Bilden Pilze Gemeinschaftsfruchtkörper ?

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 1.889 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Hassi.

  • Hallo zusammen,


    bei Pflanzen und Tieren hat man ja klare Verhältnisse: ein Pollenschlauch wächst in eine Samenanlage, bzw. eine Samenzelle verschmilzt mit einer Eizelle, wenn man mal von parthenogenetischen Ausnahmefällen und sozialen Amöben (Myxos) absieht. Das Resultat ist jeweils ein Individuum.


    Bei den Pilzen lernt man das so: Zwei Sporen keimen aus, die monokaryotischen Myzelien verschmelzen zu einem Dikaryon. Das daraus sich entwickelnde Myzel generiert unter gewissen Bedingungen Fruchtkörper.


    Ist es grundsätzlich so, dass ein einzelner Pilzfruchtkörper auf nur zwei Sporen zurückgeht oder können daran auch mehrere Myzelien - möglicherweise auch unterschiedlichen Geninventars- beteiligt sein?


    Hoffentlich war die Frage nicht allzu dämlich. :gkopfkratz:Ich bin schon gespannt auf Eure Antworten.


    Liebe Grüße

    Ralph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Ralph!


    Ich finde die Frage sehr interessant!

    Wirklich beaantworten kann ich es nicht, irgendwelche Publikationen zu dem Thema habe ich nie gelesen (und weiß auch nicht ob es da etwas gibt).
    Aber mutmaßen würde ich Folgendes: Primärmycelien mit unterschiedlicher DNA (also Primärmycelien unterschiedlicher Arten) können in aller Regel nicht verschmelzen. Bei sehr geringen genetischen Unterschieden kann das schon vor kommen, es gibt einige nahe verwandte, genetisch kaum verschiedene Arten, die wohl Hybriden bilden können.
    Ich denke nicht, daß mehr als zwei Primärmycelien verschmelzen können. Denn das würde ja bedeuten, daß es drei (oder mehr) unterschiedliche Zellkerne pro Zelle geben müsste (im Initiialstadium).
    Diese Möglichkeit dürfte biologisch wohl ausgeschlossen sein, ich denke, ein dikaryotisches Sekundärmycel macht die Schotten dicht und lässt kein weitres Primärmycel mehr hinein.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    danke für Deine Einschätzung! Stark unterschiedliche Arten werden kaum miteinander verschmelzen (ein Steinpilz/Knollenblätterpilz–Hybrid z.B. :gteuflisch:) und auch polykaryotische Zustände wird es eher nicht geben, da hast Du Recht.


    Auf die Frage kam ich neulich, als ich ein sporenbürtiges Myzelgewölk in einer Petrischale betrachtete und mich fragte, was da drin wohl gerade passiert. Was macht in einem Mycelgeflecht aus tausenden von Sporen das FK-Primodium? Ein einzelner Faden oder viele davon? Wenn letzteres, brauchen die ja auch eine Kommunikationstechnologie...


    Viele Grüße

    Ralph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Ralph!


    Diese ganzen Fäden sind ja ein Organismus. Und klar kommuniziert der, mit seiner Umgebung, aber auch der Organismus an sich bewegt sich und handelt strukturiert. Auch wenn es ein "loses Geflecht mikroskopisch dünner Fäden" ist. Ein Primordium besteht ja aus einer Vielzahl von Zellen, im Grunde ist das schon "verdichtetes Mycel", so wie nachher der gesamte Fruchtkörper. Auch wenn sich die einzelnen Hyphenzellen bei der Fruchtkörperbildung nachher mehr und mehr spezialisieren. Eine Basidie sieht ja andes aus als eine Zystide, die anders aussieht als eine HDS - Zelle usw.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    klar, stimmt. Das muss ja so sein. Mich hat nur der Gedanke fasziniert, dass die Koordination der Morphogenese möglicherweise auch zwischen verschiedenen Individuen (d.h. verschiedenen Sekundärmyzelien) einer Art möglich ist, wie das ja auch bei den Myxomyceten funktioniert...

    Ich hab mal im h.o. schwantes-1996-biologie der pilze-40qual-1.pdf nachgeschaut, konnte meine Frage damit aber auch nicht klären. Weiß mir vielleicht jemand ein aktuelleres Buch zur Pilzbiologie/ -physiologie?


    Liebe Grüße

    Ralph


    P.S.: Ich nehm das Buch morgen früh wieder vom Server

  • Serrvus Ralph,


    viele Ascomyzeten bilden gemeinsam Fruchtkörper - sie haben (bis auf Ausnahmen) keine dauerhaften Zweikernmyzelien. Das heißt, zwei Einkernmyzelien bilden gemeinsam einen Fruchtkörper. Innerhalb desselben bilden sich ascogene Zellen (Plasmogamie), die dann die ascogenen Hyphen bilden, an deren Enden dann die Asci sind. Diese Zellen bilden dann Haken (Schnallen der Ascomyzeten), die einkernigen Zellen bilden keine Haken. Die Paraphysen zwischen den Asci sind einkernige Zellen - sie sind also Produkte zweier Individuen. Wenn später der Fruchtkörper vergammelt, sind die beiden Myzelien wieder getrennt und leben als Einkernmyzelien weiter, bis sie irgendwo wieder einen gemeinsamen Fruchtkörper bilden.


    "Fun Fact" - die Dikaryophysen (Gallertpilze, Exidiopsis, Dacrymyces usw.) heißen so, weil sie zweikernig sind, aber mehr wie Paraphysen aussehen als wie Zystiden. Paraphysen hingegen sind ja immer einkernig, da eben von zwei getrennten Indivduen gebildet.


    Liebe Grüße,

    Christoph