Peltigera spec.?

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 3.486 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Karl W.

  • Hallo liebe Flechtenspezis,


    in einem Auwald an abgestorbener Esche (wie ca 75% der dort meist noch stehenden aber teils bereits entrindeten Eschen) fand ich auf Sphagnum diese hübsche Hundsflechte in voller Blüte. Ich habe kaum Ahnung von Pilzen und gar keine von Flechten, die über Hustenpastillen aus Isländisch Moos hinausgeht.

    Weil sie gar so hübsch war und ich gerade ein Mikroskop geliehen bekommen habe musste sie natürlich einmal drunter. Auch im Kleinen war sie hübsch, nur habe ich keine Idee was ich da so gesehen habe. Vielleicht könnt ihr mir ja etwas mehr dazu erzählen? Ob es jetzt Peltigera praetextata oder hymenina oder ganz was anderes ist mir in diesem Fall auch gar nicht so wichtig.


    Außerdem habe ich ein paar konkrete Fragen:


    i) ich habe leider im Web nirgends Sporenbilder gefunden: die Maße von P. hymenia sollten sich im laut Laessoe um 47-70x3-5µm bewegen (also extrem lang und dünn) hat zufällig von euch jemand ein Bildchen davon oder kann mir gar sagen ob ich zufällig eins davon geschossen hab aber sie nicht erkannt habe?


    ii) Der Photobiont soll bei Peltigera Nostoc sein: davon fand ich reichlich Bilder im Netz. Kurzbeschrieben: Perlenkette. Problem: im Thallusschnitt gibt es zwar eine deutliche grüne Schicht mit den Photobionten, aber auch im Quetschpräparat habe ich keine Perlenketten finden können. Liegen die dort einfach "einzeln" vor oder ist der Photobiont in dem Fall doch was anderes (weil das gute Stück doch keine Peltigera ist??:/)


    Beschreibung:

    a) makroskopisch:

    blaugrau bis dunkel olivgrüner, blattartiger, stumpfer, an den Rändern hell bereifter Thallus mit rotbaunen Apothecien, unterseitig leinenfarbig, geadert mit langen dunklen gegabelten Rhizinien.








    b) mikroskopisch

    b1 Thallus: deutlich zu erkennen die Schicht mit den Photobionten





    Hyphen? mit Septen




    Photobionten herausgelöst (leider besitze ich nur ein 40er Objektiv ohne Messokular) Kann dass trotz fehlender Aggregation Nostoc sein oder ist das was anderes?




    b2 Apothecia


    Schnittbild:



    Zwei verschiedene Typen Zellen: lang & dünn bzw etwas dicker & nicht die Oberläche erreichend




    Hier dafür gefüllt mit allerei feinkörnigem Material




    mittig nach 1h zeigend: grobkörnig gefüllt




    sind das vielleicht Sporen? oder Asci mit den Sporen?




    Vielleicht könnt ihr ja etwas zu meiner Erhellung beitragen, ich würde mich sehr freuen!

    Wie gesagt es geht mir nicht um eine Bestimmung (sondern um etwas mehr Verständnis der Anatomie einer solchen Flechte)


    Vielen lieben Dank schon mal!

    Ogni

  • Hi


    Von Flechten verstehe ich nicht viel, aber ihre Apothezien sehen etwa gleich aus wie sonstige Apothezien.



    Damit sollten auch klar werden was du auf deinen darauf folgenden Bildern siehst. Asci und Paraphysen, zum Teil noch Sporen in den Asci, genau wie du vermutest.

  • Servus Ogni,


    die Photobionten, die du zeigst, sind Grünalgen. Nostoc müsste aber auch zu finden sein, es sei denn, du hast eine in der normalen Schicht Nostoc-freie Peltigera. In dem Fall müsstest du, um hier Nostiv zu finden, nach kleinen, schwarzen, sog. Cephalodien auf der Thallusober- oder -unterseite suchen und da reinmikroskopieren. Nostoc bildet schöne Perlketten und man erkennt keine Chlorplasten im Inneren der Zellen. Der Thallus deiner Peltigera sieht aber nicht sehr grün aus, weshalb mich wundert, dass nur Grünalgen im Schnitt zu sehen sind. Wenn der Thallus feucht ist, ist er dann auch so graulich oder deutlicher und satter grün?


    Und ja, dein Foto mit der Unterschrift "Hyphen?" zeigt septierte Hyphen. Die Asci wurden dir ja bereits erklärt - du hast sie in verschiedenen Altersstadien, von sehr jung (nur Öltröpfchen) bis bereits mit erkennbaren Sporen.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo Phil, danke für die Beschriftung! Ich war mir unsicher weil mein erster Asco unter dem Mikroskop eine Cibaria war und dort war es umgekehrt- alles voll mit Asci und die Paraphysen musste ich suchen. Hier waren gefühlte „Kilometer“ Oberfläche nur Paraphysen und sehr vereinzelt Asci. Aber vielleicht ist die Flechte gerade halt nicht so aktiv mit der Verbreitung beschäftigt.


    Servus Christoph, danke dir für deine Ausführungen! Die Farbe des Thallus ist auch feucht eher Richtung petrol denn grün. Ich werd also nochmal suchen. Am besten vermutlich in einem Zupf-quetsch Präparat, oder lassen sich die Perlenketten auch im Schnitt sehen?

    Viele Grüße Ogni

  • Hallo Ogni,


    schau dir mal die zahlreichen und vorzüglichen Peltigera-Mikrofotos von Dr. Ralf Wagner an:


    Peltigera – Flechten


    Er zeigt Aufnahmen von insgesamt 17 Peltigera-Arten, vier Arten mit Grünalgen in der Photobionten-Schicht (und Nostoc in externen Cephalodien) und 13 Arten mit Nostoc als einzigem Photobionten.


    Deine Thallusquerschnitte zeigen eine Peltigera mit Nostoc in der Photobiontenschicht. Anzumerken ist, dass man in Schildflechten nie so schöne Perlenketten bzw. Zellfäden findet wie bei „freilebenden“ Cyanobakterien der Gattung Nostoc. Dass die Zellen kettenartig miteinander verbunden sind, lässt sich beim „Zerrupfen“ der Photobionten-Schicht aber nachweisen, auch wenn es kaum gelingt, längere Fragmente zu isolieren. Die Ketten sind sehr fragil und zerfallen beim Präparieren größtenteils in einzelne Zellen, es sind aber immer auch einige mehrzellige Kettenbruchstücke im Präparat zu finden:


    Nostoc-Kettenfragment aus Peltigera rufescens


    Grünalgen (als Photobiont) möchte ich bei deinem Fund ausschließen, da die von dir fotografierten Schildflechten makroskopisch eindeutig und zweifelsfrei der Arten-Gruppe mit Nostoc (als alleinigem Photobionten) zuzurechnen sind.


    Die Fotos ermöglichen auch eine sichere Bestimmung der Art. Schaut man sich dein drittes Schildflechten-Foto in der maximalen Auflösung an, dann sind an den älteren Thallusabschnitten zahlreiche schuppige Auswüchse zu erkennen. Diese dienen der vegetativen Vermehrung, werden als Isidien bezeichnet und finden sich so nur bei Peltigera praetextata, eine zumindest in höheren Lagen noch verbreitete und nicht allzu seltene Art.


    LG Ingo

  • Servis Ingo,


    oh, das ist ja interessant. Ich habe bisher nur die reinen Nostoc-Glibberkolonien mikroskopiert - und da sehen die Nostoc-Ketten völlig anders aus, fast farblos (dafür mit schönen Heterocysten). Ich dachte auch, auf den Fotos an einer Stelle Chloroplasten gesehen zu haben. Dann ist das nur ein Unterschied in der Chlorophyllmenge, was man bei der Kette, die du rausvergrößerst zeigst, auch sieht - diese "grüne Klumpung". Dass Nostoc auch so stark durchgefärbt sein kann (als Zellen), war mir nicht klar. So lernt man dazu, cool.


    Das heißt, ich muss unbedingt mal ein paar Peltigeras selber mikroskopieren und mir das mal anschauen.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Servus Ingo!

    (es fühlt sich komisch an das zu schreiben, bei mir in Süddeutschland gibts keine Ingos, zumindest hab ich in meinem Leben erst einen getroffen.. aber das Pilzforum ist voll davon, crazy, manchmal bekomm ich da Gefühle der Vorhersehung.. dass ich hier gelandet bin)

    Na jedenfalls danke für deine Erklärungen und den Link! Ich habe letztens nochmal 2h mikrsokopiert aber leider keine einzige Perlenkette gefunden. Weder im Schnitt noch im Quetsch, mehrzellige bis so 3-4 ja, aber auch nicht so schön wie du das dokumentiert hast. Hab schon vermutet dass ich irgendetwas falsch mache. Auf die Isidien werde ich nochmal achten wenn ich wieder dort vorbeikomme, was zur Wabenkopfzeit sicher mal passieren könnte

    Ps: als Höhenlage kann man den Fundort mit 310mÜnN nicht bezeichnen umso mehr freut mich der Fund dann.
    Viele liebe Grüße Ogni (Ingo)

  • Das heißt, ich muss unbedingt mal ein paar Peltigeras selber mikroskopieren und mir das mal anschauen.

    Das habe ich mir nach der schönen Vorstellung und den Zusatzinformationen auch gedacht :). Da fiel mir doch ein, das ich am Rand meines Steingartens eine Peltigera gesehen und bisher ignoriert hatte. Hier also meine erste Flechtenuntersuchung.







    Kann man bestimmt noch dünner schneiden aber aller Anfang ist schwer




    Das man dazu Nostoc sagt wusste ich vorgestern noch nicht





    Hier erkennt man schlanke, septierte Sporen






    Dann habe ich sogar freie Sporen gefunden :)


    und spaßeshalber mal in Melzer geschaut. Bring zwar keinen großen Erkenntnisgewinn zur Bestimmung aber sieht interessant aus.





    Die Septen der Sporen sieht man immerhin etwas besser und den Apikalapparat muss ich mir nochmal genauer ansehen




    na dann auch noch Kongorot




    Erstaunlicherweise sieht man bei freien Sporen teilweise kaum noch Septen und 1000fach in Öl hab ich nicht mehr probiert.


    Als blutiger Flechen-Laie bin ich natürlich von einer Bestimmung noch entfernt. Die Sporenlänge bis über 75 mµ scheint aber gegen Peltigera praetextata zu sprechen.
    Peltigera didactyla ist mein momentaner Arbeitsname.

    LG Karl

  • Hallo Karl,

    mal in Melzer geschaut. Bring zwar keinen großen Erkenntnisgewinn zur Bestimmung „

    >> sieht aber sowas von stark aus!!

    :cool:  

    Freie Sporen konnte ich leider keine finden, vor den deinen habe ich aber Angst, sie erinnern mich eher an irgendwelche tropischen Parasiten...

    VG Ogni


  • Peltigera didactyla ist mein momentaner Arbeitsname.

    Hallo Karl,


    mit Peltigera didactyla liegst Du richtig. Es ist eine ausgesprochene Pionierart, die sich nahezu überall einstellen kann, wo offene Böden entstehen. Ob Sand oder Lehm ist dabei unerheblich und die Böden dürfen auch etwas nährstoffreicher sein. Allerdings verschwindet P. didactyla auch schnell wieder, wenn sich die Vegetationsdecke durch das Aufwachsen von Pflanzen und Moosen wieder schließt.


    Langlebiger ist Peltigera rufescens, die in naturnahen Gärten auch des Öfteren auftritt und die sich in kurzrasigen, nährstoffarmen Rasenflächen bei trocken-warmer Lage auch dauerhaft etablieren kann.


    Peltigera didactyla und P. rufescens sind die beiden häufigsten Arten in Deutschland. Nährstoffarme Rasenflächen in Gärten, Parks und auf Friedhöfen können aber auch große Bestände von in der Natur bereits sehr seltenen Schildflechten beherbergen.


    Auf den alten Rasenflächen des Senne-Friedhofs bei Bielefeld findet man beispielsweise noch ein sehr großes Vorkommen von Peltigera canina, während mir die Art aus der näheren und weiteren Umgebung nicht bekannt ist, insbesondere auch nicht aus den hiesigen Naturschutzgebieten.


    Peltigera canina


    LG Ingo

  • mit Peltigera didactyla liegst Du richtig.

    Hallo Ingo,

    vielen Dank für Deine Bestätigung. Peltigera didactyla und P. rufescens sind in der Nähe meines Wohnortes kartiert, wie ich inzwischen nachgesehen habe. P. rufescens soll es im Depot geben und die habe ich wahrscheinlich schon gesehen. Bei meinem nächsten Besuch nehme ich mal Material mit, da mein Interesse jetzt geweckt ist. :)

    LG Karl