Die Situation in den christlichen Religionen war in den letzten Jahrhunderten oft eine ähnliche. Der Klerus pflegte über seine Schäfchen hinweg Messen auf Latein zu zelebrieren, die Beichte zu abzunehmen usw und damit seine Gemeinde auch einzuschüchtern (nicht verstehen- ausgeliefert sein ->Angst) und so gefügig zu machen. Zugespitzt lautet meineThese also: Fachsprache wird teilweise auch bewusst zur Distinktion (Abgrenzung) und zum Erhalt einer Machtposition bzw. von gesellschaftlichem Ansehen eingesetzt.
Ist das wirklich noch zeitgemäß? sind wir da nicht eigentlich schon weiter?
Ja natürlich sind wir weiter, denn:
Heutzutage muss sich
„der Laie“ zum Glück von niemandem mehr einschüchtern lassen,
weil er nicht lernen darf, weil er die Bibel nicht
lesen darf, weil er nicht übersetzen kann, was der
Arzt sagt - denn dafür gibt es eben jetzt zum Glück das Internet,
wo man wirklich alles nachschlagen kann. Er/Sie kann also eben
teilhaben, wann immer und wenn er/sie teilhaben möchte.
Ich habe das große
Latinum, verstehe aber längst nicht alles, was ein Arzt an
Fachchinesisch von sich gibt, aber dann frag ich halt nach und - weil
es jetzt ganz einfach möglich ist - ich google, was auf irgendeinem
Zettel steht, den mir der Arzt in die Hand drückt, wenn mir was
nicht klar ist.
Und ich finde genau
das zeitgemäß: Dass wir Dinge nachschlagen und uns damit
weiterbilden, und zwar, weil wir es können. Und zwar die allermeisten bei uns zulande, also eben jede(r), der irgendwie
ins Internet kommt. Niemand muss mehr viel Geld für den 24bändigen Brockhaus oder Meyer aufbringen, wie das früher der Fall war - und
wenn er das Geld für Nachschlagewerke nicht hatte, naja, dann eben
Pech für ihn.
Ich selbst wüsste
auch keine Herleitung des Wortes Thelephora, noch von Cantharellus
oder zig anderen Gattungsnamen. Ich muss sie mir also genauso
einprägen wie jemand, der außer vermutlich Englisch keine
Fremdsprache gelernt hat. Und ich weiß nicht, ob wirklich jemand
behaupten möchte, dass es leichter sei, sich: „Weisstieliger
Dünnwandzystiden-Risspilz“ einzuprägen als Inocybe albovelutipes
oder „Spitzpapillierter Höckerspor-Risspilz“ als Inocybe
acuta..... Meine Enkelin jedenfalls, die kein Latein auf der Schule lernt, würde über albovelutipes sicher erst
einmal stolpern, wie aber im übrigen über viele englische Wörter. Erst recht stolpern würde sie aber über Weisstieliger
Dünnwandzystiden-Risspilz. Ich werds ausprobieren....
Herzlich Ditte