Orbilien (Knopfbecherchen) im Frühjahr 2023

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 1.324 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Sebastian_RLP.

  • Hallo Mikropilz-Fans,


    nachfolgend möchte ich ein paar selten gezeigte Arten aus der Gattung Orbilia (Knopfbecherchen) vorstellen, von denen es kaum Dokumentationen im Netz gibt, was sicherlich an deren Kleinheit, relativen Seltenheit, speziellen Standorten und auch daran liegt, dass viele der Arten erst in Zottos Monografie 2020 beschrieben wurden.

    https://ps.mnhn.lu/pub/Baral_et_al_2020_Monograph_Orbiliomycetes_Part_I.pdf

    https://ps.mnhn.lu/pub/Baral_et_al_2020_Monograph_Orbiliomycetes_Part_II.pdf


    3 der 4 Arten, die ich zeige, wurden von Torsten Richter gefunden, ich hab die Proben dann zur fotografischen Dokumantation erhalten, ein Fund stammt aus meinem eigenen Garten.


    Orbilia cardui

    Dies dürfte die häufigste der hier vorgestellten Arten sein, wächst gerne an allen möglichen Krautstängeln, ich hatte sie schon an Brennnessel, Springkraut und hier an Goldrute (Solidago).

    O. cardui hat recht kleine Sporen mit einem rundlichen SB (Spore Body), der mit einem winzgen Kanal mit der Sporenspitze verbunden ist. Dazu kommen Exsudatkappen an den Marginalzellen.

    Hier ist bei der dritten Spore von links in der unteren Reihe eine Besonderheit zu erkennen: Normalerweise sitzen die SBs im oberen, breiteren, gerundeten Teil der Sporen, hier hat sich einer in den unteren, schmaleren Teil der Spore "verirrt". Sowas passiert, ist aber sehr selten zu beobachten, Zotto beschreibt dieses Phänomen auch in seiner Monographie. Das ist aber keineswegs bestimmungsrelevant, dennoch interessant zu sehen.


    Orbilia ungulata

    (2 Standortfotos von Torsten)

    Wieder an Solidago, auch diese Art wächst an allen möglichen Krautstängeln. Auch diese Art hat ziemlich kleine Sporen, aber völlig anders geformte SBs als z.B. cardui. Typisch ist neben den Sporen mit ihren SBs auch das Vorhandensein von SCBs (Soluble cytoplasmic bodies, das sind die rundlichen bis unregelmäßig strich- und quaderförmigen Zellkörper, die man in den Zellen des Excipulums hier häufig sieht; in KOH lösen sie sich auf, daher die Bezeichnung als "soluble"), dies unterscheidet die Art von der von den Sporenmerkmalen ähnlichen O. vitalbae, die aber zudem oft stärker gefärbt ist, etwas größere Mikrostrukturen hat und lieber, aber nicht nur, an Holz wächst.


    Orbilia ebuli

    Die letzte Art hier an Solidago ist eine sehr selten berichtete. O. ebuli wächst nicht nur, wie der Name vermuten lässt, an Sambucus ebulus, auch wenn sie das auch häufig tut. Leider war die Probe hier makroskopisch nicht mehr top in Schuss, aber die Mikromerkmale waren intakt. Von diesen seltenen Arten lohnt es sich, jeden Fund zu dokumentieren.


    Orbilia siculispora

    Dies ist nun die Art aus meinem eigenen Garten. Vermutlich ist sie gar nicht so selten, aber wächst als trockenheitsliebende Art an Standorten, die normalerweise kein Pilzsucher gezielt ansieht: Frei hängendes, häufig trockenfallendes, gut durchmorschtes Holz, also z.B. am Baum ansitzende tote Äste, alte Stämme mit viel zerklüfteter Rinde, etc.

    Hauptsächlich ist diese Art von Ulmus bekannt, hier an einem in 3 Meter Höhe ansitzenden Ast eines Apfelbaums (Malus domestica), von dem ein Stück bei feuchter Witterung abgebrochen ist, an dem Stück waren die Becherchen durch die dukle Färbung des Holzes mal gut zu erkennen. Makroskopisch denkt man hier nicht sofort an eine Orbilia, es gibt aber durchaus viele Arten, auch einige bei uns, die so aussehen.

    Mikroskopisch recht auffällg durch die Sporen mit einem abrupten Knick an der Basis. Das haben aber auch wieder mehrere Arten. Die Paraphysen haben hier viele kleine Guttulen, was die Funde an Ulmus von Zotto et. al nicht hatten. Dagegen hatte eine slowakische Kollektion an Populus ebensolche Paraphysen. Ob das nun ein Hinweis auf mehrere Arten ist oder nicht, müsste genetisch verifiziert werden. Es gibt als auch nach Zottos Mega-Monografie noch genug offene Fragen bei dieser Gattung, auch bei heimischen Arten.


    Wer so etwas nachsuchen möchte, am besten bei feuchter Witterung oder unmittelbar nach Regenfällen an sonst eher trockenliegenden Krautstängeln oder gleich an exponiertem Totholz schauen. Die Arten halten Trockenheit recht gut aus, besonders siculispora, aber da gibt es viele weitere, einige hab ich z.B. hier schon mal gezeigt:


    Bei Trockenheit selbst kann man auch ganzjährig suchen, aber viele Apothezien von Orbilia werden so klein, dass sie selbst mit Lupe dann schwer auszumachen sind, auffälligere gibt es natürlich auch, auch aus anderen Gattungen, z.B. Patellaria, Durella, Capronia, Exarmidium, Hysterium, Hysteropatella, Pragmopora, Triblidiopsis, Cryptodiscus, Karstenia, Propolis, Melittosporiella, etc.

    Ganz zu schweigen von den vielen Anamorphen und Flechten.

    Es gibt also immer genug zu finden, zumindest wenn man keine Ansprüche an die Größe der Pilze stellt. ;)


    Viele Grüße

    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.

  • Eine schöne Vorstellung der Arten hast du da wieder gemacht, das macht Lust zum nachsuchen! Von den Gattungen die du zum Schluß nennst habe ich noch von keiner einzigen Gehört ^^


    LG, Chris

    ...........................:snail:

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  • Mal wieder genial, lieber Matthias! :thumbup::thumbup::thumbup:

    Von den Gattungen die du zum Schluß nennst habe ich noch von keiner einzigen gehört.

    Guckst Du hier! Da stellt Matthias u.a. Triblidiopsis pinastri vor.

    Wenn man mit Matthias unterwegs ist, findet man diese Art unweigerlich! ;)


    LG, Nobi

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    Chips: 72

  • Hallo Nobi,


    vielen Dank für den Link, da werde ich auch mal nach schauen ob Triblidiopsis pinastri bei uns vorkommt!


    LG, Chris

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  • Hallo Chris, hallo Nobi,


    danke für Eure Rückmeldungen - habe soeben noch ein Thema zu Triblidiopsis und Triblidium eingestellt.


    Wenn so viele Gattungen und Arten noch gar nicht bekannt sind, werd ich wohl auch mal die häufigeren noch ausführlicher vorstellen. Hysterium pulicare, Durella connivens, Capronia pilosella und Cryptodiscus foveolaris gehören zu den häufigsten Pilzen, die ich finde. Wobei ich natürlich gezielt an solchen Spezialstandorten wie exponiertem, ansitzenden Totholz suche.


    Viele Grüße

    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.

  • Hallo Matthias

    Ganz grosses Kino. Vielen Dank für die links, diese kann ich gut gebrauchen.

    Deine Stero-Aufnahmen interessieren mich wie kriegst du das hin? Gestackt?

    BG Andy

  • Hallo Andy,


    gerne - ja, die Auflicht-Aufnahmen sind alle gestackt, meist zwischen 7 und 30 Einzelbilder. Ohne bekommt man es unmöglich so hin.

    Eine Stereolupe nutze ich dafür nicht, die Fotos entstehen alle am Mikroskop (Zeiss Axio Lab A1) und einer Canon-EOS-Kamera, die ich mit einem speziell dafür vorgesehenen Adapter von Zeiss am dritten Okular des Mikros anschrauben kann. Ich kann also mit dem gleichen Aufbau Auflicht- und Durchlichtfotos machen. Für die Beleuchtung der Auflichtmotive nutze ich zusätzlich 1-2 Schreibtisch-LED-Lampen, je nachdem wie gleichmäßig die Ausleuchtung sein soll. Da reichen ganz einfache, man muss nur den Weißabgleich der Kamera mal drauf einstellen.


    Viele Grüße

    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.

  • Hallo Matthias,


    eine fantastische Darstellung, vielen Dank auch für die Verlinkung der hervorragenden und sehr interessanten Monografien. Wir hatten ja beim APV-Treffen im März ebenfalls eine Orbilia: 02 Orbilia xanthostigma cf. - das gelbe Madensporknopfbecherchen


    Ich hatte aufgrund der Sporenformen auf das Madenknopfbecherechen getippt. Aber obs stimmt. Jetzt kann ich mich ja nochmal vertiefen.


    LG Sebastian

  • Hallo Sebastian,


    Orbilia xanthostigma passt, in meiner Datenbank übrigens die zweithäufigste Orbilia-Art (nach eucalypti agg). In sich ist das noch ein Artenkomplex, insb. bei weltweiter Betrachtung. Laut Monografie hat Zotto da auch noch einen Artikel dazu in Vorbereitung. Zum Artenkomplex xanthostigma-leucostigma gibt es in der Monografie eine sehr ausführliche Beschreibung und Diskussion.


    Viele Grüße

    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.

  • Hallo Matthias,


    vielen Dank für deine Einschätzung, ja xanthostigma scheint nicht so selten zu sein. Findet sich so auch in der Monografie. Die Beschreibung habe ich entdeckt, werde mich gerne mal vertiefen.


    Danke und LG Sebastian.