Hallo Tim,
die Frage hatte ich mal dem DGfM-Toxikologen gestellt und seine Antwort so verstanden:
Es gibt in Deutschland sehr wenige Vergiftungsfälle, wo selbst privat herbeigeführtes Erbrechen einen Vorteil bringen würde: Das Zeitfenster nach dem Verzehr, innerhalb dessen signifikant etwas hinausbefördert wird, ist wohl deutlich kleiner als früher angenommen, wohl nur etwa 1,5-2 Stunden, und richtig sinnvoll wäre es nur bei organgiftigen Pilzen, nicht bei solchen, die ohnehin "nur" Erbrechen/Durchfall verursachen. Die Anzahl der Fälle, wo so eine Entfernung überhaupt einen Sinn ergeben würde, ist damit schon sehr klein, und der Zusatzvorteil, eine Viertel- bis halbe Stunde zu sparen, indem man das zu Hause macht statt gleich ins Krankenhaus zu fahren und ggf. dort machen zu lassen, wäre noch mal geringer.
Demgegenüber gibt es aber hunderte oder tausende von Vergiftungs-Verdachtsfällen. Wenn all denen an die Hand gegeben würde, dass es OK sei, Erbrechen herbeizuführen, würde es wohl unweigerlich zu vereinzelten Fällen kommen, in denen versehentlich Erbrochenes eingeatmet wird (insbesondere wenn z. B. Eltern das bei ihren Kindern machen wollen, aber auch sonst). Und das ist wohl richtig schlimm.
In der Abwägung von überschaubarer Erfolgswahrscheinlichkeit verglichen mit realer Gefahr hat wohl zur aktuellen Empfehlung geführt.
In einer Ausnahmesituation, wo man bei einer einsamen Dschungelexpedition weitab der Zivilisation einen unbekannten Pilz isst, und dann kommt jemand kurz drauf dazu und sagt: "Was, DEN hast du gegessen? Bist du denn lebensmüde?" könnte das Erbrechen Herbeiführen schon noch sinnvoll angewendet werden.
Beste Grüße
Sabine