Fundbericht aus der Kiefernheide, Teil 2

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 2.461 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Karl W.

  • Hallo zusammen,


    hier kommt der zweite Teil meines Fundberichts aus dem Leindorfer Wald. Er ist ein bisschen "mykologischer" als Teil 1, doch keine Angst. Es dreht sich um die problematische Sektion der Weißbraunen Ritterlinge.


    Nun zu den aktuellen Funden. Am gestrigen Dienstag waren fünf Arten der Weißbraunen Sektion klar unterscheidbar, dazu noch die durch einen wattigen Stielring sehr gut gekennzeichnete Art Tricholoma focale (Halsbandritterling).


    Die erste Art können wir gleich ad acta legen, an der ist nichts problematisch: Tricholoma imbricatum (mit Guajak innerhalb der ersten 30 Minuten völlig negativ, feinschuppig-filzige, niemals schmierige Huthaut):


    Ebenso der Halsbandritterling (neben dem vorhandenen Stielring sind die auf dem Hut meist vorhandenen orangen bis olivgrünen Stellen typisch; stark Guajak-positiv, Blaufärbung nach wenigen Sekunden):


    Doch jetzt die schwierigen Fälle. Gestern fand ich extrem typisch aussehende Tricholoma pessundatum (schmierig glatte Huthaut, nicht striat oder schuppig, Hutfarbe ein eigentümliches blasses Kupferrot, ziemlich reinweißer, oft seidig glänzender, glatter Stiel, erst ganz spät schwach braunfleckig werdend, Guajak-positiv, Verfärbung setzt nach ca. 10 Sekunden ein und erreicht nach 30 Sek. ein ansehnliches Blau). Sogar die konzentrischen Huttropfen waren vorhanden. An denen ist schwierig, als dass sie in FNE4 mit dem Pappelritterling (T. populinum) synonymisiert, also in den gleichen Arttopf geworfen werden:


    Direkt neben diesen kamen folgende Exemplare, ebenfalls Guajak-positiv wie die oberen. Man beachte, dass die Hutfarbe nicht ganz übereinstimmt, außerdem haben diese am Hutrand dunkelbraune kerbenartige Erhebungen (nicht wirklich Kerben). Beides scheint zur Variationsbreite von T. pessundatum zu gehören. Beim Pappelritterling habe ich nie dergleichen gesehen.
    Edit: Irrlicht plädiert für diesen Kandidaten auf Tricholoma stans statt T. pessundatum. Ich schließe mich dieser Meinung an.


    Im Feld oftmals fehlinterpretiert wurde Tricholoma stans. Bei dieser Art handelt es sich um einen stattlichen Pilz (Hutbreite bei ausgewachsenen Exemplaren bis 15 cm) mit porphyrbrauner Farbe (nicht direkt lilabraun, aber das geht farblich in diese Richtung), deutlich striater Huthaut, allmählichem Braun-Weiß-Übergang am Stiel ohne Pseudoringzone und nur schwacher Guajak-Reaktion (etwa nach 1 bis 2 Minuten ist ein leichter Anflug von Blau zu sehen).
    Verwechselt wurde dieser seltene Pilz mit Tricholoma albobrunneum, einem sehr schmächtigen Ritterling, dem kleinsten in der Weißbraunen Sektion, der aber sonst in allen optischen Merkmalen T. stans gleicht, was wohl zu den häufigen Fehlinterpretationen geführt hat. Erwähnenswert ist noch, dass T. albobrunneum stark bitter schmeckt, am Stiel und an den Lamellen schnell braunfleckig wird und auch nur schwach Guajak-Positiv ist. Die Autoren haben das stans/albobrunneum-Problem mMn sehr gut gelöst, indem sie daraus zwei Arten machten.
    Auf dem folgenden Foto sieht man rechts die T.-stans-Kawenzmänner und links die Mini-Ausgaben davon, die T. albobrunneum.


    Zum Schluss zu Ingos und meinen Lieblingen. In FNE4 werden diese Pilze mit Tricholoma batschii/fracticum, einen unter Kiefern auf Kalkboden wachsenden, oft am Rand von Saftlingswiesen über kalkigem Lehmboden zu findenden Weißbraunen, synonymisiert. T. batschii hat im Gegensatz zu den vorher gezeigten Arten eine Pseudoringzone am Stiel, also einen abrupten Übergang von braun zu weiß, an dem üblicherweise ein zartes braunes Häutchen hängt. Daher der deutsche Name "Fastberingter Ritterling".
    Diese im Leindorfer Wald gefundenen Pilze haben zwar ebenfalls einen abrupten Braun-Weiß-Übergang, aber kein Häutchen. Sie unterscheiden sich außerdem durch die Hutfarbe (T. batschii maronenbraun - etwa wie der Maronenröhrling, diese hier dagegen mit einem helleren, ins Orange gehenden Ziegelbraunrot) und durch die krass abweichende Fundortökologie, nämlich den sauren, nährstoffarmen Sandboden. Ingo und ich kennen die Art als Tricholoma striatum und halten sie für etwas Anderes als T. batschii.


    Zunächst mal eine Kollektion. Kollektion bedeutet, diese Pilze sind alle hexenringartig nebeneinander gewachsen, so dass man davon ausgehen kann, dass alles dieselbe Art ist.


    Man sieht hier auch gleich die Probleme: bei nicht allen Exemplaren ist ein abrupter Braun-Weiß-Übergang vorhanden. Er ist mal mehr, mal weniger deutlich.
    Auch am gleichen Pilz ist das nicht einheitlich. Hier ein Exemplar von vorne, mit einem geradezu vorschriftsmäßigem Braun-Weiß-Übergang:


    Doch ach, derselbe Pilz um 90 Grad gedreht - schon sieht das gar nicht mehr vorschriftsmäßig aus:


    Nie aber ist ein braunes abstehendes Pseudoringhäutchen wie bei T. batschii zu sehen. Abschließend noch die Kurzbeschreibung: Pilz ziemlich groß (Hutbreite bis etwa 12 cm), Huthaut schmierig, schnell abtrocknend, hell mahagonibraun bis orangeziegelbraun, striat, abrupter Braun-Weiß-Übergang am Stiel ohne Pseudoringhäutchen, schwach Guajak-positiv (nach ca. 1 bis 2 Minuten entwickelt sich ein schwaches Blau).


    So, der Input ist da - Feuer frei für die Diskussion.
    Damit ihr wisst, warum wir uns überhaupt über Weißbraune Ritterlinge den Kopf zerbrechen, empfehle ich, zunächst diese Geschichte zu lesen. Glaubt mir, sie ist spannend und lehrreich. Manche kennen sie ja vielleicht auch schon, sie ist ja nun schon 60 Jahre alt.


    FG
    Oehrling

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  • Ohhhhh, welch ein Augenschmaus...


    Aber zur Sache!


    Die ersten T. pessundatum sind typisch und zweifelsohne so anszusprechen.


    Die darauffolgende Kollektion ist m.E. mitnichten T. pessundatum ! Keine Tropfen? und diese Rippen!
    Das sieht doch aus wie T. stans sensu FNE4?! Die ich leider nie finde... falls der Hut nicht oder kaum striat war.


    Meine T. pessundatum Populationen zeigen niemals auch nur ansatzweise gerippte Ränder, auch habe ich das nie in Skandinavien
    beobachtet, wo die Art sehr häufig sein kann,


    zu T. albobrunneum kannich nur sagen, dass es ja sein kann, dass die Art stark in der Größe variiert? So erlebe ich sie zumindest
    Weil ihr oft ein kleiner Wuchs angedichtet wird... kommt es evtl zu Konfusionen?


    Insofern sind die kleinen für mich T. albobrunneum und von den beiden Großen sieht man zu wenig... sehen den "Tricholoma batschii/fracticum" etwas ähnlich :P


    Aber herrlich! weiter so mit der Ritterlingsforschung!
    VG
    Konrad

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Stephan!


    Wow, ein Super - Beitrag, den ich mir gleich mal "merkzetteln" muss. :thumbup:

    Tolle Dokumentation von Tricholoma striatum, so kann man sich schon gut vorstellen, daß das etwas Eigenes ist.
    Neben Tricholoma albobrunneum erkennt Ingo ja auch noch eine "Tricholoma pini", den Artikel kennst du sicher auch. Trennst du die beiden, pini und albobrunneum?
    Oder verwendest du albobrunneum im Sinne eben dieser pini und nicht im Sinne von FNE4? Weil die "Mini - stans" kommt mir auch sehr bekannt vor, eben mit fein radialstreifiger, aber klebriger Hutoberfläche. Nur kenne ich die eben mit eher schwach bitterem geschmack, daneben noch einen Pilz mit noch deutlicher gestreifter Hutoberfläche, ebenfalls klein, nie mit geripptem Hutrand, immer trockener (nie klebriger oder gar schleimiger Hutoberfläche) und explosivem Geschmacksumschlag von mehlgurkig nach ganz bös bitter nach wenigen Sekunden kauen.


    Bemerkenswert finde ich dein zweites Bild von Tricholoma pessundatum. Also das mit den deutlich gerippten Huträndern. ich meine da auch etwas andere farbnuancen wahrzunehmen, aber das mag an Bildbelichtung / meinem Monitor liegen. Jedenfalls muss ich da doch dringend mein Verständnis von Tricholoma stans überarbeiten. ;)


    Egal wie, das ist eine ganz tolle Serie, die mir in etlichen Punkten wichtige und neue Ideen und Erkenntnisse liefert.
    Mehr dazu, wenn ich dann in den nächsten Wochen auch mal dazu komme, die Mannheimer Braunen vorzustellen (oha, ist nicht so gemeint, wie es klingt).



    LG; Pablo.

  • @Pablo
    nenn sie doch Mannheimer Weiß-Braune! :cool:
    T. pini kenne ich nicht, könntest du kurz beschreiben, was das sein soll?


    Irrlicht
    hast mich überzeugt. "Pessundatum Nr. 2" ist nicht pessundatum, sondern stans. Ich werde es gleich editieren.
    FG
    Oehrling

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Stephan!


    Ich meinte den Pilz aus Ingos Artikel im Tintling 4/2014. :)

    Ist eine sehr interessante Theorie, die ich da gelesen habe.


    Gut, wenn der zwote pessundatum jetzt doch eine stanz ist, dann darf mein Artkonzept wohl vorerst noch so bleiben.



    LG; Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Stephan,


    ganz großes Kino. :thumbup: Ich klinke mich gerne in die Diskussion mit ein, denn die Braunen haben es mir besonders angetan. Ich hab da nämlich auch noch Problemchen mit der mit der Artauslegung. Ich hab auf 10 Quadratmetern in meinem Märchenwald 3 Arten der "kritischen" Kiefernritterlinge gefunden. Verlgeichsfotos stelle ich nächst Woche ein. Ich hoffe da auch auf spannende Diskussionen.


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo Stephan,


    wat für'n Augenschmaus! :thumbup:


    Ich muss an dieser Stelle erst einmal nachfragen, ob du die besagten Tintlingsartikel zum Thema kennst? Im Augustheft 2014 ging es um die striate Gruppe und im Augustheft dieses Jahres um die glatthütige. Falls nicht - PN an mich!


    Insofern zeigst du hier meiner Ansicht nach recht eindeutige Funde. Die ersten beiden "drücken wir einstweilen in den Skat".
    Bild drei zeigt ziemlich eindeutig T. pessundatum. Mit Pappelritterlingen gibt es da nichts zu synonymisieren. Ich bin gespannt, wie die geschmeckt haben.
    Das nächste Bild zeigt (so was von sonnenklar) T. stans. Neben den Furchen am Hutrand ist ein weiteres eindeutiges Bestimmungsmerkmal zu erkennen. Die Huthaut macht sich gerne, nach Berührung, fetzenweise auf und davon. Auch hier würde mich interessieren, wie der Geschmack war.


    Das Vergleichsbild zwischen T. albobrunneum (klein - links) und T. stans (groß - rechts) hatte ich so ähnlich schon mal vor ein paar Jahren anderswo gebracht. Von den Proportionen her sind die schon verblüffend ähnlich. Und ja - Pablo hat das richtig verstanden. Für den kleinen striaten Bitterling hatte ich als Arbeitsnamen T. pini vorgeschlagen. Hauptsächlich, weil die Beschreibung von Persoon zu einer anderen, vermutlich, sehr seltenen Art passt.
    < Konrad: ich meine, wir hatten uns schon einmal darüber ausgetauscht, dass die T. albobrtunneum in deinem Gebiet noch etwas anderes sein sollten, da auch etwas größer und nicht bitter.>


    Zu den fastberingten Arten:
    Mit den Hutfarben wirst du wohl nicht weiter kommen. Ich kenne Bilder von typischen T. batschii, die sehen von oben genau so aus wie deine. Also eher kupferbraun. Andererseits hattest du vor einigen Jahren solche aus den sauren Gebieten gezeigt, die kastanienbraune, fast striate Hüte hatten und etwas kleiner gewachsen.
    Ob das mit den Ringzonen konstante Merkmale sind, vermag ich mangels eigener Funden nicht einzuschätzen. Ich weiss nur, dass bei T. batschii, bei trockener Witterung, die Pseudoringzone ziemlich flüchtig sein soll.
    Aber du kannst ja mal einen von diesem Fund trocken legen. Viellecht gibt es ja eine Gelegenheit zur Sequenzierung.


    Bis später würde ich mal sagen - Ingo