Hallo Benjamin,
klar kann man nicht alles wissen, aber ich rede von Leuten, die nicht das Geringste wissen, sich aber einbilden, nach Anwendung digitaler Medien ziemlich viel zu wissen. Es ist ohne Frage so, dass die digitalen Möglichkeiten, dazu zählen auch Sachdiskussionsforen, den gesamten Wissensschatz enorm befördert haben. Ganz früher gab es in Europa vielleicht eine Handvoll Pilzforscher, die wirklich etwas wussten, heute sind es hunderte und aberhunderte User, deren Wissensstand höher ist als derjenige der besten Forscher damals. Es handelt sich dabei freilich um Personen, die sich aufgrund ihrer geistigen Disposition Wissen aneignen und es dann nutzbringend einsetzen können. Von früher besser, heute schlechter rede ich ja auch gar nicht, sondern es ist eher so, dass Personen, die sich beim Lernen immer schon leicht getan haben, sich heute aufgrund der verbesserten Möglichkeiten noch mehr Wissen aneignen können, aber dagegen Leute, die sich beim Lernen eher schwer tun, von den verbesserten Möglichkeiten nicht profitieren können und nach wie vor kein Wissen erwerben.
Es ist auch richtig, dass hinterfragt wird, wer befugt ist zu entscheiden, ob etwas wahr oder fake ist. Früher lief das über die wissenschasftliche Autorität oder manchmal auch über Amtsautorität. Was ein Professor sagte, galt im Volke als wahr, ebenso beim Pfarrer, beim Behördenleiter, beim Arzt oder beim Lehrer. Wenn etwas in einem gebundenen Buch stand, galt es im Volke als wahr. Das hat sich ja deutlich geändert. Im Extremfall kann ein Influencer, ein Blogger oder ein Politiker mit keinerlei wissenschaftlicher Reputation per Internet etwas verbreiten, was im Volke als wahr angesehen wird. Oder es werden Apps angewendet, deren Ergebnisse als wahr angesehen werden. Das bedeutet, die Grenzen von wahr und fake verschwimmen oder lösen sich ganz auf, was zu einem totalen Orientierungsverlust führen kann, wenn man kein eigenes profundes Wissen- und Wertesystem aufgebaut hat.
Gegen das Verwenden von Pflanzen- und PilzbestimmungsApps ist ja auch nichts zu sagen. Die User sollten sich nur bewusst sein, dass eine Bestimmung dieser Art keine eigenständige geistige Leistung ist, sondern im Wesentlichen ein Nachplappern dessen, was geistig hinter der verwendeten App steht. Und da bin ich mir nicht sicher, ob das jedem App-User klar ist.
FG
Oehrling