Hi Wutzi,
vor der Diskussion musste ich mich leider schon verabschieden. Was in der Diskussion halt oft genug fehlt, ist die Einordnung darüber, wie viel Prozent der in vitro oder Tierversuchsstudien letztlich tatsächlich in einer nachgewiesenen, wirksamen Therapie münden. Wer den Nachrichten folgt, der kann vermutlich jede Woche einige Artikel finden, die eine "vielversprechende neue Therapie für Krebs" ankündigen. Wieso hören wir von denen so oft hinterher nix mehr? Genau aus dem oben genannten Grund: Die Quote der erfolgreichen Transformation von in vitro/Tierversuch-Studien in erfolgreiche Therapien ist, gerade in der Krebsbehandlung, miserabel. Wie sagt man so schön: Viele Substanzen können Krebszellen in der Petri-Schale abtöten, inklusive Bleiche. Im Körper will man das Zeug aber nicht haben (einige Eso-Spinner sehen aber selbst das anders).
Ich beziehe mich hier mal primär auf eine Studie von Wong/Siah (2019), weil die die größte Datenbasis hat.
Bezogen auf alle Indikationen (und alle vielversprechenden Substanzen, also nicht nur Pilze) kommt man eine Erfolgsquote (also die Zulassung als Medikament nach dem Durchlaufen der clinical trials) von 13,8%.
Schauen wir nun spezifisch auf die Erfolgsquote in der Krebsbehandlung landen wir nochmal deutlich darunter. Die oben genannte Erfolgsquote ist deshalb noch relativ hoch, weil es bei allen anderen therapeutischen Gruppen (dazu gehören unter anderem auch Impfungen, die ja gerne von irgendwelchen fehlgeleiteten verteufelt werden, die aber stattdessen bedenkenlos Supplements einnehmen, für die keine Wirksamkeit belegt ist) deutlich häufiger zur Zulassung kommt (also die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit der untersuchten Substanz für die jeweilige Indikation bestmöglich nachgewiesen werden konnte).
Die Erfolgsquote für all die vielen "erfolgversprechenden Krebsheilmittel" liegt bei sagenhaften 3,4%.
Sprich bei 100.000 untersuchten Substanzen münden 3.400 in einem Erfolg.
Das sieht als Diagramm in Prozenten also so aus:

Wer also auf die vielversprechenden Tierstudien in Bezug auf Krebs verweist, ohne das entsprechend einzuordnen, was das hinsichtlich der zu erwartenden Erfolgsquote bedeutet, der argumentiert für mich unredlich (und nicht selten auch in Kombination mit Eigeninteressen...). 95% der Konsumenten entsprechender Informationen wissen das gar nicht richtig einzuordnen.
Wenn mir ein Arzt ein Medikament verschreiben würde, das in 3,4% der Fälle wirksam ist, würde ich den Arzt wohl wechseln, wenn ich es hinterher noch kann...
Der Fairness halber sieht die Studie aber durchaus Verbesserungspotential, insbesondere durch die Anwendung von Biomarkern kann sich die Zulassungsquote deutlich verbessern. In der hier genannten Studie in Hinsicht auf die Krebsforschung von 1,6% auf 10,7%. Das ist schon deutlich besser aber immer noch ganz weit weg von einer "sicheren Bank".
Kurz gesagt, mMn werden regelmäßig die zu ewartenden Ergebnisse aus der Transformation von Präklinischen Studien in Klinische Studien maßlos überschätzt. Und die meisten Studien über Heilpilze, auch die gut erforschten, sind weiterhin zu einem großen Teil in der präklinischen Phase. Die sind sicherlich nicht bedeutungslos, weil sie ja überhaupt erstmal feststellen sollen, bei welchen Substanzen man nochmal genauer hinschauen könnte. Aber daraus dann eine vermutliche Wirksamkeit ableiten zu wollen, greift angesichts der Erfolgsquoten in dem Bereich deutlich zu weit.
Bei den Pilzen (und nicht nur da) entwickelt sich aber, auch ohne nachgewiesene Wirksamkeit, gerade ein sehr lukrativer Markt für Nahrungsergänzungsmittel und Nootropika, die überwiegend auf präklinischen Studien aufbauen und deutlich geringere Anforderungen für ihre Marktreife erfüllen müssen als Medikamente.
Wenn solche Mittelchen sich nur irgendwelche Selbstoptimierungs-Yuppies reinpfeifen würden, wäre mir das egal.
Aber sicherlich kaufen auch viele kranke (und oft auch verzweifelte) Menschen solche Produkte als Strohhalm in der Hoffnung auf Besserung, unwissend wie gering die Erfolgsaussichten eigentlich sind, dass ein solches Produkt wirklich in ihrem konkreten Fall helfen kann. Und das ist das was ich persönlich ekelhaft an dieser Industrie finde.
LG,
Schupfi