"Erstnachweis" einer Pilzart

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 557 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Clavaria.

  • Hallo zusammen,


    wie würdet ihr einen "Erstnachweis" einer Pilzart genau definieren? Ich habe mir diese Frage mal ganz genau gestellt. Prinzipiell ist ja jeder "erste Nachweis" einer Pilzart der "Erstnachweis". Unabhängig wo dieser Fund nun gemeldet wurde. Nun ist es aber so, dass es viele verschiedene Portale gibt um Pilze zu melden. Dann müsste man theoretisch alles an Portalen, Literatur, etc. durchsuchen um dann abzuklären, ob es sich wirklich um einen Erstnachweis handelt. Es gibt auch keine objektive Richtlinie, die das genau definiert.
    In der Praxis schaut es wohl so aus: Man schaut in den üblichen Kartierungsdatenbanken ob die Pilzart dort schon gemeldet wurde (also früher Mykis). Ist diese Pilzart dort nicht gelistet, ist es wohl dann der Erstnachweis und kann dann auch so publiziert werden als Erstnachweis.
    Mich würde mal interessieren, wie ihr das so betrachtet bzw. definiert?

    Noch als Anmerkung: Die Frage hat vor allem dem Hintergrund, wenn ein "Erstnachweis" auch so als solche publiziert wurde.

    LG Martin

  • Hallo Martin,


    ich als Landeskoordinator muss natürlich für pilze-deutschland.de Reklame machen. Dort sollten eigentlich die Fundmeldungen aus den verschiedenen Portalen zusammenfließen, wobei dei Betonung auf "sollten" liegt.

    Wenn eine Art dort nicht vertreten ist, neige ich dazu zu sagen: das ist ein nomineller Erstnachweis.

    Dort ist natürlich bei weitem nicht alles drinne, was kartiert werden könnte und manch interessanter Fund landet auch in irgendwelchen Schubladen und verschwindet auf Nimmerwiedersehen.

    Wir hatten bspw. bei einer Vereinsexkursion im letzten Jahr Agaricus jacobi (sequenziert) als Erstfund für Deutschland deklariert, ob irgendwelche geheime Quellen die Art auch führen - wer weiß?

    Also ich würde die obige Quelle dafür als Maßstab nehmen, was anderes käme aktuell für mich nicht in Frage.


    Beste Grüße

    Harald

  • wie würdet ihr einen "Erstnachweis" einer Pilzart genau definieren?

    Hallo

    Erstnachweis wo? Das geht für das gesamte Deutschland. Aber auch für Bundesländer gibt es Erstnachweise.


    ich als Landeskoordinator muss natürlich für pilze-deutschland.de Reklame machen. Dort sollten eigentlich die Fundmeldungen aus den verschiedenen Portalen zusammenfließen, wobei die Betonung auf "sollten" liegt.

    Wenn eine Art dort nicht vertreten ist, neige ich dazu zu sagen: das ist ein nomineller Erstnachweis.

    Ja, so ist es. Pilze Deutschland hat ein hohes Niveau. Und das ist gut so!

  • Hallo Harald,


    Pilze-Deutschland ist mir natürlich bekannt. Aber schonmal gut zu wissen, wie du das als Landeskoordinator handhabst. Es gibt halt viele weitere Portale bei denen Arten gemeldet werden können. Für Rheinland-Pfalz gibt es den Artenfinder (wobei dort auch deutschlandweit Funde gemeldet werden). Dann z.bsp. noch den NABUnaturgucker. Außerdem gibt es bestimmt Funde, die ja nicht digitalisiert sind. D.h. man müsste doch auch sämtliche Fachzeitschriften durchsuchen, ob nicht schonmal die Art gefunden wurde, wie zum beispiel : Boletus, ZMykol, Abhandlungen der Delattinia, usw?

    LG Martin

  • Ganz allgemein, zum beispiel für Deutschland oder auf Bundeslandebene. Wie schon oben beschrieben muss man ja für jeden "Erstnachweis" eine sehr gründliche Recherche betreiben, da es ja auch viele nicht-digitalisierte Funde gibt.

    LG Martin

  • Man muss bei den Angaben immer (gedanklich) mit einschränken: "Erstnachweis bis jemand einen früheren gesicherten Fund belegen kann". Darum geht es doch an der Stelle und die Funde im Boletus oder ZMykol sollten meiner Einschätzung schon in Pilze-Deutschlands erfasst sein, denn fast immer sind die Autoren Kartierer, bis auf einige Experten Mal abgesehen.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo zusammen,


    es kommt immer darauf an wie genau man das nimmt.

    Wenn man pingelig ist, dann zählt nur jeder Nachweis, der eindeutig belegbar ist und das heißt Makro-Mikroskopisch + Sequenz (die mit dem Typusmaterial abgeglichen wurde).

    Jeden Fund den man nicht Nachweisen kann, wäre dann Theoretisch ungültig, es sei denn es lässt sich nachträglich nachweisen.

    Würde man das so machen wären vielleicht 80% aller Fundmeldungen weg. Auch würde keiner mehr Pilze suchen und Kartieren, weil der Aufwand zu hoch ist.


    Ansonsten sehe ich das genauso, dass man viel Recherchieren muss und dabei ist Pilze-Deutschland sehr hilfreich.

    Jetzt muss man dabei noch Abwegen wie sicher die Bestimmung ist.

    Ein Foto alleine reicht vielleicht oft nicht aus für einen sicheren Nachweis, dagegen könnte ein Bild und Makro- und Mikromerkmale auch schon nicht mehr ausreichen, wenn keine Sequenzen vorhanden sind.

    Meiner Meinung nach ist das auch von Pilz zu Pilz verschieden und auch wer den Nachweis erbracht hat.


    Ich glaube es gibt hier keine klar Antwort und oft ist der vermeintliche Erstfund, nur Platzhalter, weil ein anderer ihn schon früher gefunden hat.

    Aber Erstfund für ..... hört sich schön an und animiert zum selber suchen.

    Ich finde ja die persönlichen Erstfunde sind immer am schönsten ;)


    VG : Thorben

  • Hallo zusammen


    Wir haben hier das gleiche Problem mit unserem Verbreitungsatlas.

    Der Begriff "Erstnachweis" funktioniert nur, wenn man das auf eine (oder sehr wenige) klar definierte, umfassende und breit etablierte Datenbanken beschränkt, und auf den Stand in dieser Datenbank zum Zeitpunkt der Recherche.

    Natürlich lässt sich nicht ausschliessen, dass schon vor 150 Jahren jemand ein Herbar der Art angelegt hat, aber die Art falsch bestimmt und falsch angeschrieben hat.

    Ich habe "Erstnachweise" kartiert, von denen ich ganz genau weiss, dass ein Kollege die Art schon früher gefunden hat, aber er hat sie halt nicht kartiert.

    Hinzu kommt das Splitting von Arten und etablierte Fehlinterpretationen.

    Viele "Erstnachweise" wurden schon früher kartiert, aber unter dem Aggregatsnamen, weil zum damaligen Zeitpunkt die neue Art gar nicht beschrieben war. Mein kürzlicher "Erstnachweis" von Volvariella neoparvula ist eigentlich Schwachsinn, weil vermutlich jeder den Pilz schon in der Hand hatte, aber ihn halt Volvariella murinella oder V. pusilla genannt hat.


    Oder ein anderes Beispiel:

    Der häufige "Hygrophorus erubescens" ist eine jahrzehntealte Fehlinterpretation von Rhodocollybia maculata (Papetti et al. 2020).

    Jetzt heisst die Art Hygrophorus neoerubescens. Der Name ist im Verbreitungsatlas noch gar nicht drin, obwohl er vor 5 Jahren publiziert wurde!

    Wenn ich jetzt meinen Schneckling (korrekterweise) unter diesem Namen kartiere - ist das ein Erstfund?


    Eine Absicherung ist mit Sequenz ideal, aber es sind ja längst nicht alle Typus-Belege sequenziert!

    Von vielen (älteren) Arten gibt es zudem keinen physischen Typusbeleg, da müsste erst jemand einen Neotypus festlegen.

    Mehr als eine morphologische Übereinstimmung geht dann halt nicht.

    Aber ein Foto alleine reicht schon nicht, es braucht mindestens eine vollständige makro- und mikroskopische Dokumentation.


    Wenn man dann eine Statistik darüber erstellen möchte, muss man die Datenerhebung klar definieren/abgrenzen und in der Einleitung dokumentieren.

    Dann ist die Aussage über "Erstnachweise" im definieren Kontext auch korrekt.

    Natürlich kann man seine Statistik damit ein wenig frisieren. Aber solange man die Datenerhebung und die Kriterien für den Begriff "Erstnachweis" transparent definiert hat, halte ich das für kein grosses Problem.


    Langfristig ist das ganze wenig wert. Vielleicht wird die Erstfund-Art wieder verworfen, nochmal gesplittet, oder es taucht ein älterer Fund auf.

    Oder irgendwer sequenziert später den Typus, und die morphologische Bestimmung erweist sich als falsch.

    Wer überprüft schon all seine Funde der letzten Jahrzehnte, ob wirklich immernoch alles der neusten Literatur entspricht?


    Mal ehrlich - ist das langfristig wirklich so wichtig, wer der erste war?

    Natürlich macht es im ersten Moment Freude, aber ich würde der ganzen Sache nicht zu viel Bedeutung geben.


    LG Raphael