Bitte um Bestimmungshilfe – Welche Mycoacia-Art?

Es gibt 21 Antworten in diesem Thema, welches 2.065 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Bernd Miggel.

  • Pilzfreund Dieter Gewalt fand Ende November an vermorschtem Buchenholz einen resupinaten Stacheling (Bild 1). Bei der Bestimmung komme ich zwar bis zur Gattung Mycoacia, aber bei der Artbestimmung hapert es. Wer kann weiterhelfen?


    Bild 1 - Der Fruchtkörper am Fundort, Foto Dieter Gewalt.



    Eckdaten

    • Funddatum: 24.11.2022
    • Fundort: bei Dietzenbach, Hessen
    • leg.: Dieter Gewalt
    • Substrat: Fagus sylvatica, morsch


    Makromerkmale

    • Die Stacheln stehen einzeln und sehr dicht, besitzen scharfe, manchmal auch geschnäbelte Spitzen. Sie sind dünn, bräunlich und besitzen eine Länge von bis zu 5 mm (Bild 2).

    Bild 2 - langstacheliges Hymenium, Foto Dieter Gewalt.

    • Der Fruchtkörperrand ist weißlich, dünn und feinfaserig ausgefranst (Bild 3).

    Bild 3 - weißer Fruchtkörperrand, Foto Dieter Gewalt.

    • Mit Kalilauge verfärbt sich der Fruchtkörper dunkel purpurrot (Bild 4).

    Bild 4 - Farbreaktion mit KOH, unten links im Bild, Foto Dieter Gewalt.



    Mikromerkmale

    • Die Sporen sind glatt, hyalin, mehr oder weniger zylindrisch (Bild 5) und nicht amyloid (Bild 6).

    Bild 5 - Sporen (KOH 3 %)


    Bild 6 - Basidie mit Sporen (Melzers Reagenz)


    • Sporenmaße (auf Grund einer Stichprobe von 23 repräsentativen Sporen, mit 95-proz. Wahrscheinlichkeit, gemessen in 3-prozentiger Kalilauge):
    • L x B = 5,0-6,6 x 2,3-3,1 µm Lav x Bav = 5,6-6,0 X 2,6-2,8 µm Qav = 2,11-2,25 Vav = 20-24 µm3
    • Die Basidien sind 4-sporig und besitzen Basalschnallen (Bild 7).

    Bild 7 - Basidiolen mit Basalschnallen (NH3-Kongorot)

    • Die Trama ist monomitisch.
    • Die Hyphen sind dünnwandig mit großen Schnallen an den Septen (Bild 8).

    Bild 8 - Hyphen und inkrustierte Zystiden (NH3-Kongorot).

    • Es sind dickwandige, Kristallschopf tragende Zystiden in der Trama vorhanden (Bild 9, präpariert in SDS-Kongorot).

    Bild 9- dickwandige, inkrustierte Zystiden mit Kristallschopf (SDS-Kongorot)


    • Außerdem gibt es dünnwandige, spindel- bis flaschenförmige Zystiden oder Zystidiolen, die die Basidienfront teilweise überragen (Bild 10, Bild 11).

    Bild 10 - Hymenialfront mit dünnwandigen Zystiden (NH3-Kongorot)


    Bild 11 - Basidie und dünnwandige Zystide (NH3-Kongorot)


    Notizen

    • In der Literatur finde ich keine Mycoacia-Art mit sowohl dickwandigen, inkrustierten als auch mit dünnwandigen, nicht inkrustierten Zystiden oder Zystidiolen.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Hallo Bernd,


    für mich sieht das wie eine Mycoacia uda aus.

    Vergleiche auch mal hiermit:

    Mycoacia sp. auf Esche> Mycoacia uda


    Ich bin gespannt was Frank zu Dieters Fund sagt. Tomentella


    VG : Thorben

  • Hallo Thorben,

    Mycoacia uda besitzt aber keine dickwandigen, inkrustierten Zystiden mit Kristallschopf, wie ich sie gefunden habe (Bild 9).

    Hier nochmals diese Zystiden des Fundes in stärkerer Vergrößerung, angefärbt mit SDS-Kongorot:

  • Hallo Bernd,

    da habe ich mit dem Link Mist gebaut.

    Ich dachte es wäre die M. uda und hatte den Threadnamen so unbeannt und dann später in diesem Thread verlinkt.

    Nur kam in dem Thread kein Ergebnis raus, dafür passt der dickwandige Kristallschopf ;)

    Auf jeden Fall hast du da einen interessanten Fund gemacht und ich bin gespannt was da heraus kommt.


    VG: Thorben

  • Hallo zusammen,


    die purpurfarbene KOH-Reaktion, die Sporenform, die stark inkrustierten, zystidenähnlichen Hyphenenden und die kleinen spitzen dünnwandigen Zystiden sprechen für Phlebia (Mycoacia) fuscoatra.

    Phlebia (Mycoacia) uda hat mehr elliptische Sporen, keine stark inkrustierten Hyphenenden, intensiv zitronengelbe Fruchtkörper, die in KOH violett verfärben.


    LG

    Frank

  • Hallo Frank,


    interessant! Die dünnwandigen Zystiden des Fundes sind aber nicht spitz. So spitz, wie Eriksson & Ryvarden es in ihrem Vol 4 zeichnen, sehen meine Zystiden wirklich nicht aus.

    Nach welchem Autor bzw. nach welcher Monographie richtest du dich?


    lg - Bernd

  • Hallo Bernd,


    so sehr spitze Zystiden sehe ich bei deinen Bildern auch nicht. Aber wenn man ein Exsikkat nicht selbst in der Hand hält, bleiben Unsicherheiten!

    Nach Eriksson & Ryvarden Vol. 4 richte ich mich auch noch. Du kannst mir das Exsikkat ja mal zusenden. Ich habe schon mehrere intermediäre Formen bei den Mycoacia-Arten festgestellt.


    LG

    Frank

  • Hallo Frank,


    vor ein paar Tagen habe ich den Larsson & Ryvarden (2021) Corticioid fungi of Europe Vol. 1 bestellt. Kommt heute oder morgen. Mal sehen, ob da was drin steht. Wegen Exsikkat-Zusendung frag ich mal den Sammler. Dürfte aber kein Problem sein.


    lg - Bernd

  • Hallo Frank,


    der Band 1 ist gekommen. Du hast völlig Recht, er reicht nur bis Buchstabe G. Aber es ist vorne im Buch ein Gesamtschlüssel enthalten, der unter anderem die Mycoacia-Arten aufschlüsselt. Ausgehend vom gemeinsamen Schlüsselpunkt "Basisiosporen subzylindrisch" wird aufgespalten:

    • "Zystiden glatt oder nur leicht inkrustiert" führt über mehrere Schlüsselpunkte zu Mycoacia fuscoatra,
    • "mit stark inkrustierten Zystiden" führt über mehrere Schlüsselpunkte zu Mycoacia nothofagi.

    M. nothofagi ist in Eriksson & Ryvarden Vol. 4 nicht enthalten. Wegen der starken Inkrusrierung der Zystiden deute ich den Fund vorerst als M. nothofagi.


    Wenn du mir deine Adresse per PN zukommen lässt, schicke ich dir ein Teilexsikkat.


    lg - Bernd

  • Hallo, Bernd!


    Mycoacia nothofagi sieht auch (meistens) makroskopisch anders aus und die Zystiden dort sind schon "richtige" Lamprozystiden - entspringen also dem hymenium (unter Anderem).

    Solche tiefer im Kontext sitzenden, inkrustierten Elemente sind mir auch schon immer wieder mal bei Krusten begegnet, ohne daß das Verhalten in der Literatur erwähnt würde. Meistens sind das letztlich nur irgendwelche (dünn- oder dickwandigen) hyphenenden, die aus irgendeinem grund Stoffwechselprodukte / Inkrustierungen angelagert haben.
    Vor allem vor dem Hintergrund, daß "Mycoacia uda" anscheinend ein Aggregat aus mehreren, sehr ang verwandten Arten sein könnte, würde ich diesem einen Faktor nicht zu viel Bedeutung beimessen.

    Mycoacia fuscoatra meidet ganz offensichtlich Pablo, insofern hatte ich die noch nicht unterm Glas, kann das also nicht beurteilen, wie die inkrustierten Hyphenenden in der Stacheltrama dort aussehen müssen. Aber wenn ich die Beschreibungen noch richtig im Kopf habe, sollten diese dort ja auch an den Stachelspitzen zu finden sein, bzw. dort sogar besonders ausgeprägt sein?



    Lg; Pablo.

  • Hallo Pablo, hallo Frank,


    könnt ihr mir Literatur zur Gattung Mycoacia empfehlen, die auch M. nothofagi beinhaltet?


    lg - Bernd

  • Hallo Pablo,


    falls du an einem Teilbeleg interessiert bist, kannst du mir gerne deine Anschrift per PN schicken. Dein Urteil interessiert mich auch sehr!


    lg - Bernd

  • Hallo, Bernd!


    Ich komme eh schon so wenig zum Mikroskopieren im Moment: Da liegen noch über ein Dutzend Pilze rum, die ich im Herbst gesammelt und immer noch nicht durchleuchtet habe. :gkopfkratz:

    Die von Frank empfohlene Literatur sollte aber erstmal helfen - ich vermute aber ohnehin, daß sich in der Gattung (Phlebia inclusive Mycoacia) noch einiges bewegen wird in den kommenden Jahren. Solange es dazu aber keine konkreten Veröffentlichungen gibt, können wir ohnehin nicht anders, als zur Not eben mit "s.l." und "agg." zu arbeiten.


    Diese inkrustierten Elemente sehen in der Tat komisch aus. Bei Phlebia uda agg. habe ich sowas selbst jedenfalls noch nicht beobachtet.



    LG; Pablo.

  • Hallo Bernd,


    dein Exsikkat ist heute gut angekommen. Folgendes Ergebnis: Makroskopisch und durch die violette KOH-Reaktion ist es eine typische Mycoacia uda! Der fimbriate und in Teilen noch zitronengelbe Rand sind gute Merkmale für M. uda. Die Länge der Zähnchen ist nicht bestimmungsrelevant, auch wenn sie in der Literaur meist kürzer angegeben werden.

    Mikroskopisch untypisch sind die vielen zylindrischen Sporen, neben den elliptischen, wie sie für diese Art beschrieben werden. Die fusiformen Zystiden (aber nicht spitz wie bei M. fuscoatra) sind auch zu dieser Art gehörig. Im Inneren reifer Zähnchen findet man stark inkrustierte "Pseudozystiden" (siehe deine Fotos), die in der Gattung so nirgends erwähnt sind. Stark inkrustierte Hyphenenden in der Aculei sind für

    M. fuscoatra und M. nothofagi beschrieben, die bei deinem Fund aber fehlen.

    Trotz dieser Abweichungen ist das für mich Mycoacia uda, vielleicht mit dem Zusatz s.l., wenn die Art mal in mehrere Arten aufgespalten werden sollte, wie Beorn es in seinem Beitrag schon vermutet.


    LG

    Frank

  • Hallo Frank,


    das sehe ich inzwischen genauso, vielen Dank! Dann werde ich den Fund wohl umbezeichnen.

    Vielen Dank auch an Pablo.


    lg - Bernd