Pyrenomycet an Taxus

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  • Liebe Pyrenomyceten-Freude,


    heute mal eine ganz andere Anfrage von mir. Vorgestern fand ich auf der Burg Hornberg bei Neckarzimmern (bekannt durch Götz von Berlichingen) eine Spaltlippe auf der Rinde der 500 Jahre alten Eibe auf dieser Burg. Das war für mich so interessant, dass ich mal versucht habe, diesen Pyrenomyceten zu bestimmen. Leider erfolglos und deshalb die Bitte um Bestimmungshilfe.

    Die Fruchtkörper sind ca. 0,5 is 0,7 mm lang und sitzen anscheinend auf einer Flechte!?

    Die Asci sind 4 sporig und die Sporen schmal fusiform, tlw. etwas gebogen und mehrfach septiert, 25-35 x 2,5-3 µm.

    Meine Fototechnik lässt leider keine besseren Bilder zu. :(


    Asci


    Spore



    LG

    Frank

  • Hallo Tomentella !


    Viel mehr als Björn kann ich leider auch nicht beitragen.

    Der Fund sieht schon sehr nach einer Flechte mit lirellen-förmigen Fruchtkörpern aus - sprich, die FK gehören aller Wahrscheinlichkeit zum Thallus.

    Grundsätzlich wäre es immer gut, den Algentyp (Trentepohlia vs. coccoide Grünalgen) zu kennen.

    Prinzipiell halt ich einen Trentepohlia-Algenpartner hier für wahrscheinlich(er).

    Die Sporen, die du zeigst, sind sechszellig, querseptiert mit eher eckigen als ovalen Sporenfächern, das schränkt schon ein.

    Graphis hat ovale Fächer und sollte dann vermutlich nicht in die engere Auswahl kommen.

    Graphis-Sporen mit ovalen Sporenfächern


    Damit kommen immer noch einige artenreiche Gattungen in Betracht:

    Spätestens jetzt wäre ein vielleicht FK-Querschnitt hilfreich, um zu prüfen, ob das schwarze Excipulum U-förmig unter dem FK hindurchgeht.

    Dann läge vermutlich Opegrapha vor, ansonsten kämen Arthonia und Enterographa (hier wären die Sporen aber vermutlich zu schlank) in Betracht.

    Enterographa hat aber breitere Sporen und fällt damit aus der engeren Betrachtung.

    Sporen von Arthonia sind, was ich nachlese meist kürzer als bei dem Fund.

    Die Arten mit passender Sporenlänge sehen makroskopisch anderes aus als dein Fund.


    Für das Erschlüsseln muss man viele Details beachten, die leider in den Angaben oben fehlen.

    Innerhalb der Gattungen sind dann meist noch Färbetests mit div. Chemikalien verlangt.

    Insofern ist beim derzeitigen Stand natürlich keine genauer Bestimmung möglich.


    Dennoch denke ich, die Gattung Opegrapha könnte hier stimmen:

    Sporengröße und Form könnten recht gut zu einer der drei Arten O. vermicellifera, O. niveoatra oder O. vulgata passen.

    O. vermicellifera z.B. kommt hier bei mir, ein paar Kilometer flussauf der Burg Hornberg nicht ganz selten vor.

    Vergleiche mit Opegrapha!



    Burg Hornberg?! :gidee:

    Die Burg wollte ich schon lange mal besuchen, denn ich fahre alle 2 Wochen darunter vorbei - habe allerdings bisher noch nie angehalten.


    Dein Fund läd gerade dazu ein, das endlich mal nachzuholen.

    Bei der Gelegenheit könnte ich mir natürlich diese Flechte näher anschauen und ein Pröbchen ziehen.

    Eibenrinde kenne ich als sehr stark abblätternd, das sollte den Baum also nicht stören. g:D

    Allerdings sind die Eiben in meinem Garten nicht ganz so alt.

    500-jährige Eiben gibt es an/in der Burg vermutlich nicht sehr viele, oder?

    Meiner Recherche nach steht sie unmittelbar an einer hohen Mauer und sollte leicht zu finden sein.


    Wie schaut es denn da oben mit Parkmöglichkeiten aus?


    LG, Martin

  • Hallo Martin,


    vielen Dank für deine Antwort.

    Auf der Burg gibt es nur eine 500-jährige Eibe. Leicht zu finden, da ausgeschildert, aber nur mit Eintritt von 7 €. :) Mit Parkmöglichkeiten sieht es nicht so gut aus, aber es gibt einen Waldparkplatz da oben, der wochentags wahrscheinlich nicht zu voll ist.

    Von deinen drei erwähnten Opegrapha-Arten passt O. vulgata bestens. Ich habe noch nie Flechten gesammelt bzw. mikroskopiert, deshalb keinerlei Erfahrung.


    LG

    Frank

  • Hallo Frank,


    die wollen 7€ Eintritt für diese winzige Burg?

    Dann schaue ich mich wohl lieber im Wald drum herum mal um.

    Dort findet sich bestimmt Vergleichbares an Bäumen und Steinen.


    Ist die Kapelle dahinter vielleicht zugänglich?


    LG, Martin

  • Hallo Frank,


    da hatte ich tatsächlich Interesse, wenn dir das nicht zu aufwendig ist. Cool!

    Ich sende dir die Adresse per PN.


    LG sendend und sich freuend,

    Martin

  • Hallo Frank

    Tomentella ,


    die Untersuchung deines Belegs bestätigt meiner Meinung nach eindeutig deinen Verdacht mit Opegrapha vulgata (Schreibfehler: natürlich nicht "O.varia").

    Bild U1 Borkensplitter mit Flechtenbeleg


    Folgende Eigenschaften werden für das Erschlüsseln der Art festgestellt:

    Die lirellenförmigen, unbereiften Apothecien sitzen auf einem dünnen, grau-grünlichen, bereichsweise bräunlichen, rissigen Thallus auf.

    Es sind keine Sorale und kein schwarzer Prothallus sichtbar; der Thallusrand läuft weißlich-grau aus.

    Die Apothecien der Probe haben eine typische Länge von geschätzt bis 500 µm, bei einer Breite um 150 µm.

    Sie sind meist unverzweigt, stehen meist vereinzelt, bilden mehrfach sternförmige Gruppen.

    Die Lirellen sind meist ritzenförmig schmal geöffnet und besitzen einen wulstig-erhabenen Rand.

    Bild U2 Lirellenförmige Apothecien, teils verzweigt; häufig sich gewinkelt, Spitze an Spitze berührend.



    Im Querschnitt zeigt sich ein kohlig schwarzes Gehäuse, das geschlossen (U-förmig) unter dem Hymenium durchreicht.

    Dieses Excipulum ist um 40 µm breit und reagiert K-.

    Das Hymenium ist etwa 50 µm dick und schwach gelblich gefärbt, und reagiert in Lugol J+ deutlich orange.

    Die Asci sind keulig, die Paraphysioide sind verzweigt, teils netzig verbunden (nicht gezeigt).

    Bild U3 Querschnitt durch Thallus, Fruchtkörper und Substrat (in Wasser)



    Beim Algenpartner handelt es sich, wie erwartet, um Trentepohlia.

    Die Alge ist an den karotinoid-haltigen Tröpfchen im Plasmaraum erkennbar.

    Bild U4 Trentepohlia-Algenzellen mit gelb-orangen Tröpfchen (in Wasser)



    Den Test auf Trentepohlia kann makroskopisch durch Anritzen des Thallus erfolgen, wodurch der Blick auf die gelblich orangen Algen frei wird:

    Bild U5 Ritztest orange



    Die reifen Sporen sind farblos, 6-zellig querseptiert, mit eckig wirkenden Sporenfächern (Zellen) und dünnen Septen.

    Die Sporen haben Abmessungen von 20-36 x 3,5-4,0 µm².

    Damit landen wir in der Gattung Opegrapha.

    Bild U6 Reife, 6zellige, spindelförmige Spore mit eckigen Sporenfächern (in Wasser)


    Das Hymenium reagiert mit Lugol eindeutig J+ orange:

    Bild U7 Hymenium J+ orange


    Die Pynknidien sind nicht, wie bei O. vermicellifera auffällig kugelig erhabene, stark weiß bereifte Gebilde.

    Die Pyknidien finden sich nach kurzer Suche am Thallusrand in Form von eingesenkten, schwärzlichen Wärzchen.

    Bild U8 Winzige, eingesenkte, punktförmige, schwärzliche Pyknidien am Thallusrand


    Feucht sind die Pyknidien bräunlich und entleeren ihren Inhalt bei sanftem Druck durch eine kleine, polständige Öffnung.

    Bild U9 Vergrößerte und angefeuchtete Pyknidien


    Die gequetschten Pyknidien setzten große Mengen nadelförmiger, gekrümmter, einzelliger Pyknosporen frei.

    Die bestimmungsrelevanten Abmessungen der Pyknosporen liegen bei 15-20 x 1 µm².

    Bild U10 Gequetschte Pyknidie mit freigesetzten Sporen in Wasser


    Bild U11 Nadelförmige, gekrümmte Pyknidien, Länge um 15-20 x 1 µm (Ölimmersion 1000x, in Wasser)


    Damit sollte es sich um die Flechte Opegrapha vulgata, die Gewöhnliche Zeichenflechte, handeln.

    Alle im Schlüssel erwähnten Eigenschaften, die zur Art führen, sind überprüft.

    Sogar das Excipulum reagiert in KOH negativ (nicht rot oder grünlich), was den Befund stützt.


    Die Flechtenart gilt als selten und kommt auf saurer bis subneutraler, glatter Rinde, meist von Laubbäumen und Tanne vor.

    Sie hat es gerne luftfeucht, schattig, niederschlagsreich.


    So "gewöhnlich" finde ich sie nicht, denn für gewöhnlich finde ich sie nicht.

    Danke dir, dass ich eine neue Flechtenart kennenlernen durfte!


    LG, Martin