Ein etwas anderes Setup zur Pilzfotografie

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 221 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Olaf G.

  • Ok, wie versprochen, ein paar Worte zum Setup. Ich werde die Formelsammlung erst einmal nicht auspacken, drei Viertel von Euch werden sowieso bei den langatmigen Ausführungen einschlafen..


    Eins vorweg: Ich genieße den Prozess des Fotografierens in der freien Natur und strebe nicht danach, ein Motiv so schnell wie möglich "im Kasten zu haben". Für mich ist das Fotografieren Entspannung pur, Hektik mag ich da überhaupt nicht. Aber: ich will auch (für meine Ansprüche) qualitativ hochwertige Ergebnisse, ohne dafür meine Nieren verkaufen zu müssen. In der Konsequenz ist die hier skizzierte Herangehensweise ein kompletter Gegenentwurf zu "ich drücke den Knopf und die Kamera macht den Rest". Von den Automatikfunktionen der Kamera benutze ich nur einen Bruchteil, Autofokusobjektive besitze ich erst garnicht.


    Wie kam ich zur Pilzfotografie?

    Im Oktober 2022 habe ich festgestellt, dass ich die notwendige Ausrüstung und Software herumliegen habe, um aus reiner Neugierde mal dieses neumodische "Focus Stacking" auszuprobieren. Bei der Motivsuche stellte ich fest, dass sich Blumen und Insekten zu schnell bewegen (für mich zumindest). Also suchte ich nach geeigneten, eher statischen Motive und kam zu den Pilzen. Die ersten Focus Stacking-Ergebnisse waren komplette Katastrophen, worauf ich beschloss, den Aufnahmeprozess besser zu verstehen und methodischer anzugehen, um konsistent gute Ergebnisse zu erhalten. Die Technik hat mich also zu den Pilzen geführt, und die Pilze (und später Schleimpilze) haben mich mit ihrer Farb- und Formvielfalt so in ihren Bann gezogen, dass ich seitdem fast ausschließlich Pilze und Schleimpilze fotografiere. Ausnahme: bei richtig fettem Nebel zieht es mich in die Felder und Wälder und ich mache Landschaftsaufnahmen.


    Meine derzeitige (Standard-)Ausrüstung für die Pilzfotografie:

    Kamera:

    Sony A7rII mit einem 42 MP-Sensor im Kleinbildformat (auf Neudeutsch "Vollformat")

    Objektive:

    - mit Leica-Schraubanschluss (LTM = Leica Thread Mount, M39 × 1/26")

    Qioptiq Rodagon 80 mm f/4

    Qioptiq Rodagon 105 mm f/5.6

    Qioptiq Rodagon 135 mm f/5.6

    - mit RMS Anschluss (RMS = Royal Microscopical Society, in früheren Zeiten das Standardgewinde für Mikroskopobjektive, Whitworth-Gewinde W 0,8" × 1/36")

    Canon Macro Photo Lens 35 mm f/2.8

    Carl Zeiss Jena Semiplan 6.3/0.16 160/-


    Keines der aufgeführten Objektive hat einen eigenen Fokussiermechanismus, d.h. zum Fokussieren wird ein Balgengerät oder eine Fokussierschnecke benötigt. Da mir ein Balgengerät im Außeneinsatz viel zu klobig und feuchtigkeitsanfällig ist, benutze ich eine Fokussierschnecke (Schneider-Kreuznach Unifoc 58) in Kombination mit diversen Verlängerungsringen und Adaptern, um die oben genannten Optiken einsetzen zu können.

    Die Objektive sind sehr klein und leicht und können zum Teil auch kombiniert werden (Stichwort: gestackte Objektive). Außerdem handelt es um "echte" Festbrennweiten, für die ohne Probleme der Abbildungsmaßstab in Abhängigkeit vom Abstand zum Sensor berechnet werden kann. Das ist am Ende des Tages wichtig, um die notwendige Schrittweite für die einzelnen Aufnahmen zu ermitteln. Außerdem ist der Arbeitsabstand groß genug, um Hilfsmittel wie z.B. einen Oberflächenspiegel im optischen Pfad einsetzen zu können.


    In der Praxis sieht das dann so aus (ich hoffe, die Beschriftung ist noch zu lesen):



    Es ist spät, der kleine Olaf muss ins Bett. Später geht es weiter...


    LG Olaf

  • Hallo Olaf,


    es sammelt sich doch allerhand Gerümpel an, wenn man knipsen geht. Und wenn man dann Licht und anderen Kram wie Umkehrschienen etc. mit schleppt, da kommt auch gewichtsmäßig etwas zusammen... g:-)


    Viele Grüße,

    Steffen

  • Hallo Steffen,


    ja, so ist es. Leider ist Gewicht manchmal unverzichtbar, weil es - wenn es an der richtigen Stelle positioniert ist - zur Stabilität des Setups beitragen kann. Ich habe mal versucht, mein altes Alustativ durch ein kleines, leichtes Karbonstativ aus der Billigfraktion zu ersetzen und es hat sich ziemlich schnell herausgestellt, dass es für die manuelle Einstellung der Stacking-Aufnahmen völlig unbrauchbar war, da es viel zu lange nachgeschwungen hat. Für die heutzutage beliebten Kameras mit Stacking in der Kamera mag das funktionieren, aber nicht für mein Setup. Beim Licht bin ich eher leicht unterwegs, weil ich abgesehen von der Kamera möglichst wenig stromabhängige Ausrüstung durch die Gegend tragen will. Aber dazu später mehr.


    LG, Olaf

  • Hallo Olaf,


    herzlichen Dank für die Beschreibung deines Kamera-Equipments - ich hatte dich ja darum gebeten. Die Ergebnisse, die du damit erzielst, sind wirklich beeindruckend, meine Gratulation und Anerkennung!


    Ich mache mir die Sache etwas leichter, benutze zum Stacken das kamerainterne Stacking-Programm der Canon R6 mark II samt autofokusbetriebenem Makro RF 100mm/2.8. Diese Kombi sitzt auf einem sehr kleinen, aber stabilen Stativ. Alternativ dazu benutze ich in Bodennähe einen Bohnensack, hinzu kommen zwei handliche Reflektoren für Aufhellung bzw. Abschattung.


    Danke nochmals und herzliche Grüße,

    Rainer

  • Hallo Rainer,


    das ist eine sehr schicke Ausrüstung, mit einem sehr breiten Abbildungsbereich (bis 1,4-fache Vergrößerung), sehr gut korrigiert, aber auch mit einem heftigen Preisschild. Von Deinen wunderbaren Bildern sehe ich, dass Du bei den etwas größeren Pilzen unterwegs bist, während bei mir der Fokus auf eher kleineren Pilzen liegt. Ich werde mich noch dazu äußern, welche Aufgabenbereiche die Objektive haben, die ich oben erwähnt habe.


    LG, Olaf

  • Hallo zusammen,


    auf dem Bild oben ist der grundsätzliche Aufbau des Stativkopfes zu sehen, den ich hier kurz beschreiben werde.


    Das ganze Konstrukt sitzt auf einem alten Gitzo 1226 Mk. 2 Alustativ, bei dem ich die Mittelsäule entfernt und durch eine Markins Tripod Base (Markins TB-20) ersetzt habe, um die Beine des Stativs - wenn benötigt - bis zu 90 Grad abspreizen und die Kamera so nah wie möglich in Bodennähe positionieren zu können, ohne dass die Mittelsäule im Weg ist.


    Folgt mir bitte auf dem Bild einfach von oben nach unten:


    Auf der Tripod Base sitzt ein alter 2D-Stativneiger, der baugleich von unterschiedlichen (längst untergegangenen) Firmen wie Plaubel oder Foba für Großformatkameras (Großformatkamera – Wikipedia) angeboten wurde, richtige Kameras halt, nicht so Spiegelreflex- oder andere Digital-Miniaturkameras. Der Neiger bringt schon allein mehr als ein Kilo auf die Waage, die ursprünglichen Drehknöpfe habe ich durch Flügelschrauben ersetzt, die ich durch Sicherungsmuttern "unverlierbar" gemacht habe. Weshalb das? Ich bin schon einmal im Frankfurter Stadtwald unterwegs gewesen, finde nach einer halben Stunde einen schönen Pilz, will das Stativ aufbauen, und stelle fest, dass ich einen der Feststellknöpfe für den Stativneiger im Wald verloren habe. Deshalb!


    Danach kommt eine Novoflex-Panoramaplatte, mit der ich den Neigungswinkel des Aufbaus variieren kann.


    Darauf folgt das Kernstück, ein Manfrotto 454 Makro-Einstellschlitten. Einige Leute im Internet vertreten die Ansicht, dass dieser Einstellschlitten für das Focus Stacking völlig ungeeignet ist, weil er zu sehr wackelt. Ja, dieser Einstellschlitten wackelt wie ein Rattenschwanz! Das Problem habe ich behoben, indem ich ein 0,2 mm dickes Messingblech mit grober Gewalt an geeigneter Stelle eingeschlagen habe. Jetzt wackelt nichts mehr. Das Blech kann man unter dem "Backen" (mir fällt kein besseres Wort dafür ein) sehen, auf dem "Manfrotto 454" geschrieben steht. Dieser Einstellschlitten wird über eine M8-Gewindestange mit einer Steigung von 1,25 mm angetrieben, d.h. eine volle Umdrehung der geriffelten Drehknöpfe bedeuten 1,25 mm Vortrieb.


    Auf dem Einstellschlitten sitzt eine Kombination von Schnellkupplungsschienen, mit der ohne Änderung des Neigungswinkels die Kamera nach oben oder unten bzw. vom Motiv weg oder zum Motiv hin bewegt werden kann.


    Daran wird letztendlich über die Stativschelle die Kamera an dem Aufbau befestigt. Die Kamera kann, wenn die Feststellschraube der Stativschelle gelockert wird, in der optischen Achse gedreht werden (quasi um den "Horizont" zu begradigen).


    Soweit zum Aufbau. Ziel ist größtmögliche Flexibilität bei akzeptabler Stabilität. Ja, das Teil ist schwer, aber es sind die Teile, die ich herumliegen hatte.


    LG, Olaf


    P.S.: Vielen Dank an alle, die es bis hier hin durchgehalten haben! :daumen:

  • Hier noch einmal der Aufbau aus anderer Perspektive. Hier sieht man auch einen Inbus-Schlüssel, mit dem ich den Einstellschlitten antreibe. Die Inbus-Aufnahme im Einstellschlitten ist magnetisch, daher habe ich am Inbus-Schlüssel einen starken Neodym-Magneten befestigt, damit der Schlüssel nicht einfach herausfällt.



    Und das Ergebnis:



    Ich werde später noch etwas zu den Violetten Lacktrichterlingen schreiben, weil dort der Oberflächenspiegel ins Spiel kommt und weshalb große Arbeitsabstände hilfreich sein können.


    LG, Olaf