Meine Mutter, die keine Ahnung von Pilzen hatte, kam eines Abends mit einem Korb voller Pilzen nach Hause, die sie mit einer Freundin gesammelt hatte. Da war ich gerade 5 Jahre alt, und meine Mutter sprach von „Butterpilzen“. Das glaubte ich sofort, so matschig wie die waren. Es blieb bei dieser einen Waldpilz-Mahlzeit, aber der Geschmack des Waldes brannte sich mir ein.
Zwischen 17 und 20 experimentierte ich dann mit diversen Halluzinogenen, und musste zu diesem Zweck u.a. auch den Fliegenpilz bestimmen können. Mir ging es dabei weder um Rausch, noch um Therapie, sondern als fleißiger Castaneda-Leser um „Bewusstseinserweiterung“. Bevors hierzu Diskussionen gibt - ich erzähle nur ehrlich, wie ich zum Thema Pilze kam.
Heute bin ich fast 50 und weiß nichts Positives über solche Versuche zu sagen. Mitnehmen konnte ich nur die Erfahrung, dass dasjenige, was wir für unsere objektive Außenwelt halten, bedingt ist durch unsere eigene Verfassung. Aber für diese banale Einsicht brauchts einerseits die Gifte nicht, während andererseits der konkrete Inhalt, der mit Halluzinogenen erfahren wird, aus naheliegendem Grund für den Verstand nicht verwertbar ist.
Ich habe mich später oft mit den Anhängern einer harmloseren Droge, dem Cannabis, gestritten, wenn diese begeistert die Vorzüge anpriesen - dabei meines Erachtens aber übersahen, dass dieses begeisterte Anpreisen seinerseits bereits oder noch eine Wirkung der Substanz ist, und daher kein verlässliches Urteil. Das verdeutlicht vielleicht meinem grundsätzlichen Standpunkt in diesen Dingen.
Jedenfalls traf ich bei meiner Suche nach Fliegenpilzen zwischen dunklen Tannen auf eine ältere Frau. Ich glaube, wir waren beide zuerst etwas erschrocken, sie jedenfalls machte sofort kehrt, ich aber rief ihr nach. Sie kehrte um und zeigte mir ihren Korb: Lauter Pilze mit merkwürdig gezackten Hüten. Habichtspilze, denn es gäbe nichts Würzigeres für die Suppe!
Die nächsten Tage suchte ich diese merkwürdigen Habichte - und fand nichts. Und dasselbe machte ich im nächsten Herbst - und im übernächsten. Erfolglos. Aber ich legte mir noch ein Buch zu. Und aß mit Begeisterung matschige Röhrlinge und Boviste. Dann, vor etwa 25 Jahren, zog ich nach Berlin und arbeitete wie verrückt. Die Natur war völlig vergessen - bis ich meine heutige Frau kennenlernte, die aus einem mir unerfindlichen Grund dauernd draußen rumlaufen wollte.
Als großer Romantiker sagte ich dazu: „Wenn ich laufe, dann will ich auch wo hin, dann habe ich ein Ziel, aber ich laufe doch nicht einfach nur so rum.“
Und dann fiel mein Blick auf so eine braune Halbkugel am Wegesrand. Heute rufe ich meiner Frau nach: „Was rennst du denn schon wieder so!“ Für mich kann es gar nicht langsam genug gehen, und es gibt nichts Schlimmeres als ein Ziel! Ich will einfach Eintauchen, ganz langsam, ein Schritt nach dem anderen, dann niederknien und die Pilze hören. Ja, auch den Fliegenpilz 
Ach ja, und Habichtspilze habe ich bis heute noch nicht gegessen.
Herzliche Grüße
Pilzfreund77