Hallo zusammen,
Doch nochmal eine Fortsetzung, u.a. als Übung, wie die in Gendatenbanken hinterlegten Sequenzen zu bewerten sind.
Ich hatte ja gelernt, dass ITS nur für den Vergleich von genetisch nah verwandten Arten geeignet ist.
Also habe ich mir mal den Fliegenpilz i.w.S. vorgeknöpft, weil es von dem recht viele Sequenzen aus aller Welt gibt.
Ausgewählt habe ich zwei von Unite als Referenz ausgewählte Gruppen
UNITE - Species Hypothesis (weiter unten im Baumdiagramm grün)
UNITE - Species Hypothesis (gelb)
außerdem die Referenz für den Königsfliegenpilz
UNITE - Species Hypothesis (orange)
sowie noch einige als A. muscaria bezeichnete Einzelproben (weiß)
Amanita muscaria voucher AM08S3-1 internal transcribed spacer 1, parti - Nucleotide - NCBI
Amanita muscaria voucher AM09S4-3 internal transcribed spacer 1, parti - Nucleotide - NCBI
Amanita muscaria voucher AM09S5-5 internal transcribed spacer 1, parti - Nucleotide - NCBI
Gleich verworfen habe ich daraus die als Fungi spec. oder Amanita spec. benannten.
Verdächtig erscheinen außerdem eine als A. gemmata bezeichnete in der ersten Muscaria-Clade sowie zwei vermeintliche A. muscaria bei den Fliegenpilzen (im Baumdiagramm hervorgehoben). Bei der vermeintlichen A. gemmata aus Kanada (AF335440) handelt ein "Class project" einer Universität, hier würde ich eine Fehlbestimmung für nicht ausgeschlossen halten. Die beiden norwegischen Proben (UDB037204 und UDB035790) dagegen stammen aus dem botanischen Museum der Universität Oslo, was mir wie eine seriöse Quelle erscheint.
Diese Sequenzen habe ich ins Fasta-Format gebraucht (ich habe es angehängt, falls jemand damit herumspielen will) und mit MAFFT ausgerichtet ("multiple Alignment"). Die Baumdarstellung dazu sieht so aus:

Da gibt es jetzt so einiges, was auffällt:
1) Die drei mexanischen Einzelproben ganz oben sind von allem anderen sowie zueinander so extrem verschieden (10% und einiges darüber*), dass das unmöglich die gleiche Art sein kann. Ich gehe hier davon aus, dass bei Probennahme, Bestimmung oder Sequenzierung irgendetwas fatal schiefgelaufen ist.
2) Die beiden als Referenz für A. muscaria ausgewählten Gruppen weichen ebenfalls erstaunlich weit (5%) voneinander ab. Die Proben der gelben Gruppe stammen alle aus dem nordamerikanisch-pazifischen Raum, und zumindest bei einigen davon scheint es sich um die gelbe Varietät zu handelt. Eine ist jedoch auch explizit als var. muscaria bezeichnet. Es bleibt also unklar, ob die Abweichung nun an die räumliche Verteilung oder an die Varietät gekoppelt sind.
3) Im Baumdiagramm liegt ein Teil der gelben Gruppe (blassgelb) auf einen anderen Ast als die dunkler gelbe, grüne und orangefarbene Gruppe, obwohl die absolute Ähnlichkeit zwischen den hell- und dunkelgelben weit größer ist (um 1% Abweichung). Kann das ein Artefakt/Fehler in der Berechnung des Baumdiagramms sein?
4) In der grünen Gruppe finden sich Exemplare aus Europa, Kolumbien, USA, Japan und "Downunder". In den USA und Japan kommt dieser Typus also neben dem anderen auch vor, genetisch zwischen beiden liegende Mischformen jedoch anscheinend nicht**.
5) Erstaunlicherweise sind nach diesen Daten Königs- und der in Europa heimische Fliegenpilz näher verwandt (3% genetische Abweichung) als die beiden Varianten des gemeinen Fliegenpilzes miteinander.
LG, Craterelle
* Die prozentualen Angaben entstammen dem paarweisen Vergleich von Einzelproben mit BLAST: blast.cgi?page_type=blastsearch&prog_def=blastn&blast_prog_def=blastn&blast_spec=globalaln
** (bzw. nicht in den von mir ausgewählten Daten)