Agaricus essettei?

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 1.230 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Oehrling.

  • Hallo!


    Mitte November letzten Jahres fand ich folgenden Champignon im Nadel-Mischwald:

    Schneeweiß, Hutdurchmesser um 9,5 cm mit erst aufwärts gerichtem, später hängendem, dünn-häutigem Ring und leicht knolliger, flacher Stielbasis.

    Der Pilz gilbt am Hut; mit KOH Färbung nach Orange.

    Der Stiel unterhalb des Ringes gilbt/bräunt etwas nach einer Nacht lagern.

    Der Geruch kommt eindeutig nach Anis.


    Aufgrund der Cheilozytiden sollte ein Agaricus vorliegen.

    Die dickwandigen, braunen Sporen haben keinen Keimporus.

    Die Sporengröße liegt bei etwa 6,3-7,0 x 3,8-4,3 µm².

    Könnte das ein A. sylvicola oder wegen der Sporengröße eher A. essettei sein?


    LG, Martin


    Bilder:

    Bild 1 Fundstelle mit jungem Einzelfruchtkörper, Ring (noch) nach oben gerichtet


    Bild 2 Pilz aus Substrat gelöst


    Bild 3 Stielbasis (noch frisch) bleicht knollig und unterseits platt; Huthaut gilbt bereits vom Transport im Korb


    Bild 4 abends Gilben und schwache Orangefärbung auf Hut


    Bild 5 Nach Sporenabwurf, ein Nacht später - ich hätte sicher den Stiel noch halbieren sollten!


    Bild 6 Dickwandige Sporen


    Bild 7 Lamellenkante mit agaricus-typischen (?) Cheilozystiden

  • N'abend Martin,


    für mich sieht der schon makroskopisch mehr nach A. essettei aus. Der Dünnfleischige hat im Vergleich zum Schiefknolligen Gesellen i.d.R. einen etwas schmächtigeren Fk. und die Lamellen vom Dünnfleischigen sind m.W. etwas blaßgräulicher als beim Schiefknolligen und werden später bräunlich. Der Schiefknollige hat nur jung etwas leichtgraue Lamellen, die dann zunehmend dunkler bis schwärzlich werden.


    LG

    »Experts do not exist,

    we all are beginners

    with greater or lesser knowledge.«

    Luis Alberto Parra Sánchez

  • Aufgrund der Cheilozytiden sollte ein Agaricus vorliegen.

    Hi,


    zunächst: Die Gattungsdiagnose "Agaricus" ist nicht mikroskopisch zu treffen. Die muss makroskopisch gehen und geht nur makroskopisch! Wenn die Gebilde wirklich an der Lamellenschneide unterm Mikro zu sehen waren, dann sind das Cheilos. Die müssten dann aber auch teilweise "blasig" gewesen sein, wie ein aufgeblasener Luftballon.


    Übrigens die Sektion Agaricus, wo auch der Wiesenchampi dazugehört, hat keine Cheilos, bzw. nur welche, die sich so gut wie gar nicht von den Basidiolen unterscheiden lassen. Das ist übrigens auch bei den anderen Sektionen nicht ganz so einfach; insbesondere bei den Arvenses.


    Also zusammengefasst: Du hast einen Champi aus der Sektion Arvenses, das hast du an der Tramafärbung im Schnitt und am Geruch erkannt. 2-3 Arten sind sicher in der Gruppe makroskopisch, bzw. mikroskopisch bestimmbar. A. essettii und A. sylvicola gehören allerdings nicht dazu. Ich habe mal im Para Band 2 nachgezählt. Ich meine mich zu erinnern 18 Arten in der Sektion Arvenses gezählt zu haben. Fast alle Arten sind sich makroskopisch und mikroskopisch so ähnlich, dass diese nur genetisch bestimmbar sind. So sind die die Schlüssel im Para Band 2 auch aufbaut. Ab einem gewissen Punkt werden ITS-Sequenzen ausgeschlüsselt.


    Fazit: Wenn du ein Exscicat von dem Fund hast, dann lass ihn sequenzieren und dann kennst du auch die Art.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • N'abend Martin,


    für mich sieht der schon makroskopisch mehr nach A. essettei aus. Der Dünnfleischige hat im Vergleich zum Schiefknolligen Gesellen i.d.R. einen etwas schmächtigeren Fk. und die Lamellen vom Dünnfleischigen sind m.W. etwas blaßgräulicher als beim Schiefknolligen und werden später bräunlich. Der Schiefknollige hat nur jung etwas leichtgraue Lamellen, die dann zunehmend dunkler bis schwärzlich werden.


    LG

    Da würde mich mal sehr interessieren, wo du diese Erkenntnisse her hast, mit was du geschlüsselt hast und ob du diese Funde auch sequenziert lassen hast. Bei den Arvenses ist ohne Sequenzierung nur in Ausnahmefällen eine sichere Artdiagnose möglich; bei A. augustus und bei A. urinascens z.B. (s. Para Band 2)


    l.g.

    Stefan

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    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


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  • N'abend Stefan,


    was macht denn ausgerechnet diese beiden Gesellen, also A. augustus u. A. urinascens, besonders, dass man diese in dieser Sektion ohne die gentechnische Bazooka bestimmt bekommt?


    LG

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    Luis Alberto Parra Sánchez

  • A. augustus die typische Hutschuppung und A urinascens Sporen größer als 10 µm. ;) Wie bereits gesagt, ohne den Para (beide Bände) ist leider eine Champibestimmung nicht valide. Ausnahme ist noch der Gröger bei Sect. Agaricus, Bivelares, Chitonioides und den Waldchampis; vielleicht noch bei den Xanthodermatei. Trotzdem sollte das Schlüsselergebnis mit dem Para abgeglichen werden. Ludwig ist für Agaricus nicht zu gebrauchen.


    l.g.

    Stefan

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  • Hallo Thorwulf, Hallo Stefan,


    vielen Dank für eure klärenden und hilfreichen Wortmeldungen!


    Zur Erklärung der Formulierungen in meiner Anfrage:

    In Fungi of Temperate Europe (FoTE), das ich zur Bestimmung herangezogen habe, ist nur eine begrenzte Anzahl von Champignons enthalten. A. sylvicola hätte halt den Angaben nach ev. gut gepasst, nur die Sporen sind etwas größer als dort angegeben. Aber im Text zu A. sylvicola wird noch auf A. essettei hingewiesen und, dass dieser Sporen größer als 6 um hätte, was dann für mich für diesen Pilz gesprochen hätte.


    Den Pilz hatte ich schon makroskopisch als Champignon einsortiert und nicht anhand der Zystiden. Im Pilzrad in FoTE sind solche Zystiden bei den langsam gilbenden Agarici eingezeichnet. Ich konnte diese Strukturen an der Lamellenkante finden. Das habe ich oben falsch formuliert.


    Dann suchte und fand ich einen Agaricus-Schlüssel im www und habe die entsprechende Seite (Mushroomexpert) geöffnet. Der Schlüssel beschränkt sich auf mikroskopische und makroskopische Details, ist zudem leider nordamerikanisch. Aber immerhin kam ich dort auch bei A. sylvicola raus, wenngleich A. essettei darin fehlt.


    Ok - so einfach geht es also nicht!


    Kurz und gut:

    Ich nehme mit, dass es ein Champignon ist, und zumindest einer der Sektion Arvenses, zu der neben Arvensis sowohl Sylvicola, Essettei aber auch diverse andere gehören, die sehr schwer zu unterscheiden sind. Wenn die Bestimmung nach neuestem Stand makro- und mikroskopisch nicht genauer geht, finde ich das nicht schlimm.

    Ich wusste es nur nicht.

    Das Sequenzieren werde ich wohl nicht anfangen, es ist ja nur ein Hobby!


    Es ist halt wie überall: Je tiefer man in ein Thema eindringt, desto komplizierter wird es. :gkopfkratz:


    Vielen Dank jedenfalls nochmal für eure Tipps und die Richtigstellung!


    LG, Martin

  • In Fungi of Temperate Europe (FoTE), das ich zur Bestimmung herangezogen habe, ist nur eine begrenzte Anzahl von Champignons enthalten.

    Hi,


    das Buch ist leider zur Artbestimmung nur bedingt geeignet. Da fehlen sehr viele Arten! Das ist mir insbesondere bei den Risspilzen aufgefallen. Vielleicht 20 Arten sind drin und wir haben davon in Europa aber über 800. Bei den anderen Gattungen sieht das ähnlich aus. Gut sind hier die "Räder", aber nur für die Gattungsbestimmung und natürlich die herausragenden Fotografien, die sich als Referenzbilder sehr gut eignen.


    Zu viel mehr ist leider das Werk nicht brauchbar, wenn man wiss. mykologisch arbeiten möchte. Da kommt man um die Gattungsmonographien, bzw. speziellen Webseiten nicht herum.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


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  • Hallo KaMaMa,

    wenn man sich damit zufrieden gibt, dass man keinen exakten Artnamen hat, sondern als Ergebnis hat, dass das was aus der Agaricus silvicola/essettei-Gruppe und wahrscheinlich silvicola oder essettei ist (ich selber kann das bei meinen Funden auch nicht näher eingrenzen), kann man sich ja auch schon auf die Schulter klopfen. Dass man für den exakten Artnamen die Bazooka braucht, ist nicht lebensentscheidend. Dafür ist man ohne Anwendung einer Bazooka in den Kreis mit 2, 3 Arten gekommen, das ist nicht nichts.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!