Ein Problemfall eine Vermutung.

Es gibt 16 Antworten in diesem Thema, welches 4.595 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tricholomopsis.

  • Huhu.


    Heute gab's die ersten Röhrlinge hier bei mir in Thüringen. Rotfüße, Butterpilze und Goldröhrlinge. Alles nicht so mein Geschmack, deshalb durften die stehen bleiben.


    Probleme bereiten mir die folgenden beiden Gesellen.


    #1 Bei dem komme ich nicht mal auf eine Gattung...

    Gefunden in meinem Boletus edulis Waldstück auf dem Weg. Stiel ist hohl. Die Hüte sind nachdem sie in der Bestimmungsdose gelandet sind nachgedunkelt (gibt's da einen Begriff für?) und allgemein scheinen sie sehr vergänglich zu sein. Der große ist ca. 8cm hoch. Der Geruch ist unangenehm, würde das am ehesten beschreiben als eine Mischung aus Pilzpulver und leicht faulig. Jemand wenigstens eine Idee zur Gattung? Sporenabwurf läuft, wird denke ich ein Dunkelsporer sein.




    Nummer #2:

    Fundort auf einer Wiesenstück zwischen zwei Nadelwäldern. Da sind ein paar Stellen, die gerne feucht bleiben auch wenn der Rest des Waldes schon staubt. Geruch nicht auffällig, vielleicht minimal mehlig an verletzten Stellen. Ich bin hier bei Agrocybe elatella, der glaube ich vor ein paar Tagen hier schon mal angefragt wurde. Es gibt ja aber wohl auch noch sehr ähnliche wie Agrocybe pediades oder Agrocybe vervacti. Wieder mikropflichtig? :rolleyes:


    Sporenabdruck läuft.




    Mit Velum


    2 weitere Exemplare ließen sich noch finden:



    Danke.


    LG,

    Schupfnudel

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

  • Servus Schupfnudel,


    der erste ist ein Rötling - Entoloma.


    Der zweite, der Ackerling, sieht wirklich wie Agrocybe elatella aus. Ist aber mikroskopierpflichtig, sage ich mal so. Die Lamellenschneide müsste völlig steril sein (bei Agrocybe praecox agg. sind immer wieder fertile Bereiche vorhanden).


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Moin Christoph.


    Danke für die Antwort. #2 hat graubraun ausgesport. Dürfte also so grob passen auch wenn sich's nicht zu 100% klären lässt.

    #1 hat leider nur eine matschigen rötlichen Fleck auf dem Papier hinterlassen. Aber bei Rötlingen wäre da wohl ohnehin Schluss für mich gewesen nach dem Sporenabwurf.


    LG.

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

  • Na ja, ganz Schluss muss noch nicht sein, wenn man einen Rötling vor sich hat. Ganz auf die Art wirst du zwar nicht kommen, aber man kann ja trotzdem mal versuchen, ihn makroskopisch irgendwo unterhalb der Gattungsebene einzuordnen. MMn müsste der zu den "Glöcklingen" gehören, also da hin, wo der Scherbengelbe Glöckling, der Tranige Glöckling oder auch der Frühlings-Giftrötling hingehören. Solche "Vorübungen" können enorm weiterhelfen, falls du mal Jahre später doch mikroskopierst und solche Pilze potenziell auf die Art bestimmen kannst.

    Genauso kann man nach dem jetzigen Fund mal nachforschen, welche Agrocybe-Arten überhaupt ein Stielvelum ("Ring") haben und welche nicht, oder welche mehlig riechen und welche nicht. Z. B. bei Agrocybe pediades habe ich noch nie einen Stielring gesehen, also fiele der für mich raus.

    Bücher wie Pareys oder GroßpilzeBW geben so was her.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hi Oehrling, Danke für die Antwort.


    In meinen Büchern stehen leider keine Untergattungsbeschreibungen drin, daher bleibt mir da nicht viel zu tun.

    A. elatella habe ich auch in keinem Buch außer der Funga Nordica, aber die kann man ohne Mikro zum Schlüsseln nicht wirklich nutzen.


    Ich denke die Mikroskopiererei ist bei mir noch ein Stückchen hin. Ist einerseits ja auch eine Geldfrage (Mikro, Literatur, Kurse) andererseits aber auch 'ne Zeitfrage.

    Ich sammle momentan schon so ein bisschen alles was ich auch an Mikroschlüsseln so online finde, aber so in sehr baldiger Zukunft sehe ich mich noch nicht durch's scharfe Auge schauen.


    LG.

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

  • Hallo,

    das wundert mich etwas. Gerade in der Funga Nordica sind doch reichlich Untergattungsbeschreibungen drin, die meist auf Makrodetails basieren. Bei jeder größeren Gattung findet man am Anfang des Kapitels die Einteilung in "Keys", genau sowas meine ich.

    Es ist enorm wichtig, wenn man in umfangreichen Gattungen wie Entoloma, Russula, Inocybe, Cortinarius... irgendwann mal Land sehen will, sich klarzumachen, wie die Gattung überhaupt unterteilt ist. Jeder, der irgendwann mal mikroskopieren will, muss diese Vorarbeit leisten, sonst kommt er auch mit Mikroskop nirgendwo hin.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hi.

    Sind die Keys in der Funga Nordica bei Entoloma denn auch automatisch die entsprechende Untergattung?

    Bei Russula sind da die Schlüssel ja direkt die Sektionen, aber bei Entoloma hätte ich jetzt nicht gewusst wie ich über de FN zu den Glöcklingen hätte kommen können. Also selbst wenn ich die Merkmale alle einigermaßen korrekt identifiziert hätte...was ich bezweifle mangels Erfahrung mit denen.


    Glaube ehe ich mich da an die unübersichtlichen Gattungen wagen würde, würde ich das erstmal in 'ner kleineren anfangen. Vielleicht Pluteus oder so.

    Aber darüber muss sich mein Zukunfts-Ich Gedanken machen, wenn/falls es mal soweit ist...


    LG.

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

  • Es ist enorm wichtig, wenn man in umfangreichen Gattungen wie Entoloma, Russula, Inocybe, Cortinarius... irgendwann mal Land sehen will, sich klarzumachen, wie die Gattung überhaupt unterteilt ist. Jeder, der irgendwann mal mikroskopieren will, muss diese Vorarbeit leisten, sonst kommt er auch mit Mikroskop nirgendwo hin.

    Wenn Du Recht hast, hast Du Recht. Ich hätte damit vor 40 Jahren anfangen sollen. Die Lage wird für mich immer unüberschaubarer und die Zeit knapp.==Gnolm21

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

  • Sind die Keys in der Funga Nordica bei Entoloma denn auch automatisch die entsprechende Untergattung?

    ...

    bei Entoloma hätte ich jetzt nicht gewusst wie ich über de FN zu den Glöcklingen hätte kommen können.

    "automatisch die entsprechende Untergattung"? Untergattungen sind keine Entitäten (real beobachtbare Einheiten) so wie Arten, sondern nur Versuche von Mykologen, in eine Gattung mit aberhunderten Arten mittels Konzepten Ordnung und Systematik zu schaffen, also eigentlich Hirngespinste, wenn man so will - ich weiß jetzt nicht genau ob ich das verständlich ausgedrückt habe. Damit meine ich, dass jeder Entoloma-Fachmann möglicherweise seine eigenen Untergattungen definiert hat, die mehr oder weniger überzeugen. Kommst du mit den Untergattungen des Autors A nicht klar, musst du beim Autor B und C und vielleicht auch D suchen, eben so lange, bis dich ein Konzept überzeugt. Mich selber überzeugen am meisten solche Konzepte, die Untergattungen nicht aufgrund der mikroskopischen Beschaffenheit der Huthaut oder etwa der Farbreaktion auf schwer erhältliche Chemikalien oder gar aufgrund von ITS-Gensequenzen (auch wenn das vielleicht aus wissenschaftlicher Sicht richtig sein mag, mir als Feldbestimmer jedoch nichts nützt) unterscheiden, sondern eher aufgrund von makromorphologischen, schon im Feld überprüfbaren Merkmalen. Sehr gern darfst du dich später, wenn du in der Gattung schon Land siehst oder gar Gattungsexperte bist, von einem anderen, besseren Konzept überzeugen lassen, aber ganz am Anfang brauchst du halt was für den Anfang.


    Wenn du über die Keys der Funga Nordica nicht zu den Glöcklingen kommst, stellen die Glöcklinge (also die mit Helmlings-Habitus und leicht papillierter Hutmitte) vermutlich aus Sicht des Autors des FN-Kapitels, Noordeloos, keine eigene Untergattung dar. Dann musst du halt mal schauen, wie Krieglsteiner/Gminder in GroßpilzeBW oder Bon im Pareys oder ... die Rötlinge einteilen, vielleicht stellt sich da eher ein Aha-Erlebnis ein.


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Servus Claudia,


    denk dir nichts dabei - deshalb meide ich ja beispielsweise auch die großen Gattungen - bei Cortinarius, Entoloma, Russula (usw.) sehe ich auch kein Land. Wenn, dann stürze ich mich innerhalb der großen Gattungen nur auf bestimmte, leicht erkennbare Untergruppen.


    So werde ich mir, wenn ich wirklich dazu kommen sollte, mal die Speitäublinge näher betrachten. Für Einsteiger lohnen sich auch die Schwärztäublinge...


    Und nicht von ungefähr beschäftige ich mich lieber mit so übersichtlichen Gattungen wie Tricholomopsis, Flammulina, Protostropharia... da kann ich dann auch weltweit einen Überblick über die Arten behalten und kann mich ein bisserl austoben.


    Und selbst Agaricus ist nicht sooo groß als Gattung. Angefangen habe ich mit Agaricus Ende der 80er Jahre und hatte dann zwischendurch aufgegeben. Seit den aktuellen Überarbeitungen (z.B. Parra 2008) geht da wieder was.


    Was makroskopisch lohnenswert ist, wären z.B. die Milchlinge.


    Ganz ohne Mikroskopie geht es aber wohl nie. Nur gibt es dafür ja die Möglichkeiten, sich zu vernetzen. Wenn du etwas makroskopisch sehr gut eingrenzen kannst, dann ist es doch gar kein Problem, wenn z.B. ich in den Fund nachträglich mal reinmikroskopiere (oder jemand anderes). Und irgendwann fängst du dann vielleicht doch mal an. Es eilt aber alles nicht. Und ich beispielsweise bin ja froh, wenn ich Material von anderen bekomme, das ich selber nicht finden würde. Ist sozusagen eine Win-Win-Situation :-).


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Danke dir Oehrling für die Erläuterung.


    Ich dachte da tatsächlich, dass die Einteilung durch irgendwelche Verwandtschaftsverhältnisse irgendwie abgesichert wäre (eben DNA-Sequenzierung und Co.) aber klaro, das steckt ja alles noch in den Kinderschuhen und früher musste man das ja auch ohne irgendwie Technik irgendwie sortieren.


    LG.

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

  • Servus Schupfnudel


    Ich dachte da tatsächlich, dass die Einteilung durch irgendwelche Verwandtschaftsverhältnisse irgendwie abgesichert wäre (eben DNA-Sequenzierung und Co.) ...

    doch, doch - eigentlich sollten Untergattungen, Sektionen (usw.) ebenfalls jeweils Monophyla sein. Insofern ist eine genetische Überprüfung der Konzepte mittlerweile Usus. Man kommt nur nicht hinterher.


    Denk an Cortinarius - die Untergattung Sericeocybe (Seidenköpfe und Dickfüße) gibt es nicht mehr in den aktuellen Publikationen. Auch Phlegmacium wurde völlig zerlegt. Schleimiger Hut entstand wohl mehrfach konvergent innerhalb der Gattung. Die Hautköpfe wiederum scheinen monophyletisch zu sein.


    Wenn Mykologen Sektionen beschrieben, dann war das früher meist nur auf morphologisch-anatmoischer Basis. Das kann dann auch geraten sein. Und klar, das Beschreiben von Sektionen diente daher auch der Sortierung von Arten nach Ähnlichkeit, wie es Oehrling in seinem Beitrag beschreibt. Die Nomenklatur will das aber eigentlich so nicht. Es ist nur, wenn man keine Ahnung von Verwandtschaftsverhältnissen hat, praktikabel. Weiß man später aber, was wie zusammengehört, werden die Sektionen auch neu definiert.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Alles klar. Danke für die Ergänzungen.


    An und für sich ist's ja auch für den Wald- und Wiesengebrauch nicht so wild, wenn die morphologisch-anatomisch definierten Untergattungen/Sektionen dann genetisch nicht mehr haltbar sind - solange man eben bei der richtigen Art rauskommt. Wo auch immer die dann korrekterweise einsortiert gehört. Für die Wissenschaft ist's freilich nicht egal, aber für mich als Hobby-Pilzler reicht es ja einen einigermaßen stimmigen Namen für mein Pilzchen zu bekommen.


    LG.

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

  • An dieser Stelle muss man unterscheiden zwischen der Kommunikation unter Wissenschaftlern, der Kommunikation unter Volkspilzkundlern und der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Volkspilzkunde. Den Volkspilzkundler interessiert vor allem, einen Pilz makroskopisch bestimmen und im Idealfall als essbar oder nicht essbar bzw. als holzschädlich oder nicht holzschädlich unterscheiden zu können. Dies kann und darf einem Wissenschaftler natürlich nicht genügen.


    Nun ergeben sich daraus aber Probleme. Wie schafft es die Wissenschaft, dem Volkspilzkundler das benötigte Wissen in abrufbarer Form bereitzustellen? Sicher nicht, indem gesagt wird: wir haben die Gattung mit aktuellen wissenschaftlichen Methoden untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Arten in dieser Gattung nicht mit den althergebrachten makro- und mikroskopischen Methoden der Volkspilzkunde bestimmbar sind, und mehr noch: ab sofort sind wir die einzigen (bin ich der einzige?) auf der ganzen Welt, die diese Arten überhaupt bestimmen können, da euch Volkspilzkundlern das bestimmungstechnische Rüstzeug fehlt. Damit wäre der Anspruch der wissenschaftlichen Wahrhaftigkeit aufrechterhalten, die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Volkspilzkunde bzw. zwischen Wissenschaftler und dem Volk jedoch zusammengebrochen (und damit wohl auch das Interesse des Volkes an wissenschaftlichen Erkenntnissen erlahmt?).


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Nun ergeben sich daraus aber Probleme. Wie schafft es die Wissenschaft, dem Volkspilzkundler das benötigte Wissen in abrufbarer Form bereitzustellen? Sicher nicht, indem gesagt wird: wir haben die Gattung mit aktuellen wissenschaftlichen Methoden untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Arten in dieser Gattung nicht mit den althergebrachten makro- und mikroskopischen Methoden der Volkspilzkunde bestimmbar sind, und mehr noch: ab sofort sind wir die einzigen (bin ich der einzige?) auf der ganzen Welt, die diese Arten überhaupt bestimmen können, da euch Volkspilzkundlern das bestimmungstechnische Rüstzeug fehlt. Damit wäre der Anspruch der wissenschaftlichen Wahrhaftigkeit aufrechterhalten, die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Volkspilzkunde bzw. zwischen Wissenschaftler und dem Volk jedoch zusammengebrochen (und damit wohl auch das Interesse des Volkes an wissenschaftlichen Erkenntnissen erlahmt?).

    Servus Oehrling,


    ich kann das ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen. Ich wechsle mal das Fachgebiet, um eine Analogie herzustellen:


    Viele Laien interessieren sich für die Sternguckerei, für Astronomie. Man kann das mit dem bloßen Auge machen, aber auch mit Teleskopen. Der Laie kann sich aber kein Hubble-Space-Teleskop leisten. Er kann also vieles, was "die Wissenschaft" an Erkenntnissen hervorbringt, nicht selbst nachprüfen. Trotzdem kann er sich an einem Doppelstern erfreuen, den er im Teleskop trennt. Dass es in Wirklichkeit vier Sterne sind, von denen jeweils zwei so nah sind, dass man sie mit einem normalen Teleskop nicht trennen kann, ist interessant. Aber für den Laien nicht überprüfbar. Er bräuchte die Sternspektren, um über den Doppler-Effekt die Bewegungen zu detektieren. Oder er bräuchte einen Zehn-Meter-Spiegel mit adaptiver Optik, das er auch nicht hat.


    Dürfen dann die Wissenschaftler darauf hinweisen, dass es nicht zwei, sondern vier Sterne sind? Die Natur ist, wie sie ist. Sie schert sich nicht drum, was der Laie nachweisen kann.


    Zurück zur Mykologie - angenommen, man kann zeigen, dass das, was der Laie als eine "Art" ansah, in Wirklichlichkeit zwei Arten sind. Und angenommen, man kann sie klassisch nicht trennen. Darf der Wissenschaftler dann nicht darauf hinweisen, dass es in Wirklichkeit zwei Arten sind?


    Ich verstehe das ganze Problem nicht. Muss ich denn immer zwanghaft die Art bestimmen? Sehe ich einen Hallimasch, dann sehe ich einen Hallimasch. Damit ist er bestimmt - zwar nicht auf Artebene, aber als Armillaria mella agg. Das reicht mir als Laien, wenn es z.B. ums Essen geht, worauf due auch hinweist.


    Was soll der Wissenschaftler machen, wenn es keine Möglichkeit für Laien (im Moment) gibt, in manchen Gruppen bis auf die Art zu bestimmen? Meine Antwort wäre: er kann helfen, dass der Laie bis auf das Aggregat kommt. Auch das ist interessant und spannend. Dass man so ohne weiteres die genaue Art nicht benennen kann, ist doch nicht schlimm. So geht es jedem, der in schwierigen Gattungen auch mit teurer Optik unterwegs ist - viele Kollektionen bleiben unbestimmt. Sonst wär's ja auch langweilig.


    Wer sich dann abwendet und es nicht spannend findet, dass die Natur viel diverser ist, als man bis vor kurzem gedacht hatte, dem kann ich wohl wirklich nicht helfen. Ich finde das unglaublich spannend. Und mir tut es nicht weh, dass ich seit fast zwanzig Jahren weiß, dass ich den "Voreilenden Ackerling" (als anderes Beispiel) nicht auf Arteben bestimmen kann. Trotzdem kann ich Pilze als solchen bezeichnen. Dass es vier Arten sind, die ich nicht trennen kann, macht das für mich noch interessanter. Und vielleicht geht ja doch was? Also schaue ich immer wieder mal auch Voreilende Ackerlinge an. Für die Küchenmykologie kann man da nur sagen, dass manche etwas bitter schmecken, wieder andere deutlich bitter. Und die Erklärung? Ist halt ein Artenaggregat...


    Ich kann auch der Dialektik nichts abgewinnen. "Das Volk" sind alle, dazu gehören auch die Wissenschaftler. Und eine "Volkspilzkunde" kenne ich nicht.


    Nebenbei angemerkt: Ich beschäftige mich wirklich seit vielen vielen Jahren sehr intensiv mit der Mykologie. Selbst wenn wir auf dem Stand der 90er Jahre wären, wo die Genetik nur untergeordnet war, hätte ich mir niemals anmaßen können, jeden Pilz auf Artebene bestimmen zu können. Dafür gibt es zu viele Arten und dafür ist die Erkennung auch klassisch zu schwierig. Wieso muss man dann davon ausgehen, dass man "dem Volk" eine Möglichkeit geben muss, alle Arten bestimmen zu können? Nein, das geht nicht auf "Volksebene".

    Man kann aber den wenigen, die sich wirklich dafür interessieren, die Möglichkeit geben, z.B. Biologie zu studieren, sich in Mykologie zu vertiefen, zu promovieren (über Pilze) und dann Pilze bestimmen zu wollen. Und selbst da muss dann derjenige einsehen, dass er eben nicht alle Pilze auf Artebene bestimmen kann. Manchmal ist man schon froh, eine Gattung zu haben.


    Die Natur ist halt so, wie sie ist. Sie ist nicht da, um uns die Zeit wohlgefällig zu zerstreuen. Wenn die Natur Arten hervorbringt, die "das Volk" nicht als solche erkennen kann, dann muss sich "das Volk" eben eine andere Natur wählen...?! Leider machen wir das im Moment. Vielleicht geht die Biodiversitöt so stark zurück, dass die Bestimmung wirklich einfach ist...


    Ich hoffe, dass dem nicht so ist und die Natur so komplex bleibt, wie sie ist.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • > 1) Dürfen dann die Wissenschaftler darauf hinweisen, dass es nicht zwei, sondern vier Sterne sind? Die Natur ist, wie sie ist. Sie schert sich nicht drum, was der Laie nachweisen kann.


    ...


    > 2) Ich kann auch der Dialektik nichts abgewinnen. "Das Volk" sind alle, dazu gehören auch die Wissenschaftler. Und eine "Volkspilzkunde" kenne ich nicht.

    Hallo Christoph,


    zu 1) so wollte ich das nicht verstanden wissen, und so habe ich es meiner Meinung nach auch nicht geschrieben. Ich darf mich selber zitieren: "Dies kann und darf einem Wissenschaftler natürlich nicht genügen" und: "Damit wäre der Anspruch der wissenschaftlichen Wahrhaftigkeit aufrechterhalten". Dies geht mMn mit deiner Einlassung nicht konform.

    zu 2) warum unterscheidest du dann zwischen Pilzberater (ich nenne den halt "Volkspilzkundler") und Pilzsachverständigen, stellst also zwei ganz eindeutig dialektische Klassen auf? Die hier aufscheinende Dialektik scheint doch von dir auszugehen, bzw. du scheinst sie mitzutragen.


    Mal ein Beispiel. Hier im Forum wird ein Voreilender Ackerling angefragt, mit der Bitte um Einschätzung der Essbarkeit. Ein fortgeschrittenes Forumsmitglied ("Volkspilzkundler") beantwortet die Anfrage mit der Antwort: "ist wahrscheinlich ein Voreilender Ackerling (Agrocybe praecox), zum Essen freigeben dürfen wir hier allerdings nichts." Der Anfrager gibt sich mit der Antwort zufrieden. Einen Tag später meldet sich der Wissenschaftler: "So kann die Antwort nicht stehenbleiben. In Wahrheit gibt es nicht DEN Voreilenden Ackerling, sondern dahinter stecken, wie die Wissenschaft rausgefunden hat, vier Arten, die allein mikroskopisch unterscheidbar sind. Wie genau, schreibe ich hier zwar jetzt nicht, aber so ist es, das hat die Wissenschaft rausgefunden." Ich persönlich sehe da ein Kommunikationsproblem.


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Servus Oehrling,


    fühl dich bitte nicht angegriffen - so war es nicht gemeint. Ich habe halt ein Problem, wenn zwischen Volk und Leuten, die nicht zum Volk gehören, differenziert wird. Ich sehe auch Wissenschaftler als Teil der Bevölkerung (gefällt mir besser als Volk, liegt aber wohl daran, dass ich bei Volk auch an "völkisch" denke, wo es mich dann schüttelt).

    Deshalb gefällt mir diese Dialektik nicht.


    zu 2) warum unterscheidest du dann zwischen Pilzberater (ich nenne den halt "Volkspilzkundler") und Pilzsachverständigen, stellst also zwei ganz eindeutig dialektische Klassen auf? Die hier aufscheinende Dialektik scheint doch von dir auszugehen, bzw. du scheinst sie mitzutragen.

    Ich nenne einen Pilzberater eben nicht "Volkspilzkundler", sondern ich nenne jemanden Pilzberater, der sich so gut bei den heimsichen Speise- und Giftpilzen auskennt, dass er helfen kann (beraten) kann - sprich: der anderen Sammlern, die weniger versiert sind, helfen kann, sich nicht zu vergiften. Nebenbei kann er/sie auch helfen, in Sachen Naturschutz und Nachhaltigkeit zu beraten (Rote Listen, usw.). Naja, Pilzberatung eben.


    Pilzsachverständige sind in meinen Augen Fachleute, die in der Lage sind, Gutachten zu schreiben. Sprich, die mikroskopieren können, die Notfalldiagnostik drauf haben, wenn es zur Vergiftung gekommen sein sollte und die auch in der Lage sind, moderne Fachartikel zu lesen und zu verstehen, damit sie auch weiterhin Gutachten erstellen können.


    Das gab es übrigens auch mal in der DGfM - nur hießen da diejenigen, die ich als "Sachverständige" ansehe, "Referenten". Früher hießen die Pilzberater auch in der DGfM Pilzberater. Das wurde dann hochtrabender gemacht, als man hoffte, so eher eine staatliche Anerkennung zu bekommen.


    Hier verstehe ich dich nebenbei gesagt auch nicht. Was hat die Ausbildung zu z.B. PilzCoaches, Pilzberatern, Pilzsachverständigen - also verschiedene Titel, die durch verschiedene Ausbildungen per Urkunde bestätigt werden, damit zu tun, wie viele Ackerlingsarten es gibt?


    Mal ein Beispiel. Hier im Forum wird ein Voreilender Ackerling angefragt, mit der Bitte um Einschätzung der Essbarkeit. Ein fortgeschrittenes Forumsmitglied ("Volkspilzkundler") beantwortet die Anfrage mit der Antwort: "ist wahrscheinlich ein Voreilender Ackerling (Agrocybe praecox), zum Essen freigeben dürfen wir hier allerdings nichts." Der Anfrager gibt sich mit der Antwort zufrieden. Einen Tag später meldet sich der Wissenschaftler: "So kann die Antwort nicht stehenbleiben. In Wahrheit gibt es nicht DEN Voreilenden Ackerling, sondern dahinter stecken, wie die Wissenschaft rausgefunden hat, vier Arten, die allein mikroskopisch unterscheidbar sind. Wie genau, schreibe ich hier zwar jetzt nicht, aber so ist es, das hat die Wissenschaft rausgefunden." Ich persönlich sehe da ein Kommunikationsproblem.

    Offenbar haben wir hier unterschiedliche Auffassungen darüber, was ein Pilzforum ist.


    Ich gehe davon aus, dass Threads nicht nur vom Anfragesteller gelesen werden, sondern von allen möglichen Personen unterschiedlichsten Wissensstands über Pilze. Wüsste ich, dass nur ein Einsteiger mitlesen würde, es quasi eine Kommunikation per PN ist, dann wäre die Info, dass der Voreilende Ackerling ein Artenaggregat ist, sehr nebensächlich. Vermutlich würde ich es dennoch mitteilen, denn das erklärt, warum "diese Art" so unglaublich variabel ist.


    Vermutlich bin ich dir auf die Zehen getreten, falls ich mal nachgeschoben haben sollte, dass das ein Aggregat ist, nachdem du als Antwort "Voreilender Ackerling" geschrieben hast. Weiß ich nicht, bin da auch zu faul, alle Beiträge durchzugehen.


    Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass ein Forum öffentlich ist und von vielen gelesen wird. Manche ärgert vermutlich die Zusatzinfo nicht, dass es ein Aggregat ist, sondern möchte ein Forum auch dazu nutzen, weitere Infos zu erhalten.


    Würde ich einen Beitrag z.B. über die Hochgerippte Becherlorchel lesen - fotografiert und eröffnet von einem Einsteiger und würde dann ein von dir als "Volkspilzkundler" bezeichneter Forst antworten "das ist die Hochgerippte Becherlorchel", dann wäre ich beispielsweise dankbar, wenn ein Spezialist, der hier auch mit dabei ist, ergänzen würde, dass das ein Aggregat ist und dass da mehrere Arten beschrieben wurden... (usw.).


    Ich würde eher dann ein Kommunikationsproblem sehen, wenn Spezialisten sich nicht mehr trauen würden, tiefergehende Infos mit abzugeben, damit kein Element des "Volks", zu dem der Spezialist wohl nicht gehört, eingeschnappt oder frustriert wäre.


    Vielleicht kann man Threads ja markieren, wo Spezialisten nichts beitragen dürfen?! Wo man auch die üblichen Bestimmungen als "Frauentäubling" nicht hinterfragen darf, um Anfänger nicht zu sehr zu verwirren... Sorry, aber das wäre nicht das, was ich mir unter einem Forum vorstelle. Gerade der Pluralismus, dass vom Anfänger bis zum Experten viele hier mitdiskutieren ist es, was ich wichtig finde.



    Wie genau, schreibe ich hier zwar jetzt nicht, aber so ist es, das hat die Wissenschaft rausgefunden." Ich persönlich sehe da ein Kommunikationsproblem.

    Wenn es darum geht, dass ich nicht schreibe, wie man sie unterscheiden kann, dann kann ich nur sagen: ich kann es nicht. Dafür müsste man Kreuzungstests machen - mit definierten Stämmen. Oder seuqnzieren, wobei die Ackerlinge noch nicht durchgeackert wurden. Man weiß seit knapp 30 Jahren, dass es vier Voreilende gibt, weil das durch Kruezungstests gezeigt wurde. Man weiß aber nicht, wie man sonst die Arten unterscheidet, weil sich noch niemand da drangemacht hat. Es gibt mehr Pilzarten ala Mykologen.


    Für mich ist die Hintergrundinfo, dass es nicht "den" Voreilenden Ackerling gibt, aber durchaus wertvoll. Vielleicht auch für andere. Warum man sich über eine Information ärgert, verstehe ich allerdings nicht. Vielleicht bin ich dafür generell zu neugierig, zu sehr Forscher.


    Noch ein praktischer Aspekt:

    Es wird ja kartiert. Weiß man, dass man eine Sammelart kartiert, macht man (so hoffe ich) eher mal einen Beleg pder dikumentiert die Aufsammlung ordentlich. Wer weiß, vielleicht setzen sich in naher Zukunft gute Mykologen dran und lösen das Problem. Und wer weiß, ob es dann nicht doch per Detailmerkmal möglich ist, die Arten auseinanderzuhalten. Hat man dann zig Kartierungsmeldungen abgegeben, aber ohne Foto, ohne Beschreibung, ohne Beleg, kann man die auch wieder löschen oder eben nur als agg. weiterführen. Hat man aber Detailinfos erhoben, kann man vielleicht später doch einzelne Arten genauer nachkartieren.


    Auch dieser Aspekt spielt für einen Einsteiger vielleicht keine große Rolle (wobei man Einsteiger nicht unterschätzen sollte - nicht jeder denkt nur an die Pfanne; wer voll ins Hobby einsteigen will, der sollte sich schon für Details an Pilzen interessieren, finde ich). Aber nochmals: es ist hier ein öffentliches Forum, da lesen auch andere (hoffentlich) mit.


    Und jetzt frage ich mal konkret zurück:


    Was wäre dir lieber? Sollen sich diejenigen, die Zusatzwissen beisteuern sollen, zurückhalten? Sollten sich sog. Experten besser ganz aus normalen Anfragen raushalten? Oder welchen Maulkorb sollten sie bekommen, wenn sie doch was schreiben wollen?


    Ich möchte dich keinesfalls verärgern. Irgendwie möchte ich mir aber auch keine Zensur vorschreiben lassen (z.B. das man nicht schreiben dürfte, dass graue Scheidenstreiflinge nach Foto nicht bestimmbar sind... mir täte es weh, alles als Amanita vaginata zu "bestimmen" - weil ich nicht sagenb dürfte, dass es da mehr Arten gibt...).


    Liebe Grüße,

    Christoph