycobank kürzlich von Meottomyces dissimulans wieder zu Pholiota oedipus umgeschwenkt, führt als aktuellen Namen nun aber Phaeogalera dissimulans. Mykis betrachtet momentan Pholiota oedipus als aktuell, die anderen Namen als Synonyme.
    Indexfungorum hält momentan an Meottomyces dissimulans fest.
    Agaricus dissimulans ist das ältere Basionym als Agaricus oedipus, hätte also in der Hinsicht Vorrang.
    Nachtrag: Die Synonymie und "current names" der Datenbanken sind ohnehin nur als Momentaufnahme zu verstehen, und müssen nicht die sinnvollste Einordnung wiedergeben. Da dort meist die aktuellste bekannte Publikation zugrunde gelegt wird, ändert sich das auch immer wieder mal (und sieht stand jetzt sicherlich acuh etwas anders aus als zum Zeitpunkt der Portraiterstellung).
    Siehe auch unten im Beitrag von Christoph ("Tricholomopsis"). :thumbup:



    Bilder:












    Links zu verwandten und ähnlichen Arten im Archiv:
    >Kuehneromyces lignicola = Glattstieliges Stockschwämmchen<
    >Pholiota mixta = Runzelschüppling<
    >Pholiota lubrica = Weißflockiger Schüppling<
    >Pholiota conissans = Weiden – Schüppling<
    >Pholiota funariophila = Brandmoos – Schüppling<
    >Pholiota highlandensis = Brandstellen – Schüppling<
    >Tubaria furfuracea = Trompetenschnitzling<
    >Galerina marginata = Gifthäubling<
    >Galerina subclavata = Zweisporiger Mooshäubling<
    >Agrocybe praecox = Voreilender Ackerling<
    >Pholiotina vestita = Behangener Glockenschüppling<
    >Psilocybe inquilinus = Feingeriefter Kahlkopf<

  • Hallo zusammen,


    auch wenn schön öfter hier gezeigt, für mich ein Erstfund. Daher gerne nochmal porträtiert.

    Nach starkem Regen gefunden in einem Auwald in der Nähe eines Bachlaufes gesellig wachsend auf Laubblättern. Bewusst wahrgenommen habe ich am Fundort Esche und Buche. Meine, dass der Pilz (obwohl auch auf anderem Laubstreu vorkommend) hier auch auf Pappelblättern und Eschenblättern wächst (siehe Bilder).


    Makroskopisch typisch die dunkelbraunen, ziemlich fettigen-schmierigen Hüte, von welchen sich die Huthaut nahezu gelatinös abziehen lässt. Bei jüngeren Fruchtkörpern deutliches Velum an den Huträndern (und Stiel). Hutränder deutlich und auffallend heller (cremefarben). Lamellen leicht ausgebuchtet bis gerade angewachsen, hell/gräulich und deutlich und auffallend bewimpert.


    Stielspitze mit weißen Flocken (Kaulozystiden).


    Direkt auffallend die Stielbasis und Anwachsstellen auf dem Blätterwerk, Stiel hier deutlich verbreitert, verdickt und breit/flach am Substrat angewachsen (vergleiche älteren Namen Pholiota ödipus = Geschwulst-Fuss)


    Geruch nur schwach wahrnehmbar, durch mich kaum einzuordnen, angenehm.



    Mikromerkmale:


    Auffallend in erster Linie die Vielzahl an keuligen bis kopfigen Cheilozystiden. Deutlich hervorstehend mit Schnallen an der Basis. Köpfe etwa 10µm breit.


    Basidien 4-sporig, Sporen variabel, nur wenige gemessen, daher ca.-Angaben: 9x5µm, glatt ... Keimporus maximal erahnbar (wird auch als "meist unsichtbar" bei Ludwig beschrieben), Sporenabwurf ausstehend.


    Kaulozystiden ähnlich den Cheilozystiden, Pileo- und Pleurozystiden fehlend. Schnallen in allen Teilen zu finden.


    Lamellentrama regulär, Huttrama wirkt auf mich annähernd "dryophilusartig" ...





    Beste Grüße

    Sebastian

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    sehr gelungenes Protrait. Ich hatte die Art bisher leider "nur" ein Mal.


    l.g.

    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Servus!


    Oh ja, super gemacht, tolle Dokumentation! :thumbup:

    Zu der Art hatte ich tatsächlich auch schon mal >ein Portrait< gebastelt, wenn du magst, Sebastian, kann ich deine Doku da mit dran hängen (also die Themen zusammenführen).



    Lg; Pablo.

  • Hallo Stefan, hallo Pablo ... lieben Dank für eure Rückmeldungen.


    Ja es scheint einiges an Voraussetzungen nötig, um die Art anzutreffen. Der Fundort spiegelt 1:1 die konkret beschriebenen Ansprüche.


    Dein Portrait, Pablo, ist ja wirklich toll. Mir gefällt insbesondere auch nochmals die ausführliche Darstellung der Namenshistorie samt aktuellem Diskurs und die Darstellung der Verwechslungspartner.

    Sehr gerne kannst du den Beitrag anhängen so du magst, wäre mir eine Ehre ...


    Beste Grüße Sebastian

  • Servus beinand,


    ja, ein wirklich schönes Portrait (auch der Startbeitrag). Zur Ökologie möchte ich anmekren, dass das mit der Thermophilie nur eingeschränkt stimmen dürfte. Hier in Oberbayern kommt Meottomyces dissimulans auch im Tertiärhügelland in bodenfeuchten Wäldern (ohne Auwaldcharakter) vor. Selbst am Nordwestrand der Münchner Schotterbene (Mammendorf) habe ich die Art finden können - dort ist es immer spätfrostgefährdet, eine Kaltluftsenke mit bodennah heftigen Frösten.


    In milden Wintern (das braucht die Art allerdings, so mein Eindruck) ist M. dissimulans weit verbreitet. Man kann fast gezielt bei Pappel plus Bodenfeuchte, leichte senke suchen und wird immer wieder fündig.


    Der Name Pholiota oedipus sollte ad acta gelegt werden (auch in Mykis). Pholiota wurde früher recht breit aufgefasst und war eine polyphyletische Großgattung. Mittlerweile wurde ja z. B. Flammula wieder abgegrenzt, "Pholiota astragalina" ist (was mich gar nicht überrascht) doch näher mit den Schwefelköpfen verwandt und eben "Pholiota" oedipus auch deutlich außerhalb von Pholiota. Und das Epitheton dissimulans ist das ältere, weshalb "oedipus" (unabhängig von Interpretationsfragen) hier nicht verwendet werden kann.

    Index Fungorum gibt zwar current names an, aber das ist hier keine valide Quelle (auch wenn es hier stimmt). MycoBank schreibt mittlerweile selber (ob index fungorum auch, weiß ich gerade nicht), dass die Auswahl eines current names nur ein Vorschlag sei, der nicht als Richtschnur gelten solle.


    Die Datenbanken sind unglaublich wichtig und wertvoll, aber eben keine Instanz, die entscheidet, welcher Synonymisierungen heterotypischer Taxa gut oder schlecht sind. Es wird angegeben, welche Namen gültig und welche ungültig sind und wie, wo und wann sie publiziert wurden, was der Typus ist. Aber "current name" ist nur ein Service, keine harte Faktenquelle.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Der Name Pholiota oedipus sollte ad acta gelegt werden (auch in Mykis). Pholiota wurde früher recht breit aufgefasst und war eine polyphyletische Großgattung. Mittlerweile wurde ja z. B. Flammula wieder abgegrenzt, "Pholiota astragalina" ist (was mich gar nicht überrascht) doch näher mit den Schwefelköpfen verwandt und eben "Pholiota" oedipus auch deutlich außerhalb von Pholiota. U

    Hallo Christoph

    Wenn Du Änderungsvorschläge für Mykis hast, kannst Du die jederzeit Frank Dämmrich Tomentella mitteilen. Frank macht regelmäßig Updates, die zweimal jährlich Ende Februar und Ende August auf Pilze Deutschland übernommen werden und ist .
    Meottomyces dissimulans ist bereits der gültige Name in Mykis ebenso werden einige Pholiota-Arten inzwischen unter Flammula geführt.

    LG Karl

  • Lieber Karl,


    ich weiß ;-). Ich habe auch schon beispielsweise bei Paxillus und Leccinum Vorschläge an Frank geschickt. Hier habe ich mich nur auf die Aussage weiter oben bezogen, dass die Art in Mykis als Pholiota oedipus läuft. Dann ist das eh nicht mehr aktuell. Hier wäre es auch nicht so wichtig, welcher Name verwendet wird, da für die Kartierung ja die allgemeine, eindeutige Zuordnung wichtig ist. Deshalb hatte ich auf das erste Portrait oben reagiert gehabt.


    Ich bin, wenn es um rein fachliche Dinge geht, immer gerne bereit, zu helfen oder Vorschläge zu machen (z. B. TaxRef-Liste), soweit es die Zeit zulässt. Wegen Paxillus und Leccinum habe ich schon Kontakt mit Frank aufgenommen gehabt.


    Liebe Grüße,

    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    MoinMoin!


    Ich habe oben im Text mal ein- zwei Details angepasst. Erstens zur Verbreitung (die "thermophilen Regionen" rausgenommen), und dann auch zur Taxonomie.

    Die "Pholiota oedipus" möchte ich schon gerne in den Synonymen stehen lassen (und auch im Titel), weil die Art vor allem in älterer Literatur oft unter dem Namen geführt ist und das damit auch bei vielen Pilzkundlern (nicht nur) älterer Jahrgänge die geläufigste Bezeichnung ist.
    Auch wenn das Taxon nicht uneingeschränkt anwendbar sein sollte: Die Art ist ja die Gleiche, und wer den eben vorwiegend unter Pholiota oedipus kennt, soll ihn hier auch unter diesem Namen finden können.



    LG; Pablo.