Ein brauner Egerling vom Friedhof

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 2.388 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

  • Guten Abend,
    gestern war ich auf einem Friedhof in einem Nachbarstädtchen, den ich mir schon länger anschauen wollte. Eigentlich habe ich keine Zeit und ich hatte gehofft, nichts zu finden. ;)
    Es gibt einige ältere Bäume, aber bis zum unteren Ende des Friedhofs war kein Pilz zu sehen. Erst auf dem Rückweg standen unter einer Fichte zwei Gruppen von Pilzen, bei denen es sich dem ersten Anschein nach bei mindestens einer Gruppe um einen Egerling in der nahen Verwandtschaft des Kompost-Egerlings oder des Gegürtelten Egerlings handelt könnte.
     Kompost-Egerling (bekannt als: Agaricus vaporarius, in den GPBW als Agaricus pseudovillaticus, im Index Fungorum als Agaricus cappellianus HlaváÄek , oder den
     Gegürtelten Egerling (Agaricus subperonatus).


    Bei Gröger (Bestimmungsschlüssel für Blätterpilze und Röhrlinge in Europa Bd. 2, S. 106-107) und der Flora agaricina neerlandica, Bd. 5 S. 37 (-> LINK) werden beide Arten als Synonym angesehen, da sich die Eigenschaften stark überlappen. Sie sind dort unter Agaricus subperonatus zu finden. In den GPBW gibt es vermutlich wegen der Verbreitungskarten zwei Einträge, aber die Beschreibung erfolgt nur bei Agaricus subperonatus. Im Schlüssel werden Unterschiede in Bezug auf die Cheilozystiden aufgeführt.



    Fundort: ca 250 m hoch, Friedhof, unter einer älteren Fichte.
    Wetter: vorige Woche etwas Regen, inzwischen wieder sehr trocken (Wind), in der Nacht zum Montag in der Region verbreitet Nachtfrost. Ob hier?



    (1) Ein Bild vom Fundort mit den zwei Pilzgruppen.
    Ob es sich bei den beiden Gruppen um dieselbe Art handelt?




    Rechte Gruppe (Art Nr. 1)


    (2) Hier ist ein Bild der rechten Gruppe, die offensichtlich aus älteren Exemplaren besteht.
    Das Exemplar links lag schon da, da hatte jemand anders schon nachgeschaut.


    (3) Die Schuppen sind sehr grob.


    (4) Die Haut am Hutrand gehört eigentlich zum Ring.


    Am Nachmittag habe ich zu Hause mit diesem Exemplar weitere Fotos gemacht:


    (5) Unterhalb der Ringzone sind faserige Strukturen zu erkennen, ein "gegürtelter" Stiel?
    Der Stiel ist deutlich gedrungener als bei der anderen Pilzgruppe: Länge ca 9 cm, Dicke ca 3 cm.
     


    (6a) Das Fleisch rötet nach dem Schnitt stellenweise im Hut und im Stiel.


    (6b) Bild (800)


    Zusammengefasst:
    Hut grobschuppig, Schuppen (grau-)braun,
    Hutdurchmesser: ca 8 cm
    Fleisch weißlich (creme), beim Schnitt sowohl im Hut als auch im Stiel an einzelnen Stellen rötend, aber nicht vollständig wie beim Waldchampignon.
    Geruch: unangenehm, Verwesungsgeruch (alters- oder frostbedingt?)
    Stiel: 3 cm dick (oben evtl. noch mehr), ca 8 cm lang, zur Basis hin verschmälert.
    Unterhalb des Rings mit Fasern.


    Fleisch KOH: negativ, hellt rötliche Strukturen auf.


    Manche Autoren schreiben, dass der Stiel von Agaricus subperonatus eine verdickte Basis hat. Nicht so Fredi Kasparek:
    http://www.natur-in-nrw.de/HTML/Pilze/Agaricales/PA-10.html
    http://www.fredis-pilzseite.de/agaricus-subperonatus/


    Ich vermute, dass es sich um den Gegürtelten Egerling (Agaricus subperonatus) sensu lato handelt, dh. inclusive Agaricus vaporarius.


    Was meint Ihr dazu?


    Linke Gruppe (Art Nr. 2)


    (7) Die linke, jüngere Gruppe. Die Fruchtkörper sehen auf den ersten Blick kurzstielig aus.


    (8) Überraschung, der Stiel ist ja sehr viel länger (Bild 780). Er ist ca 15 cm lang. Der Hut hat einen Durchmesser von ca 8 cm, der Stiel im oberen Bereich einen Durchmesser von ca 3 cm.


    (9) Der Hut ist noch geschlossen.


    (10) Einige Schuppen sind am Ende leicht hochgebogen. Die Schuppen sind düsterer und gröber als beim Riesenegerling (Agaricus augustus).


    Da ich gestern zunächst davon ausging, dass es sich bei beiden Gruppen um dieselbe Art in verschiedenen Altersstufen handelt, habe ich das jüngere Exemplar nicht so genau untersucht.
    Leider hatte ich gestern keinen Schnitt durch den Fruchtkörper vorgenommen. Heute verfärbt sich das Fleisch nach dem Schnitt schwach bräunlich, nicht rötlich. Der Geruch iist heute (wie gestern) wenig angenehm, aber nicht so stark wie beim Exemplar oben.


    Inzwischen habe ich starke Zweifel, ob es sich um dieselbe Art handelt, da z.B. unterhalb vom Ring die faserige Struktur fehlt. Auch die Proportion zwischen Hut und Stiel ist ganz unterschiedlich.


    Wegen der Form des Stiels hatte ich zunächst an den Spindelfüßigen Egerling (Agaricus bohusii) gedacht. Aber dann habe ich gesehen, dass dieser extrem selten ist und vor allem in Stromtälern vorkommt. Mit KOH soll das Stielfleisch gilben.


    Also doch evtl. ein Riesenegerling? Es wird wohl ungeklärt bleiben. Trockenheits- oder Frostschäden machen das Bestimmen öfters unmöglich.
    Also: Agaricus spec. ?


    Falls jemand meint, er hätte von mir schon mal so was ähnliches gelesen. Das stimmt: voriges Jahr hatte ich bei einem Pilz in meinem Garten auch den Verdacht auf den Kompostegerling (-> LINK) Aber damals war das Exemplar zu alt. In diesem Jahr ist es bisher nicht wieder aufgetaucht.



    Viele Grüße
    Lothar

  • Hallo Lothar,


    bei Agaricus subperonatus ist der Ring oberhalb gerieft.



    Das kann ich auf deinen Bildern nicht erkennen. Überprüfe das einmal!


    VG Jörg

  • Hallo Lothar


    Du zeigst mit Sicherheit A. subperonatus und kannst das sensu lato getrost weglassen. Die Art ist besonders was Ring und Ringzone betrifft viel variaibler, als man älteren Beschreibungen entnehemen kann.



    Bei der zweiten Kollektion kann ich mich nicht festlegen.


    LG Karl

  • Guten Abend Karl und Jörg,
    vielen Dank für Eure Kommentare.


    Zur Frage mit der Riefung: Bild (4) zeigt den Ring von unten. Er hat sich nicht vom Hutrand gelöst, sondern ist dort hängengeblieben. Die Riefung befindet sich aber auf der Oberseite.


    Vorhin fiel mir ein:
    Der Fruchtkörper steht seit Montag bei mir mit den Füßen im Wasser in einer großen Tasse. Er hat zwar ziemlich gelitten, aber es war möglich, den Teil vom Ring, der am Hutrand hängt, abzulösen und umzudrehen. Damit konnte ich die Oberseite mit der Stereolupe betrachten.


    Ergebnis: auf der Oberseite ist der Ring in der Umgebung des Stiels deutlich gerieft.


    Leider lässt sich das heute Abend nur sehr schlecht fotografieren.


    Da hatte ich Glück, dass ich ihn noch aufgehoben hatte.


    Damit wäre das Ergebnis für die erste Gruppe von Fruchtkörpern klar:


    Agaricus subperonatus, der Gegürtelte Egerling :) .


    Viele Grüße
    Lothar

  • Hallo Lothar,


    es hätte mich auch gewundert wenn das nicht der Fall gewesen wäre bei diesem Erscheinungsbild. Damit paßt alles zusammen für den Gegürtelten :thumbup: . Hast Du bei der zweiten Kollektion einmal nach einer Riefung geschaut? Das gesammte Aussehen paßt aber für den irgendwie nicht.


    VG Jörg

  • Guten Abend Jörg und Karl,


    anbei ein Foto von der Ringhaut des ersten Fruchtkörpers.


    (11) Unten ist der Hutrand zu sehen, die Lamellen sind angeschnitten, oben im Bild der Teil, der am Stiel befestigt sein sollte. Der Abstand der Riefung ist relativ groß, weil die Ringhaut sehr gedehnt wurde, da sie am Hutrand festhing.


    Hier ein Foto vom Ring des zweiten Fruchtkörpers. Der Ring war am Stiel festgewachsen.


    (12) Die Riefung ist sehr gut zu erkennen.


    Zu meiner Verblüffung hat der Stiel (für meine Nase) heute abend pilzig geruchen, gar nicht mehr unangenehm.


    In Bild (7) ist auch sehr gut das büschelige Wachstum der Fruchtkörper zu sehen, was zum Gegürtelten Egerling passen würde. Fredi Kasparek schreibt, dass die Gürtel auch fehlen können.


    Was wohl gar nicht passt, wenn ich es richtig verstehe, ist die Länge des Stiels im Vergleich zum Durchmesser des Huts.


    VG Lothar


    (Heute früh gab es Schneeregen auch noch bei knapp 300 m. Zum Glück blieb nichts liegen. Heute Mittag waren es stolze 4 Grad plus. )

  • Noch eine Ergänzung:


    Ich habe eine Erklärung für die langen Stiele:
    das Pilzbüschel wuchs in einem Bereich, in dem sich anscheinend eine Vertiefung in der Erdoberfläche gebildet hatte. Diese war mit Basaltsplit aufgefüllt worden. Jedenfalls kamen die Fruchtkörper aus einer Lage Basaltsplit heraus, die sicher 5 cm oder mehr dick war , wie man in Bild (7) sieht. Der Stiel musste also nicht nur wie üblich vom Myzel bis zur Erdoberfläche und dann noch ca 8 cm wachsen, sondern auch noch durch den Basaltsplit. Das ging nur durch stärkeres Längenwachstum, so flexibel sind Pilze sicherlich.


    So, eine Erklärung habe ich. Ob sie stimmt, weiß ich nicht, ich halte sie aber für plausibel.


    Dann könnte es sich also auch bei der zweiten Gruppe von Pilzen um den Gegürtelten Egerling (Agaricus subperonatus) handeln


    Viele Grüße
    Lothar


    Heute liegt Schnee auf den Autodächern auf dem Parkplatz gegenüber, auch auf dem Gras im Garten, und es hat um 9:30 noch geschneit. Dabei ist es noch nicht so lange her, dass ich vor den 30 Grad im Schatten ins Haus geflüchtet bin. (Wenn man älter wird, vergeht die Zeit schneller.)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Lothar!


    Das immerhin könnte die Form erklären. Irgendwie scheint mir auch die Struktur der Hutschuppen etwas anders zu sein, weswegen ich auch zu einer anderen Art tendiert hätte.
    Eine Schwierigkeit dabei ist ja, daß Champius in vielen merkmalen unheimlich variabel sind. Wenn man dann Fruchtkörper hat, die bei den Essentials (Verfärbungsmuster, Geruch) nicht mehr richtig funktionierren (zu alt, zu trocken, zu nass etc.), dann sind das meist gleich mal Zackpilzkollektionen.
    Ein wenig Hoffnung bleibt, daß die in den nächsten Wochen nochmal kommen, wenn sich das Wetter bessert. Ansonsten heißt es wohl warten bis zum nächsten jahr.



    LG; Pablo.