Vollstaendig gen-sequenzierter Schleimpilz - Alternative zu P. Polycephalum?

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 3.533 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von lamproderma.

  • Hallo an alle Experten.


    Ich suche fuer ein Vorhaben einen Schleimpilz dessen Genom vollstaendig sequenziert ist. Bei einer ersten Suche in den ueblichen
    Datenbanken bin ich nur auf den zulaenglich bekannten, nicht europaeischen, Physarum Polycephalum gestossen. (Hat ein Genom von ca. 190Mb)


    Meine Frage ist folgende: Kennt jemanden eine andere (vielleicht in Europa zu findende) Schleimpilzart die vollstaendig sequenziert wurde ?


    Besten Gruss!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo mixmoxy,


    ein spannendes Thema! Bei den Schleimpilzen gibt es bezüglich Sequenzierungen - wie ja bei den echten Pilzen auch - in den nächsten Jahren/Jahrzehnten noch einiges zutun. Auch ist Dictyostelium discoideum ja zumindest keine Art der Hobbymykologen-Kartierung, sondern - sofern ich das richtig im Kopf habe - eine Labor bzw. Feuchtkammerart. Somit bringt die Sequenzierung zwar Erkenntnisse für die Wissenschaft, aber nicht unbedingt für die Kartierung, die ja theoretisch auch Nutznießer umfassender Sequenzierungen sein kann. Man erkennt wohl deutlich, dass mein Beitrag sehr subjektiv geprägt ist. :)


    Mal sehen, wie sehr das Interesse der Wissenschaft für diesen Bereich besteht und was folgt. Ein paar Artkomplexe würden sich durch die Gensequenzierung vielleicht schlüssiger auflösen lassen. Oder vielleicht auch nicht. Mal abwarten. :)


    LG, Jan-Arne

                                                                               
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    Ich habe eine kleine Homepage gebastelt, auf der ich Tiere und Pilze in Kurzportraits zeige.

  • Servus Jan-Arne,


    man findet Dictyostelium-Arten auch im Freiland - sie sind gerne in der Laubstreu am Boden oder an morschem Holz.


    Hier ein Beispielfoto:
    https://calphotos.berkeley.edu…/0000_0000/0109/0411.jpeg


    Sie bilden aber keine Plasmodien, sondern leben als Einzelamoeben (und sind da haploid, was sie für Genetiker interessant macht - jede Mutation ist direkt sichtbar im Phänotyp). Nur wenn sie sich aggregieren und einen gemeinsamen "Fruchtkörper" bilden, sind sie "sichtbar". Die Fruchtkörper sind aber wohl zu unauffällig und zu klein, als dass sie groß beachtet werden. Ich weiß auch nicht, wie gut sie zu bestimmen sind.


    Zitat

    Somit bringt die Sequenzierung zwar Erkenntnisse für die Wissenschaft, aber nicht unbedingt für die Kartierung, die ja theoretisch auch Nutznießer umfassender Sequenzierungen sein kann.


    Es stellt sich aber auch die Frage, wozu man kartiert. Was bringt Kartierung, wenn Artkonzepte nicht passen. Kartierung soll doch Erkenntnisse über die Verbreitung, Gefährdung und den ökologischen Ansprüchen von Arten sammeln - wie soll das gehen, wenn man beispielsweise ein Art dreimal kartiert (junge, mittelalte und alte mit jeweils anderen Namen, weil die Farben anders sind) oder viele Arten unter einem Namen kartiert?


    Es stimmt, dass das Kartieren durch die Erkenntnisgewinne, die wir im Moment erleben dürfen, schwieriger wird. Das macht es aber auch spannender. Insofern bringen alle genetischen Erkenntnisse auch etwas für die Kartierung.


    Warum aber Dictyostelien nicht kartiert werden (ist das so?) musst du die Myxo-Leute fragen. Vielleicht einfach deshalb, weil es keine Myxomyzeten im engen Sinn sind, sondern ein eigener Verwandtschaftskreis unter den Amoben? Im Neubert / Nowotny / Baumann sind sie auch nicht enthalten - vielleicht schauen deshalb auch Myxofreunde sie nicht an?


    LG
    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Christoph,


    ich dachte wirklich, dass es sich um mikroskopisch große Fruchtkörper handelt, die im Feld kaum gefunden werden können. Ich gehe mal davon aus, dass die Schleimer auf dem Bild auch wirklich richtig bestimmt sind und es nicht nur um rechte lange Comatricha(e) handelt.
    Hast du irgendwelche vernünftige Literatur zu der Gattung? Denn ja: Im deutschen wie im französischen Schleimpilz-Werk fehlt die Gattung völlig. Sie scheinen nicht kartiert zu werden, zumindest gibt es keinen einzigen Eintrag zu der Gattung bei Pilze-Deutschland. Sehr spannend auch die Erläuterung zum biologischen "Funktionieren" der Art/Gattung. Es wäre durchaus plausibel, wenn sie durch deutliche Nähe zu Amöben gar nicht - wie die andere Großgruppe der Schleimpilze - für die Kartierung zu den Pilzen geordnet werden.


    LG, Jan-Arne

  • Hallo beisammen,
    leider habe ich mich bisher nicht mit zellulären Schleimpilzen beschäftigt, ebensowenig mit der Sequenzierung von Myxomyceten.
    Kann deshalb nicht viel zum Thema beitragen.
    Aber ich hatte in Erinnerung, daß Holger Müller (ehemals aus Rudolstadt) in der Z.Mykol. einen Artikel zu solchen Arten veröffentlicht hat:
    Müller, H. (2009): Zelluläre Schleimpilze (Dictyosteliales) in Ostthüringen. - ZfM 75 (1): 79-86.
    Dort sind im Literaturverzeichnis einige interessante Artikel zu den Gattungen enthalten.
    LG Ulla

  • Dank an Alle fuer die Kommentare und Hinweise!


    Ja leider hat Dictyostelium kein plasmodiales Stadium und ist wohl ein reiner "Labor-Schleimer" (Habe ich da ein neues Wort erfunden?). Ich muss noch sehen ob dass grosse Einschraenkungen sind oder nicht. Die letztendliche Auswahl des konkreten Organismus steht noch nicht fest.


    LG


  • Ja leider hat Dictyostelium kein plasmodiales Stadium und ist wohl ein reiner "Labor-Schleimer" (Habe ich da ein neues Wort erfunden?). Ich muss noch sehen ob dass grosse Einschraenkungen sind oder nicht. Die letztendliche Auswahl des konkreten Organismus steht noch nicht fest.


    Servus mixmoxy (oder wie du auch immer heißen magst),


    darf man denn erfahren, was "dein Vorhaben" sein soll? Ich finde die Anfrage sehr kryptisch. Und dass Dictyostelium kein Schleimpilz im eigentlichen Sinn ist, sollte dir ja von vornherein klar sein, wenn du "ein Vorhaben" mit einem Myxo hast. :cool:


    So fragt sich der Leser auch, welche großen Einschränkungen das sein könnten...


    Zudem: Reine Laborschleimer sind es eben nicht. Man findet sie wirklich regelmäßig in der Natur, wenn man danach sucht. Es ist halt so wie auch hier bei den Köttel-Fans. Am besten nimmt man passendes Substrat und züchtet im Labor aus. So findet man mehr Arten als nur durch Suche nach reifen Stadien.


    jan-arne,


    ein Standardwerk ist Raper K. B. (1984): The dictyostelids. Princeton University Press. Princeton, NJ.


    Dort wird auch ausführlich erklärt, wie man die süßen Dinger anzüchtet. Jede damals bekannte Art wird in dem Werk beschrieben und abgebildet. Mittlerweile gibt es natürlich viele Papers über "Dictyostelids" - insbesondere auch aus den Tropen. Inwiefern man auch ohne Sequenzierung bestimmen kann, weiß ich aber nicht.


    Ich hatte im Rahmen meines Studiums mal mit Dictyostelium arbeiten dürfen (da ging es aber um reine Genetik, also um Verwendung von Dictystelium als Modellorganismus und nicht um die Bestimmung). Die Dozenten haben aber erklärt, dass man sie wirklich gut und einfach auch in freier Wildbahn finden kann. Ich hatte das damals dann direkt versucht und kann bestätigen, dass man sie wirklich finden kann. Man braucht eine Lupe, Geduld und ein passendes Habitat. :)


    LG
    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!


    Es ist weiterhin spannend. Danke für alle Beiträge! Dass man diese Pilze wirklich im Feld finden kann, finde ich umso interessanter. Eventuell schaut ja zufällig mal einer der Verantwortlichen für Pilze-Deutschland rein und weiß vielleicht, ob diese zellulären Schleimpilze nicht gemeldet wurden oder sie bewusst ausgeschlossen werden.


    Danke auch für die beiden Literaturhinweise. Zumindest auf die ZMykol habe ich Zugriff und habe mir den Artikel mal durchgelesen. Dort wurde mit Erdproben gearbeitet und mithilfe von Heu und destilliertem Wasser wurden Sorocarpien (Ja, bei den Fruchtkörpern dieser Ordnung fehlt ja tatsächlich das "p") von 6 Vertretern der Gattung Dictyostelium und 3 Polysphondylium-Arten gezüchtet. Die Bilder deuten an, dass man die Sorocarpien beim Finden eher für Zygomyceten halten könnte, während die meisten Google-Bilder optisch Pilobolus-Arten (ja auch Zygomyceten) gleichen. Die Sporen sind ellipsoid, also auch nicht so wie man sie von "klassischen" Schleimpilzen kennt. Das von dir, Christoph, verlinkte Bild überzeugt mich irgendwie immer noch nicht komplett, weil z. B. die Papille an der Oberseite nicht erkennbar ist, die diese Art auf anderen Bildern aufweist, aber wer weiß schon, ob diese richtig benamst sind. Das altbekannte Restrisiko bei Internetbildern eben. :)


    LG, Jan-Arne

    • Offizieller Beitrag

    Es ist weiterhin spannend. Danke für alle Beiträge! Dass man diese Pilze wirklich im Feld finden kann, finde ich umso interessanter. Eventuell schaut ja zufällig mal einer der Verantwortlichen für Pilze-Deutschland rein und weiß vielleicht, ob diese zellulären Schleimpilze nicht gemeldet wurden oder sie bewusst ausgeschlossen werden.


    Hi,


    guck doch mal, ob die entsprechenden Vertreter in Mykis gelistet sind, dann weißt du es, ob die prinzipiell erfasst werden sollen oder nicht.


    l.g.
    Stefan


  • Das von dir, Christoph, verlinkte Bild überzeugt mich irgendwie immer noch nicht komplett, weil z. B. die Papille an der Oberseite nicht erkennbar ist, die diese Art auf anderen Bildern aufweist, aber wer weiß schon, ob diese richtig benamst sind. Das altbekannte Restrisiko bei Internetbildern eben. :)


    Servus Jan-Arne,


    das Foto stammt aus einer Bilderserie der University of California, Berkley, und zeigt reife bis abgesporte Fruchtkörper. Der Bildautor ist C. Wagner, ein Dictyostelium-Spezialist. Daher halte ich das Bild für authentisch. Es ist aber dennoch nur ein Internetfoto und da kann alles passieren - auch ein versehentlich falsch hochgeladenes Foto (usw.). Hier übrigens der Link auf die ganze Bilderreihe: https://calphotos.berkeley.edu…lifeform=ne&rel-family=eq


    Sonst werden meist junge, noch schleimige gezeigt, wenn sie im Labor gezüchtet werden. Die erinnern in der Tat mehr an Pilobolus.


    LG
    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Stefan,


    gute Idee! Und siehe da: 6 Dictyostelium-Arten sind in der Gesamtartenliste von MykIS vorhanden. Also tatsächlich übersehen oder nicht bestimmt.


    Hallo Christoph,


    na gut. Bei solch einer Referenz glaube ich das Bild dann natürlich gerne. Da fehlte mir der weitere Kontext zur Einordnung. Danke auch für den Link zur Bilderreihe.


    LG, Jan-Arne

                                                                               
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  • Hallo Stefan,
    in Mykis sind Dictyostelium und Polyspondylium mit verschiedenen Arten gelistet, aber auf Pilze Deutschland gibt es keine Nachweise.
    Das wundert mich zwar, weil Holger Müller seine Funde eigentlich eingegeben hat, aber wer weiß warum diese dann nicht drin sind.
    Es verwundert mich nicht daß es keine Funde gibt, denn die meisten "Myxologen" suchen nicht danach und die Anzucht solcher Arten aus Erdproben ist doch etwas umständlich,
    obwohl es doch sicher spannend wäre.
    LG Ulla