Problempilz (Clitocybe?)

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 2.350 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Matthias.

  • Servus beinand,


    die folgende Aufsammlung von der Schwäbischen Alb (magere Wiese bei Kiefer, Eiche und Hainbuche auf Kalk) kriege ich nicht geknackt :/

    foto-037.JPG


    foto-038.JPG


    Meine Intuition und der Gattungsschlüssel von Gröger lassen befürchten, dass es sich um eine Clitocybe handeln könnte, was in Sachen Bestimmbarkeit sicher keine allzu gute Nachricht wäre.

    Doch dank einiger auffälliger Merkmale habe ich doch die Hoffnung, dass jemand aus dem Forum diese Schwammerln erkennt. Vielleicht habe ich ja was ganz Banales übersehen.


    Zur taxonomischen Fahndung ausgeschrieben ist also ein trichterlingsähnlicher Pilz mit deutlichem Chlorgeruch. Weitere auffallende Merkmale: schmieriger Hut (Ixocutis), irregulär längsfurchiger, hohler Stiel und sehr schlanke, subzylindrische inamyloide Sporen (6,9 x 3,1 µm, Q=2,25!).


    Hier ein Link zur kompletten Dokumentation mit Mikrofotos.


    Beste Grüße

    Hias

  • Hallo Hias,

    ich könnte mir vorstellen, dass es sich um Clitocybe amarescens var. nitrophila handelt. Das Taxon wurde zuerst als Clitocybe nitrophila [Bon, Documents Mycologiques 9 (33): 43 (1979)] beschrieben. Enrique Rubio stellt hier eine Kollektion von C. amarescens (sieht Deiner makroskopisch ähnlich) einer Kollektion von "C. nitrophila" gegenüber. Die mikroskopischen Merkmale letzterer Kollektion passen meines Erachtens sehr gut zu Deiner. Der Standort ist auch stimmig. Der Geruch scheint variabel (siehe Ludwig 2012), jedoch wurde Chlorgeruch wohl noch nicht beobachtet. Die Originalbeschreibung habe ich leider nicht parat.

    LG,

    Alexander

  • Hallo,

    Mit Geruchsbeschreibungen ist das sowieso so eine Sache.

    Wer weiss schon, wie Chlor riecht ?

    Gruß

    Norbert

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    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

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  • Für den könnte man dann auch Stickstoffmonoxid hernehmen, manche sagen auch einfach "nitrös"

    Gefällt mir auch besser.

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    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110

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  • Hallo zusammen


    Standort, Sporen und Aussehen passen recht gut zu Clitocybe amarescens var. nitrophila.

    Die Original-Beschreibung gibt es übrigens hier in Fascicule 35 auf Seite 43.


    Zwei Sachen stören mich aber:

    - Sowohl in der Original-Beschreibung als auch bei Ludwig wird der Hut als stark hygrophan beschrieben, die gezeigte Kollektion soll aber nicht hygrophan sein.

    - Chlor-Geruch wird tatsächlich nirgends erwähnt, und im Schwimmbad war wohl wirklich jeder schon einmal.

    Bon beschrieb den Geruch als seifig/pilzig, Ludwig erwähnt ein paar andere Gerüche.


    Wenn nur der Geruch abweichen würde, könnte ich mich damit abfinden. Aber der nicht hygrophane Hut passt so gar nicht.


    Hier eine Kollektion, die ich letztes Jahr als Clitocybe amarescens var. nitrophila bestimmt habe.

    Man sieht rechts sehr gut, wie die Hüte bis cremeweiss ausblassen:




    Gruss Raphael

  • Nochmal hallo,


    vielleicht kann ich ja noch was nützliches beitragen.

    Clitocybe amarescens wurde im Forum letztes Jahr diskutiert.

    Da war dieses Dokument hier im Umlauf:

    https://www.pilzforum.eu/attac…nitrophile-trichterl-pdf/


    Interessant ist die Gegenüberstellung auf Seite 21.

    Da gibt es sogar eine Art mit nitrösem (Bei-)Geruch und sehr langen Sporen, nämlich Clitocybe harmajae.

    Die soll zwar nur alpin vorkommen, das muss aber nichts heissen. Magerwiese würde nicht schlecht passen.

    Die Original-Beschreibung gibt es hier: 1972_travaux_scientifiques_tome_ii.pdf


    Bleibt noch das Problem mit dem nicht hygrophanen Hut. Wie sicher ist das? Lag die Kollektion zu Hause lange genug herum, um das verlässlich zu beobachten?


    Dann noch etwas: Hast du die Basidien auf siderophile Granulation geprüft?

    Sporen und Geruch sind zwar untypisch für Lyophyllum und ich denke auch eher an Clitocybe, aber so könnte man das sicher ausschliessen.


    Gruss Raphael

  • Hallo Harald,

    Nein , Chlor ist fast geruchslos , brennt nur in den Atemwegen.

    Schwimmbadgeruch kommt von Trichloramin , das entsteht aus Chlor und Harnstoff.

    Und der Harnstoff kommt vom menschlichen Schweiß und von denen , die ins Wasser pieseln.

    Gruß

    Norbert

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    -15 für APR 2022 = 110

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  • Servus beinand,


    vielen Dank für eure Antworten und die nützlichen Links zu Literatur!


    Der Hinweis von Raphael auf die in der Synonymie zu C. amarescens verschollene C. harmajae, die Peter Specht in der ZMykol ans Licht gebracht hat, ist wahrscheinlich ein Volltreffer!

    Der Schwimmbad-Geruch in Verbindung mit den schlanken, in Seitenansicht etwas asymetrisch geformten Sporen (die Zeichnung von Lamoure zeigt exakt die Sporenform meiner Kollektion!) deutet sehr auf diese Art hin. In meinen Notizen hatte ich mir vermerkt, dass die Pilze nicht nur so riechen wie Entoloma nidorosum, sondern auch so aussehen, abgesehen vom größeren Braunanteil in den Hutfarben. Ich kann zwar leider kein Französisch, aber mit etwas Italienisch und einem französischen Wörterbuch bewaffnet habe ich mir die Originalbeschreibung von C. harmajae durchgelesen. Die Hutoberfläche beschreibt Lamoure als einfarbig graubraun und feucht-fettig, was gut passt. Von einer Ixocutis schreibt er zwar nichts, er hat aber offenbar auch nur einen Skalpschnitt angeschaut.


    Bei der Beschreibung der Hygrophaneität neige ich zugegebenermaßen zum Schlampen. Die Pilzhüte, die zum Aussporen auslagen, haben sich aber sicher nicht völlig entfärbt, sonst hätte ich das schon vermerkt. Lamoure bezeichnet seinen Pilz zwar als hygrophan, schreibt aber - soweit ich das verstehen kann - auch nichts davon, dass sie nach cremeweiß entfärben, wie das zum Beispiel bei C. nitrophila der Fall ist. Leicht abweichend sind auch die völlig ungestreiften Hüte, Lamoure gibt 3-4 mm am Hutrand an.


    Eben die schwache oder gar fehlende Hygrophaneität und der magere Standort sprechen wohl gegen eine Bestimmung als C. nitrophila. Die Kollektionen von Rubio, die Alexander verlinkt hat, sind schon auch interessant, bei seiner C. amarescens ist die Makroskopie recht ähnlich, bei seiner C. nitrophila die Mikroskopie.


    Vorläufig werde ich die Kollektion mal als C. cf. harmajae ablegen und hoffe, dass sich irgendwann mal ein paar Mykologen dazu aufraffen, die Typen der Gattung zu sequenzieren, wie das die Cortinariologen bei Telamonia vorgemacht haben.


    Die siderohile Granulation habe ich übrigens nicht getestet, aber immerhin die Gattungen Tephrocybe und Lyophyllum ergebnislos durchgeschlüsselt (Gröger 2006).


    Beste Grüße

    Hias