Welcher Ethanolgehalt für Pilz-Tinkturen?

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 385 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Nika.

  • Gude,


    möchte eine Fliegenpilz-Tinktur ansetzen, um daraus "Schmerzgel" herzustellen.

    Mit welchem Ethanolgehalt sollte diese angesetzt werden? Bei Wildkräutertinkturen habe ich bisher immer ca. 40%igen verwendet (Wodka). Den spezifischen Geruch von dieser Spirituose find ich allerdings total unangenehm. Möchte ich nicht mehr. <X

    Kann ich auch "Primasprit" verwenden ("Neutralalkohol", 95% Ethanol)? Und inwiefern würde es für das Endprodukt, die Tinktur, einen Unterschied machen, ob ich 40% oder 95% verwende?


    Lieben Gruß

    Nika

  • Hallo Nika,


    hmm, wie willst du das denn verwenden? Direkt zum Einreiben? Du schreibst von "Schmerzgel", dickst du das dann irgendwie ein?


    Klassische Einreibemittel wie Franzbranntwein oder Melissengeist haben auch 96 Vol%, mit 95%-igem Ethanol liegst du also wahrscheinlich nicht falsch.


    LG Suillus

  • Hallo Suillus,


    ja, die Tinktur wird dann abgeseiht und mit Sodium acrylates copolymer und Lecithin angedickt, bis zur gewünschten Konsistenz. Habe ich noch nie zuvor gemacht.
    -> Es handelt sich bei Acrylates copolymer allerdings um einen Kunststoff, biologisch schwer abbaubar. Werde daher wohl nur die reine Tinktur verwenden/mich bzgl. umweltfreundlicher Alternativen erkundigen.

  • Hallo Nika,


    warum nicht einfach eine Salbe herstellen? Da gibt es auch haufenweise Bücher und Anleitungen im Netz.


    Zur Extraktion: Statt Wodka könnte man Spiritus (Ethanol vergällt) oder unvergällten Ethanol (teurer) verwenden. Traditionell scheint ja Wodka verwendet worden zu sein, aber fraglich, ob das nur der 40%-ige war. Kaltwasserauszüge wurden aber auch gemacht. Die Löslichkeit von Stoffen in verschiedenen Lösungsmitteln (Ethanol, Wasser) kann man nachlesen oder - eingeschränkt - der Molekülstruktur entnehmen.


    Grüße


    Oliver

  • Guten Morgen,


    ich habe noch mal nachgeschaut. Der Wirkstoff, dem eine schmerzlindernde Wirkung zugeschrieben wird, ist Muscimol (nicht Ibotensäure). Ibotensäure ist instabil und wird beim Entfernen des Wassers (Trocknen) zu Muscimol umgewandelt.


    Klingt für mich danach, als sei es ratsam, die Pilze erst zu trocknen und dann zu extrahieren. Für die Extraktion sollte (heißes) Wasser ausreichend sein. In der englischen Wikipedia fand ich folgendes:

    Zitat

    Muscimol can be extracted from the flesh of the Amanita muscaria by treatment with boiling water, followed by rapid cooling, and further treatment with a basic resin. This is washed with water, and eluted with acetic acid using column chromatography. The eluate is freeze dried, dissolved in water, and passed down a column of cellulose phosphate.[65] A subsequent elution with ammonium hydroxide and recrystallization from alcohol results in pure muscimol.[66]


    In instances where pure muscimol is not required, such as recreational or spiritual use, a crude extract is often prepared by simmering dried Amanita muscaria in water for 30 minutes.[67]

    Basierend auf diesen Informationen würde ich trocknen, zerkleinern, mit heißem Wasser extrahieren und dann entweder reduzieren (Wasser verdampfen) oder auf andere Weise weiter verfahren.


    Ein solcher Extrakt enthält natürlich nicht nur reines Muscimol, sondern alles mögliche (was wasserlöslich ist). Der Extrakt und alle daraus hergestellten Produkte sollten natürlich mit höchster Vorsicht verwendet und aufbewahrt werden, insbesondere sicher vor Kindern und Haustieren. Ob so hergestellte Cremes dann durch äußere Applikation wirken? Kann ich nicht sagen. Man weiß dummerweise auch nicht, wie viel drin ist. Das macht es noch gefährlicher bei unbeabsichtigter Aufnahme, ob durch versehentliches Finger ablecken oder was auch immer.


    Empfehlen würde ich es nicht. Wer das macht, tut das auf eigene Gefahr.


    Grüße


    Oliver

  • Hallo Nlka,

    Hast Du bereits Erfahrungen mit Fliegenpilztinktur und willst nur wissen, welchen Alkohol man verwenden kann?
    Oder hast Du noch keine Erfahrungen und möchtest es mal ausprobieren?


    Im letzteren Fall würde ich Dir dringend davon abraten. Die Herstellung solcher Präparate sollte man Leuten überlassen, die damit eine gewisse Erfahrung haben. Von irgendwelchen Eigenexperimenten mit Giftpilzen oder Giftpflanzen sollte man lieber die Finger lassen, da man die Wirkung einer möglichen Überdosierung nicht abschätzen kann. Auch wenn der Gebrauch solcher Hausmittel in manchen Ländern durchaus seine Berechtigung haben mag, ist es hierzulande nicht notwendig, ein solches Risiko einzugehen, da geeignete Mittel in jeder Apotheke erworben werden können.


    Liebe Grüße

    Josef

  • Hallo Josef,

    Im letzteren Fall würde ich Dir dringend davon abraten. Die Herstellung solcher Präparate sollte man Leuten überlassen, die damit eine gewisse Erfahrung haben. Von irgendwelchen Eigenexperimenten mit Giftpilzen oder Giftpflanzen sollte man lieber die Finger lassen, da man die Wirkung einer möglichen Überdosierung nicht abschätzen kann. Auch wenn der Gebrauch solcher Hausmittel in manchen Ländern durchaus seine Berechtigung haben mag, ist es hierzulande nicht notwendig, ein solches Risiko einzugehen, da geeignete Mittel in jeder Apotheke erworben werden können.

    du hattest aber mitbekommen, dass es um ein Mittel zum Einreiben geht, oder? Zumindest mir scheint das Thema der Überdosierung da doch eher wenig relevant (die von Oliver erwähnte sichere Aufbewahrung schon eher).


    Beste Grüße

    Sabine

    100 Startguthaben minus APR-Gebühr 2024 = 90 + 3 (drittschnellstes Jokerverballern 2024) = 93 + 10 (dritter Platz APR) = 103

  • Hallo Sabine,

    du hattest aber mitbekommen, dass es um ein Mittel zum Einreiben geht, oder?

    Ja, aber...
    wenn eine solche Tinktur äußerlich wirken soll, müssen ja bestimmte Stoffe in die Haut eindringen, sonst wäre sie wirkungslos. Wenn aber "gute" Stoffe eindringen können, können logischerweise auch schädliche Stoffe eindringen.


    Ich hatte mal einen Artikel von einer russischen Webseite, die leider nicht mehr erreichbar ist, heruntergeladen, die sich ausgiebig mit der Herstellung und der Anwendung von Fliegenpilztinkturen beschäftigte. Selbst dort wurde vor einer Überdosierung gewarnt.


    Zitat: "Da giftige Pilztinkturen ein potenziell gefährliches Mittel bleiben, ist es wichtig, bei der Verwendung bestimmte Regeln einzuhalten. Dies gilt nicht nur für die interne, sondern auch für die externe Verwendung der Infusion.

    Bei äußerlicher Anwendung dringt das Medikament durch die Haut in das Gewebe ein. Gleichzeitig ist der Effekt weniger stark als bei interner Anwendung, eine Überdosierung ist jedoch nicht zulässig. Lotionen und Kompressen mit Fliegenpilztinktur können nur unter der Bedingung hergestellt werden, dass keine offenen Wunden und andere Verletzungen auf der Haut vorhanden sind. Die medizinische Infusion wird nicht länger als 5 Tage hintereinander zur Behandlung verwendet. Dann müssen Sie eine Pause einlegen, damit sich kein Überschuss an toxischen Substanzen im Körper ansammelt. Es ist notwendig, die Kompresse mit Pilztinktur nicht länger als eine Stunde am Körper zu halten, da sonst die giftigen Substanzen in der Zusammensetzung des Arzneimittels schädlich sind."


    Hinzu kommt noch, dass allgemein bekannt ist, dass die Menge der Inhaltsstoffe des Fliegenpilzes sehr variabel ist.


    Aber ich möchte mich hier nicht streiten und kann auch niemanden von solchen Experimenten abhalten. Da es hier aber nicht um irgendwelche harmlosen Heilpilze, sondern um richtige Giftpilze geht, sollte man aber schon davor warnen dürfen.


    LG, Josef

  • Hallo Josef,


    vielen Dank für die Erläuterung!


    Ich hatte mal etwas gelesen, dass Fliegenpilz-Tinktur hilfreich sein soll bei Gelenkbeschwerden, und hatte mir darunter eine Anwendung vorgestellt, wie meine Schwiegermutter sie bei ihren Gelenkbeschwerden betreibt: Die Haut über dem betreffenden Gelenk 1x täglich damit dünn einreiben.


    Dass man damit auch Wickel und Kompressen machen könnte, die man womöglich mehrere Tage lang auf der Haut lässt, damit hatte ich nicht gerechnet. Das kann ich mir dann tatsächlich auch heikler vorstellen.


    Beste Grüße

    Sabine

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  • Hallo Josef,


    früher wurden in Rheumasalben und Co ein Stoff verwendet, der die Aufnahme von Stoffen durch die Haut steigert: Dimethylsulfoxid oder kurz DMSO. Das wird aber wegen der Gefahren schon seit vielen Jahren nicht mehr gemacht. Bei offenen Wunden muss man natürlich aufpassen, das ist klar. Das ist aber auch nicht anders bei manch anderen äußerlich auzutragenden Medikamenten.


    Ansonsten hängt die Aufnahme von Stoffen durch die Haut maßgeblich von der Größe der Moleküle ab, ferner vermutlich Durchblutung und Gefäßweite (z.B. weitet Alkoholkonsum die Gefäße).


    Die schwankenden Wirkstoffgehalte, ggf. Anreicherungen von Schwermetallen(?) etc. sind natürlich ein Problem. Da ist ja nichts standardisiert, wie bei Kräutern aus der Apotheke. Und ich wüsste jedenfalls nicht, wie man zuhause den Wirkstoffgehalt messen könnte. Okay, einen Anhaltspunkt hätte ich, aber das ist praktisch nicht gut zu bewerkstelligen:


    Zitat

    Die Spektren für lbotensäure (Absorptionsmaximum bei 211 nm) und Muscimol (Absorptionsmaximum von 207 nm) sind in Abb. 1 und 2 dargestellt.

    Quelle: https://www.zobodat.at/pdf/Z-Mykologie_70_2004_0161-0169.pdf


    Da die Ibotensäure durch Trocknen ohnehin in Muscimol umgewandelt wird, ist es kein großes Problem, dass die Absorptionsmaxima so nah aneinander liegen. Aber wer hat schon einen Photometer zuhause? Zudem noch ein UV-Photometer mit Quarzglasküvetten? Also eher nicht praktikabel. Und sonst fällt mir ad hoc auch nichts ein.


    Am ehesten wäre es also praktikabel, wenn man viele Pilze von verschiedenen Standorten sammelt, trocknet, zerkleinert und zusammen extrahiert. So mittelt sich der Wirkstoffgehalt zumindest ein wenig. Möglicherweise gibt es Messdaten von Laboratorien oder Wissenschaftlern, auf die man zurückgreifen kann, um zumindest grob den Wirkstoffgehalt abzuschätzen. Dabei aber nicht vergessen, dass auch die Ibotensäure zu Muscimol umgewandelt wird.


    Grüße

  • Da die Ibotensäure durch Trocknen ohnehin in Muscimol umgewandelt wird, ist es kein großes Problem, dass die Absorptionsmaxima so nah aneinander liegen. Aber wer hat schon einen Photometer zuhause? Zudem noch ein UV-Photometer mit Quarzglasküvetten? Also eher nicht praktikabel. Und sonst fällt mir ad hoc auch nichts ein.

    Ich hätte sogar ein Spektral-Photometer da - aber leider nicht für den UV-Bereich ...


    Beste Grüße

    Sabine

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  • Hallo Oliver,

    sprich am besten mit dem Arzt oder Apotheker deines Vertrauens. Gelenkbeschwerden sind nicht gleich Gelenkbeschwerden, da fängt es ja schon an.

    Ich glaube, das ist jetzt eine Verwechslung - ich war doch gar nicht die, welche die Tinktur anwenden wollte.


    Beste Grüße

    Sabine

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  • Oh, hoppla :D


    Aber ein Spektralphotometer hast du zuhause? Ich habe tatsächlich auch ein UV/VIS zuhause, das wartet aber leider auf Reparatur und wird vermutlich aus Platzmangel bald doch entsorgt werden.

  • Hallo,


    danke für eure zahlreichen und ausführlichen Antworten! Und auch für die geäußerten Bedenken. Ich nehme sie ernst und werde noch weiter recherchieren.