Hallo Benjamin
Zunächst die guten Neuigkeiten: Mit Melanoleuca liegst du richtig.
Die schlechte Neuigkeit: Eine sichere Bestimmung in der Gattung ist eine Mutprobe, oft gelingt es nur per Sequenzierung.
Die Weichritterlinge sind in der Präparationstechnik und beim Mikroskopieren sehr anspruchsvoll.
Sporen messen ist einfach, das hast du im Abwurf gemacht, soweit alles gut.
In dem Melzer-Präparat sieht man schön die amyloiden Warzen, das ist typisch für Melanoleuca (und einige andere Gattungen).
Cheilozystiden gibt es nicht bei allen Melanoleucas, und oft sind sie sehr schwer zu finden oder es gibt nur vereinzelte.
Da musst du in Kongorot anfärben, dann vorsichtig quetschen, nicht zu viel.
Dann unters Mikroskop tun und je nachdem nach und nach etwas mehr quetschen.
Dadurch, dass die Zystiden oft spärlich und unauffällig sind, hast du ein Problem: Du kannst nie definitiv beweisen, dass es KEINE Zystiden gibt.
Nur wenn du eine findest, bist du sicher dass es welche gibt. Das heisst: Wenn du keine findest, musst du lange suchen und mehrere Präparate machen.
Es gibt drei Möglichkeiten bei Weichritterlingen:
a) Du findest gar keine Zystiden
b) Es gibt grosse, breite, auffällige Zystiden (Makrozystiden)
c) Es gibt schmale, spitze Zystiden die oft an der Spitze einen Kristallschopf haben (Brennhaarzystiden)
Wenn du die Frage der Cheilozystiden geklärt hast, geht die Mühe an der Stieloberfläche weiter.
Dazu entnimmst du eine dünne Schicht kurz unter der Stielspitze, und dann suchst du dort:
a) Gibt es Basidien? (ja, manche Weichritterlinge haben Basidien am Stiel)
b) Gibt es echte Kaulozystiden, die ähnlich geformt sind wie die an der Lamellenschneide?
c) Gibt es andere, meist keulige oder zylindrische Elemente?
Das ist nachher alles wichtig. Kleiner Tipp: Wenn du b mit ja beantwortest, aber an der Schneide keine Zystiden gefunden hast, dann warst du nicht gründlich genug.
Jeder Weichritterling mit echten Kaulozystiden hat auch Cheilozystiden.
Makroskopie hätte ich fast vergessen:
- Querschnitt machen, Farbe des Fleisches in der Stielbasis ist wichtig
- Geruch notieren
- Form der Stielbasis ist wichtig (gerade, verdickt, keulig, knollig)
- Hut und Stiel messen und für später notieren
So, wenn du das alles hast, studierst du die englischen Papers von Antonin et al. der letzten Jahre.
Alle andere Literatur kannst du vergessen, nicht einmal mit der Funga Nordica kann man heute noch Weichritterlinge bestimmen.
Für die Arten ohne Zystiden gibt es keinen aktuellen Bestimmungsschlüssel, d.h. du musst anhand der äusserst ausführlichen Beschreibungen bestimmen.
Die einzelnen Arten sind oft kaum abgrenzbar, insbesondere wenn man nur einen Fruchtkörper hat.
Fazit:
Weichritterlinge sind gut um Mikroskopieren zu lernen, aber brauchen sehr viel Geduld.
Du darfst nicht enttäuscht sein, wenn am Schluss die ganze Mühe vergebens war.
Wenn du Lust hast all die Mikromerkmale zu sammeln, kann ich dir zumindest bei der Bestimmung helfen und du kannst dir das Studium der Papers erstmal sparen.
Noch was: Melanoleuca brevipes ist ein nomen confusum. Der Name wurde quasi für alle braunen Weichritterlinge mit auffällig kurzem Stiel benutzt.
Das ist aber gar kein arttrennendes Merkmal, sondern kann bei vielen Weichritterlingen auftreten.
Nachdem diverse brevipes-Kollektionen sequenziert wurden, kamen etliche verschiedene Arten dabei heraus.
Welche dieser Arten Bulliard im Jahr 1791 in der Hand hatte, als er "Agaricus brevipes" beschrieb, lässt sich leider nicht mehr feststellen.
LG Raphael