Flechte mit gelben Bortensoralen / cf. Phaeophyscia endophoenicea

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  • Hallo miteinander,


    heute war ich auf einem kleinen den Löwensteiner Bergen vorgelagerten Hügel und habe die dortige Flechtenfunga fotographiert.


    Gerade habe ich eines der Bilder - an der Südseite eines besonnten Eschenstamms an der höchsten Stelle des Hügels (knapp über 360 m, oberste Lage Kieselsandstein) aufgenommen - in Vergrößerung vor mir und sehe zum ersten Mal eine Flechte mit knallgelben Bortensoralen. :gschock:

    Wow, so was habe ich bisher noch nicht gefunden/gesehen!

    Leider habe ich nur dieses eine Übersichtsbild gemacht.

    Donnerwetter, durch meine Kurzsichtigkeit erkenne ich häufig erst zuhause, was ich eigentlich aufgenommen habe, besonders, wenn's was Neues ist.

    Meine Lupe verwende ich wohl viel zuwenig...


    Naja, der Hügel ist nicht aus der Welt und ich komme sicher wieder vorbei, um mehr coole Bilder zu schießen!


    Doch jetzt zur (Aufnahme der) Flechte:

    Bild 1


    Bild 2 Fundort voraus


    Also dem Gattungsschlüssel nach käme eine Vulpicida (Fuchstöter) in Betracht.

    Die hat man früher, besonders in Skandinavien, in Wolfs-Köder gestopft, weil die Flechte für carnivore Säuger giftig ist.

    In Deutschland kommen von dieser Gattung nur 3 Arten vor.

    Es kommt davon nur V.pinastri - auch wegen des Fundortes - in Betracht.

    Was meinen denn die Kollegen hier, kann DAS stimmen?

    Vielleicht kann mir jemand hierzu eine helfende Hand reichen und meine Vermutung bitte bestätigen oder entkräften?


    LG, Martin

    Einmal editiert, zuletzt von KaMaMa () aus folgendem Grund: Rechtschreibfehler korrigiert

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Vulpicida-Fund“ zu „Vulpicida-Fund?“ geändert.
  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Vulpicida-Fund?“ zu „Vulpicida-Fund“ geändert.
  • Hallo,


    ich war heute morgen nochmal vor Ort, weil mir die Sache keine Ruhe lässt.

    Es lassen sich vor Ort noch mehr dieser Flechten am gleichen Baum und an Nachbarbäumen finden.

    Auch in der Morgensonne sind die Flechten gelbgrünlich und haben gelbe Sorale.


    Bild 3


    Bild 4


    Bild 5


    Aber die Flechtenlager sind nicht so gelb, wie ich es der Literatur nach erwarten würde.

    Sie liegen auf ein bisschen sehr gepresst an der Rinde an, um mich vorsichtig auszudrücken.

    Auf den meisten Abbildungen, die ich gesehen habe, steigen die Lappenränder deutlich empor - früher waren die Vulpiciden ja nicht umsonst unter Cetraria einsortiert!


    Ich wollte ein kleines Randstück (um 1 mm²) umklappen, um die Unterseite prüfen zu können.

    Dabei ist es aber abgebrochen und ich habe es mitgenommen.

    Beim Transport im dem Döschen zusammen mit anderem Flechtenmaterial wurde die Flechte mechanisch beansprucht.

    Unter der Stereolupe zeigen sich die Soredien nur an der Oberfläche gelb, darunter sind sie grün! (Bild 6), ganz anders, als noch auf Bild 5 mit der Flechte in-situ.

    Die Thallusunterseite erweist sich als schwarz! (Bild 7/8). Bei Vulpicida sollte sie hell/weißlich/gelblich sein, in der Lagermitte darf sie schwärzlich werden.

    Das passt nicht zu Vulpicida!

    Und ans Gebirge, wo sie eigentlich vorkommt, reichen unsere 360m Hügelchen hier auch nicht heran...


    Bild 6 (Smartphone) - Bruchstück unter Stereolupe, Sorale durch Transport etwas abgeschrubbert


    Bild 7 (Smartphone) - Blick auf schwarze Unterseite und Rhizinien


    Bild 8 (Smartphone) - Blick auf Spalt zwischen Borke und Flechte


    Was mich besonders stutzig macht, ist, dass einige Meter weiter, an einem Ahornbaum, GELBE Phaeophyscien, teilweise auch mit gelben Soralen, zu finden sind!!

    Die sollten definitiv graugrün sein! :gskeptisch: (Eventuell durch Kamerafehler verursacht)


    Bild 9 - gelbe Phaeophyscien, teilweise mit Gelbfärbung (ev. Kamerafehler!)


    Bild 10 - gelbe Physcia spec. (ev. Kamerafehler!)


    Deshalb meine Frage: Ist es denkbar, dass gelbe Flechten, Pilze oder Algen aufsitzen und den Flechten oberflächlich einen gelben Farbton verleihen?

    Und wenn das so ist - was ist auf Bild 1-8 zu sehen??


    Grüße grübelnd, Martin


    #########################################


    Nachdem ich eben meine Kamera an Flechtenfotos aus dem Buch auf Farbtreue getestet habe, muss ich leider feststellen, dass es sich bei Bild 9ff womöglich um Artefakte der Kamera handelt! Grautöne werden teilweise von der Kamera in Richtung gelb verschoben.


    Die Bilder 1-5 wurden mit der gleichen Kamera aufgenommen, die Farbwiedergabe sollte allerdings korrekt sein.

    Die Flechte Bild 1 habe ich heute auch mit dem Smartphone aufgenommen (Bild 11). Sie ist genauso gelb wie in Bild 1 gezeigt.

    Ich habe natürlich vor Ort die Flechten mit der Lupe kontrolliert und gelbe Sorale erkannt!

    Durch die gelben Sorale konnte ich die Flechte auch gleich wieder finden.

    Die Aufnahmen mit der Stereolupe (Bild 6-8) wurden aber mit dem Smartphone aufgenommen und sollten so passen.


    Bild11 (Smartphone) vgl. Bild1


    Bleibt trotzdem das Problem mit der schwarzen Unterseite und den eng anliegenden Lappen.

    Entschuldigung für die Farb-Verwirrung!


    LG, Martin

  • Hey Martin,


    Bin hier noch nicht zum Antworten gekommen. Ich halte das nicht für V. pinastri. Wenn ich nachher am Rechner sitze stelle ich mal eine Aufnahme von der Art rein, die habe ich bei uns mehrfach gefunden. Schon vom Habitus her passt die Art zu deinen Aufnahmen nicht. Ich selber hatte auch bereits mehrfach P. Orbicularis mit gelblichen Soralen gefunden, kommt wohl selten mal vor.


    Woran das liegt kann ich aber nicht sagen... Vlt. Auswirkungen von nem lichenicolen Pilz?! Auf Physcia z. B. führt ein parasitierender Pilz zu knallig pinken Verfärbungen....

  • Hallo Peter,


    ja den rosa Pilz (Marchandiomyces aurantiacus) konnte ich schon selbst öfters beobachten, er befällt vorzugsweise Physcia und Phaeophyscia (Lichenicole Pilze). Man sieht ihn u.U. sogar andeutungsweise auf Bild 10 und 11 (lokale Rosafärbung der Physcien).


    Gelbe P.orbicularis also!

    Passt recht nicht schlecht, wenngleich die Sorale hier nicht so kopfig wirken wie bei P.orbicularis, sondern eher als Bortensorale vorliegen.


    LG, Martin

  • Guten Abend Martin,


    anbei mal ein Bild von V. pinastri, wie sie bei uns (übrigens auf 50m NN, soviel zum Thema Bergart) vorwiegend auf Birkenstämmen in ehemaligen Truppenübungsplätzen vorkommt.


    Auffällig ist schon allein, dass deine Flechtenexemplare sehr strahlig rundlich ausgerichtet sind, auf diesem Bild hingegen überwiegend nicht. Auch Anordnung und Aussehen der Lappen ist verschieden.


    Wie du selbst gesagt hast, ist die Lage der Sorale bei deinen Aufnahmen auch nicht typisch für P. orbicularis und ich hatte die Art auch nur als mögliches Beispiel genannt. Ich würde dir leider hierzu keinen festen Namen geben wollen, auch wenn mir klar ist, dass es für dich nicht genz befriedigend ist.


    Aber mehr traue ich mich aus der Ferne einfach nicht zu.


    Dein großes Interesse sollte aber in jedem Fall gestützt werden. Daher empfehle ich dir, wenn du tiefer in die Materie einsteigen willst, such dir einen "Mentor" der Flechten kann und möglichst in deiner Nähe unterwegs ist. Die beste Anlaufstelle ist hierfür sicher die BLAM (Bryologisch Lichenologische Arbeitsgemeinschaft Mitteleuropa). Melde dich dort am besten einfach an und stelle dort eine Anfrage ob sie dir den nächsten Kontakt herstellen können.


    Beste Grüße


    Peter

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Vulpicida-Fund“ zu „Flechte mit gelben Bortensoralen“ geändert.
  • Hallo Peter,


    das habe ich auch so verstanden, dass es sich nicht um P.orbicularis handeln soll.

    Dennoch ist eine gewisse Ähnlichkeit zur beobachteten Flechte ja nicht von der Hand zuweisen!


    So - nach weiterer Recherche im Bestimmungsschlüssel der Gruppe Physcia/Phaeophyscia stoße nun ich auf eine interessante Flechte namens Phaeophyscia endopoenicea:

    Nach Wirth/Hauck/Schultz kommt sie auf saurer Rinde, u.a. auf Esche, vor, in planaren bis montanen, milden Lagen vor - auch hier am Neckar!

    Weitere Beschreibung nach Wirth et al.: "Thallus mit lippenförmig aufgebogenen ... gelblich oder +/- orangefarbenen Soralen an den Lappenenden, ... (Thallus) h.grau ... rosettig, +/- anliegend..." etc. gilt als selten - leider ohne Abbildung.


    N.J.Stapper weiß dazu auf S.12f der Veröffentlichung (https://www.botanik-bochum.de/…physcia_orbicularis.pdf):

    "... Phaeophyscia endophoenicea (Abb.23) ähnelt P. orbicularis hinsichtlich der Thallusdimensionen, sie bildet aber meist gelb gefärbte Lippensorale. In NRW ist sie sehr selten (HEIBEL 1995), vom Autor aber inzwischen mehrmals im Rheinland gefunden worden."; auch eine gezeigte Fotografie einer Phaeophyscia endopoenicea passt erstaunlich gut mit den Beobachtungen/Fotos hier überein. Abbildungsbeschreibung bei Stapper: "Die für die Art charakteristischen Lippensorale sind aufgrund der Einlagerung von Skyrin in das Mark der Flechte gelb gefärbt. In Wäldern wachsende Exemplare sind oft bleich."

    In der Abbildung (23) der Veröffentlichung sind neben den gelben Soralen im gleichen Farbton wie in den Fotos oben auch die gleichen, hellen, einfachen Rhizinien am Rand der Flechte erkennbar, die gleiche Rindenfärbung, auch Lappengröße und -form etc. stimmen sehr gut überein.


    Ausschnitt aus Bild 5


    LG, Martin

  • Hallo Martin

    Ja, da können Fotos schon mal in die Irre leiten. Nach den weiteren Bildern sowie den ergänzenden Infos scheint es dann doch eine Phaeophyscia zu sein. Ob nun P. endophoenicea (die zumindest bei uns hier oben offenbar deutlich zunimmt) oder doch aus dem noch nicht zufriedenstellend aufgearbeitetem Formenkreis von P. orbicularis, mag ich dann aber nicht mutmaßen. Bei orbicularis kommen auch gerne mal Exemplare mit gelblichen bis fast orangen Soralen vor. Jedoch scheinen die Sorale bei Deinem Fund überwiegend randständig zu sein, was eher für endophoenicea spräche.


    Phenylendiamin bekommst Du übrigens bei mykoshop.de recht günstig. Die Lösung hält sich auch recht lange; ich wechsle mein Fläschchen etwa alle 2 Jahre. Zum Betüpfeln: Ich nutze draußen ganz gerne einen Grashalm o.ä., der erst ins Reagenz und dann auf die Flechte getupft wird. So bringt man nur eine wirklich kleine Menge auf und kann die etwaige Reaktion gut beobachten. Daheim nutze ich hierfür Zahnstocher.


    Grüße

    Patrick

  • Hallo,


    tja, man kann sich leicht vertun, vor allem wenn man nur ein Bild gezeigt bekommt und dann eine Suggestivfrage gestellt wird.


    Bis dato kannte ich keine Phaeophyscia mit gelben Soralen.

    Die sind wohl nicht soo häufig und werden deshalb natürlich auch in Büchern nicht abgebildet.

    Ich zumindest habe jedenfalls noch keines der Bestimmungsbücher von vorne beginnend bis hinten durchgelesen.

    Und selbst die Dicksten davon sind sicher nicht vollständig!


    Ich denke aber, dass die Flechte(n) jetzt ganz gut eingekreist sind, mit euer beider Hilfe.

    Ich ändere das Thema entsprechend ab!


    Vielen Dank nochmals!


    Peter: in der Stapper'schen Veröffentlichung vom Bochumer Botanischen Verein wird übrigens auch eine knallgelbe P.orbicularis, wie du erwähnt hattest, als Phaeophyscia orbicularis var. hueana gezeigt. Interessant, das!

    (Der Link oben funktioniert nicht, aber beim Googeln der Begriffe "Bochum Phaeophyscia pdf" ist es der erste Eintrag in der Trefferliste.)


    LG, Martin

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Flechte mit gelben Bortensoralen“ zu „Flechte mit gelben Bortensoralen / cf. Phaeophyscia endophoenicea“ geändert.