Lieber Stefan, liebe Alle,
nein, so ist das natürlich gar nicht, dass die Analyse die Taxonomie ersetzt - keine Sorge!
Bei einer Analyse kommt ja erst einmal eine unverständliche Sequenz raus, der von einem Taxonomen ein Name verpasst werden muss. Und dieser Name wird natürlich aufgrund der Merkmale gegeben, die dieser Taxonom makroskopisch und mikroskopisch feststellt. Man sieht bei den im Netz vorhandenen Analysen von Inocybe, dass die Namen teilweise (wie es Bernd Oertel ausdrückt) wie mit der Streubüchse vergeben wurden. Da haben also identische Sequenzen beispielsweise drei oder mehr verschiedene Namen, weil verschiedene Taxonomen am Werk waren, die teilweise etwa Sammelartnamen vergaben etc.
Aber: beispielsweise im Fall von Inocybe, wo so viele Arten eingedampft wurden, ist die DNA-Analyse - und zwar großflächig - ein absolutes Muss, um zu sehen, wieviele der alten Arten tatsächlich wieder zu rehabilitieren sind - und überhaupt da Ordnung zu schaffen (zum Glück haben wir jetzt dafür den nötigen finanziellen Rahmen und Möglichkeiten zur Holotypanalyse aufgrund eines Projektes bekommen).
Auch da aber muss zuallererst der Taxonom beim Aufsammeln und der Untersuchung entscheiden, dass es sich bei der Kollektion etwa NICHT um die zigste fuscidula handelt, sondern um eine ihr sehr ähnliche andere Art, also beispielsweise brunneoatra (die mit fuscidula synonymisiert wurde). Das bedeutet, dass hier die Taxonomie zunächst einmal an allererster Stelle steht, dann erfolgt die Überprüfung durch die DNA-Analyse, die dann ergibt, dass es sich tatsächlich um eine von fuscidula verschiedene Art handelt. Und dann müssen, soweit möglich, die Holotypen an Land gezogen werden und, soweit erlaubt und möglich, von denen auch eine DNA-Analyse gemacht werden.
Aber der Taxonom muss zuerst entscheiden, ob sich eine bestimmte Analyse lohnt oder nicht. Also im Fall von deiner mixtilis etwa, Stefan, müsste ich aufgrund der Makro- und Mikromerkmale entscheiden, ob es eine ganz gewöhnliche mixtilis ist oder aber eine der beiden anderen Arten, die es noch gibt. Denn wir können natürlich nicht 100 mixtilisse analysieren lassen.
So wird das nach und nach vermutlich mit allen Gattungen gehandhabt - sobald die jeweiligen Gattungsspezialisten einen Geldgeber dafür finden und den zugehörigen DNA-Spezialisten und überhaupt die facilities.
Und wenn dann aufgrund der daraus resultierenden Ergebnisse jeweils gute Schlüssel gemacht werden, müsste eigentlich irgendwann mal jede Art auch ohne Analyse ermittelt werden können - wozu aber bei jeder Gattung natürlich auch schon Übung mit der jeweiligen Gattung gehört. ICH würde bei den buchstäblichen Haarspaltereien (also den Huthautgeschichten) bei Russula schier verzweifeln, und jemand, der von Inocybe wenig Ahnung hat, kann beispielsweise die Schlüsselfrage nicht beurteilen, ob nun die Reaktion mit KOH stark oder nicht stark ist, weil ihm die Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Usw.
Sorry für diese längeren Ausführungen - aber kürzer hab ichs leider nicht geschafft 
Herzlich,
Ditte