Hallo Carolin,
auch von mir ein herzliches Willkommen in der Täublingsbestimmungshölle. Momentan fehlt dir noch die zielgerichete Vorgehensmethodik - die lässt sich freilich erlernen., z. B. auf einem Täublingsbestimmungseminar, welche von verschiedenen Pilzschulen angeboten wird. Bevor du diese draufhast, bringt es vermutlich mehr, erstmal nur die Makro- und Mikromerkmale sauber zu erheben und diese zusammen mit guten, aussagekräftigen Fotos hier einzustellen. Leuten wie Thiemo, Corinne oder mir wird dann schon was zu deinem Pilz einfallen. Das geht aber nur, wenn die Merkmale sauber erhoben sind und nichts dazugedichtet oder weggelassen wurde. In diesem Fall verwirrt mich persönlich die Fülle deiner Merkmalsangaben mehr als dass sie Licht in die Sache bringt, zumal du auch auf (pardon) veraltete Literatur zurückgreifst. Leider ist gute Täublingsliteratur schwer erhältlich und auch sehr teuer. Am erschwinglichsten dürfte momentan Band 1 der Reihe "Mushrooms and Toadstools of Britain and Europe" von Kibby sein, da sind fast 50 Seiten Russula (gut 100 Täublingsarten) mit bombenguten Abbildungen drin. Mit PdS kannst du mMn Täublinge nicht gut bestimmen, weshalb ich mir dieses Werk auch nie angeschafft habe.
Das Bestimmungsprogramm für Täublinge lässt sich in etwa so beschreiben:
1) Am Fundort die herumstehenden Bäume notieren - für die Bestimmung sind Baumpartner extrem wichtig! Täublinge haben oft ihr ganz spezielles Habitat
2) direkt nach dem Aufnehmen am Pilz riechen - von unten über den Stiel in die Lamellen hinein, da riecht es am stärksten
3) sofort nach dem Nachhausekommen einen Sporenabwurf nehmen - Hut abbrechen und mit der Lamellenseite auf eine Glasplatte legen (sehr wichtig: das Glas darf nicht gefärbt sein!!), das ganze mit einer Haube abdecken, z. B. einen Quark- oder Joghurtbecher, dann ca. 5 Stunden warten
4) in der Zwischenzeit an einem anderen Fundexemplar die Geschmacksprobe nehmen, am besten an einer Lamelle, die schmeckt am stärksten
5) am abgebrochenen Stiel die Chemietests vornehmen: die wichtigste Chemikalie ist Eisensulfat, da dich diese Probe in bestimmte Sektionen leiten kann; weniger wichtig, da man das erst anwendet, wenn man bereits in der richtigen Sektion ist, sind Ammoniak, KOH und Phenol; sehr überschätzt ist Guajak, das nimmt man nur, wenn man schon dahin gekommen ist, sich zwischen zwei Arten entscheiden zu müssen, außerdem stinkt Guajak ziemlich stark und ruiniert jede weitere Geruchserhebung; von solchen Sachen wie Anilin lässt der Anfänger besser die Finger, dessen Giftigkeit verbietet eine Anwendung "auf Verdacht"
6) da du ein Mikroskop hast, kommt jetzt die mikroskopische Untersuchung der Huthaut - wie das geht, wird dir auf dem Bestimmungsseminar beigebracht, über das Forum geht das nicht gut, das sprengt jeden Raum - grob gesprochen musst du herausfinden, aus welchen Elementen die Huthaut besteht; diese Elemente zu erkennen und zu interpretieren ist das Schwierigste an der Täublingsbestimmung
7) nun ist es an der Zeit, das ausgefallene Sporenpulver zu einem Häufchen zusammenzukratzen (Rasierklinge!) und die Farbe zu interpretieren, dazu braucht man eine gängige, allgemein bekannte Farbtafel, wie z. B. den ROMAGNESI-Code; Die Verwendung einer anderen Farbtafel erschwert die Kommunikation erheblich, da angegebene Codekennzahlen von anderen Bestimmern oft nicht interpretiert werden können; dagegen kennt jeder Russologe den ROMAGNESI-Code
8) vom daliegenden Sporenpulver etwas wegnehmen und mit Melzers Reagenz mikroskopieren; wichtig sind Sporengröße und Art des Ornaments
9) den Täubling über Nacht liegenlassen und am nächsten Morgen anschauen und dran riechen; manche Gerüche entwickeln sich erst über Nacht, ebenso Verfärbungen des Fleisches; in seltenen Fällen bekommt sogar der Hut eine andere Farbe; so manches am Fundtag ungelöste Rätsel konnte am Folgetag mit den neuen Informationen quasi von selbst gelöst werden.
...wie gesagt Bestimmungshölle und nichts für mal eben so.
FG
Oehrling