Wanderungen in Ostprignitz-Ruppin

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 1.604 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von PDPAP.

  • Der diesjährige Sommer war in meiner Heimat pilztechnisch ein Totalausfall - ich weinte gar um die Straßen und Parkvegetation die teils bereits Anfang August blattlos war. Irgenwann kam den für Grünflächen Verantwortlichen die Idee das Wasser der Nürnberger Hallenbäder, die zum Energiesparen geschlossen worden waren, zur Bewässerung zu verwenden- endlich mal eine gute Idee! Leider viel zu spät. Die alten Ahörner im Park vor unserem Haus kamen letztes und dieses Jahr gerade eben noch in einer Notkrone, nächstes fürchte ich werden sie kahl bleiben.

    Nachdem ich dann von den Waldbränden in Brandenburg kurz vor unserem Urlaub gelesen hatte, war mein klein Bisschen Hoffnung dahin, dass zumindest dort etwas gehen könnte. Doch der Niederschlag kann wie wir im Forum immer wieder sehen regional oft sehr verschieden sein und so war tatsächlich in Südbrandenburg offenbar eine kleine Oase inmitten der übrigen Steppe. Mir fiel gleich auf wie grün die Straßenrandstreifen dort waren und so konnte ich sogar ein paar Funde machen. Insgesamt sind ungefähr ein Dutzend Arten bei täglichen Ausflügen über zwei Wochen natürlich nicht gerade üppig, aber für mich waren doch einige Neufunde dabei. Insbesondere Stielporlinge verschiedenster Arten waren oft zu finden- ich finde sie eine der ästhetisch ansprechendsten Gattungen - und in meinen heimatlichen Kiefernwälder eine Rarität. Auch wenn der lang ersehnte Regen mittlerweile eingetroffen ist und die Hoffnung auf eine passable Herbstsaison besteht möchte ich euch wenn ihr wollt nochmal auf einen Ausflug in die letzen Spätsommertage mitnehmen.



    Eine Besonderheit der Gegend sind die postglazialen Klarwassersehen rund um Rheinsberg. Sie sind noch immer nährstoffarm und daher selbst im Hochsommer nicht von Algen getrübt


    Darin lebt eine an die kargen Bedingungen angepasste Flora und Fauna- vielleicht vergleichbar mit der spezialisierten Funga der Magerwiesen..


    Zum Beispiel diese wunderschön gezeichneten Kahnschnecken (Theodoxus fluviatilis). Mein Sohn hat sie gesammelt und ich habe sie selbstverständlich nach dem Fototermin wieder schwimmen- oder besser kriechen lassen.


    Der neugieriege (amerikanische) Kamberkrebs hoffte wohl auf leichte Beute, er kroch unter dem Ast hervor während ich die Schnecken drapierte. Da er immun gegen die Krebstpest ist, sie aber dennoch übertragen kann, hat er einen Selektionsvorteil gegenüber den einheimischen Arten.


    Achso es soll ja um Pilze gehen;) na dann:



    In den Buchenwäldern um die Seen häufig anzutreffen waren Sklerotienporlinge (Polyporus tuberaster). Ich hätte sie ja gerne mal verkostet, aber als ich ein paar Tage später bewusst einige fürs Abendessen sammeln wollte waren sie schon zu alt und es kamen auch keine frischen mehr nach.


    Einige Sonderlinge habe ich letztendlich auch unter Sklerotionporling abgelegt weil mir nichts Passenderes eingefallen ist:

    zB hier fast stiellos und mit geschlitzen Poren (Durchmesser ca 2-3cm), die Schuppen vermutlich abgewaschen:



    Oder diese Winzlinge (Durchmesser <1cm siehe Fingerkuppe)



    Aber es gab nicht nur Sklerotienporlinge- diese weitlöchrigen Stielporlinge (Lentinus arcularius) waren ein Erstfund für mich


    In meinem Kopf waren sie immer viel größer, vielleicht weil die Fotografen so gerne Bilder der Poren machen..


    Daher hier einmal mit Größenvergleich:


    Der Löwengelbe Stielporling (Cerioporus leptocephalus) fühlte sich auf abgestorbenen Buchenästen auch wohl und macht seinem Namen alle Ehre



    Den großen Bruder, den kastanienbraunen Stielporling (Picipes badius, daran muss ich mich erst gewöhnen) konnte ich auch einmal finden



    Doch auch nicht gestielte Porlinge gabs:

    Broiler mit toller Färbung an Robinie (Laetiporus sulfureus)


    ein paar Bäume weiter ebenfalls an Robinie ein Schillerporling, evtl Inonotus cuticularis


    Den habe ich aus der Fahrt gesehen und musste kurz anhalten:

    ein Riesenporling (Merupilus giganteus), man beachte die Kornflasche zum Größenvergleich


    Etwas zierlicher dagegen dieser Saftporling an Birke (ob man den ohne näher reinzulinsen guten Gewissens Postia lactea nennen kann?)




    An Holz gehts weiter mit gallertfleischigen Stummelfüßchen (Crepidotus cf mollis)



    Aber auch Nadelholz gabs- wenn auch Laubholzpilze daran wuchsen:


    Lungenseitlinge (Pleurotus pulmonarius) an Fichte


    Diese interessanten gelblichen Knubbel an Föhre wollen vermutlich mal nordische Porlinge (Climacocystus borrealis) werden. Ich konnte es nicht mehr herausfinden, es wäre aber ein weiterer Erstfund für mich. Die Konsistenz war entgegen des fluffigen Aussehens recht fest.




    Und hierüber habe ich mich damisch gefreut, um mal ein Wort meiner oberpfälzer Heimat zu verwenden.:



    Nach einem Regenguss fand ich diese Schmutzbecherlinge auf einem Holzlagerplatz. Sie sollen ja sonst überall häufig sein- für mich aber auch ein Erstfund.


    Um die pilzlichen Geschmacksknospen wieder frei zu bekommen noch ein paar Impressionen:


    Ein Grasfrosch- er ist auf den Klimawandel gut vorbereitet, seine Farbe passt besser zu verdorrtem Gras.



    Die Wellen eines Motorboots spülten eine halbtote Gelbrandkäferlarve (Dytiscus marginalis) an den Strand. Sie hat ordentliche Kneifer mit denen sie sogar kleine Fische erbeuten kann.


    Die alte Buche hatte einen Feenbrunnen


    Und in dessen Inneren wuchs, wie sich das für die Feen gehört eine Erle


    Die Fee hatte für den Pilzer einen kleinen Schatz versteckt:


    Eine Scutellinia und noch ein Grauer darüber, den ich schon gern mal näher betrachtet hätte

    Aber ich lies ihm sein Geheimnis



    Nachdem es in der ersten Woche ordentlich geregnet hatte gab es nach und nach auch anderes als Baumpilze:


    Für diese Sommersteinpilze kam ich aber schon wieder zu spät. Der erste war nur noch Fassade, beim zweiten fehlte auch die schon weitgehend.


    Wo wir gerade bei Löchern sind- kennt jemand die Verursacher dieser glatt berandeten ovalen Löcher in den Buchenblättern?


    Der böse Zwilling (Gallenröhrling, Tylopilus felleus) durfte auch nicht fehlen. Ich habe ihn mal gekostet um herauszufinden ob ich den Bitterstoff schmecke- es soll ja Menschen geben die ihn nicht schmecken. Interessanterweise fand ich ihn zunächst eher scharf, erst mehrere Minuten nach dem Ausspucken kam ein bitterer Nachgeschmack dazu.


    Da ist auch die Hexe (Suillellus luridus) nicht weit und lacht sich ins Fäustchen (Coprinellus spec.)


    Das stinkt doch zum Himmel dachte sich der Tintling und reckte den Hals so hoch es ging- oder ist das gar ein UFO?


    Den spindeligen Rübling (Gymnopus fusipes) mag ich auch, er sieht aus wie ein Märchenpilz


    Leider war es schon recht dunkel, daher kommt die Farbe des Feuerschüpplings (Pholiota flammans) nicht mehr richtig raus, dennoch immer wieder ein Highlight


    Diese hier haben mich recht genarrt. Ich fand mehrere, aber jeweils einzeln im Detritus. Die Farben kräftig, vergleichbar mit dem Pufi Hori*. Der stark bereifte fast filzige, dicke Stiel lässt mich allerdings glauben dass es einfach der brennende Rübling (Gymnopus peronatus) ist. Leider hatte ich die Idee im Wald noch nicht sonst hätte ich mal probiert.

    *(Tricholomopsis rutilans)


    Am Parkplatz gabs noch einen Ackerling oder was aus der Richtung, damit kenne ich mich gar nicht aus. Auffällig war das deutliche Rhizom.


    Und sogar im Garten der Ferienwohnung gab es nun was zu finden: ich hätte sie wegen ihres aufdringlichen Geruchs für Knoblauchschwindlinge (Mycetinis scorodonius) gehalten. Hutdurchmesser bis 10mm, neben einer Koniferenhecke.


    Im Sommerflieder landeten dort immer wieder diese hübschen Falter, vielleicht was aus der Gruppe der Perlmuttfalter. Nachdem sie sich für mich als Unkundigen nur marginal unterscheiden habe ich die Bestimmung aufgegeben.


    Dann kam nochmals Regen und mit ihm ein Pilzlein oder besser Pilzleinstlein?

    Ein Rhododendronblatt bildet diese Wand mit Reling


    Jaja ich hör euch ja schon- ohne Schnittbild geht da nix. Also kann ich nur raten er könnte auf den Namen Coprinopsis frisii hören.

    Nach Abziehen der Huthaut in einer Brezenknoblauchpanade übrigens ein Gedicht!



    Damit verabschiede ich mich, vielleicht habt ihr nochmal etwas Sommerduft verspürt.

    Aber keine Zeit nachzutrauern denn die beste Jahreszeit steht ja noch bevor!


    Viele Grüße euer Ingo






    PS: im Abspann noch ein kleines "Making of".

    Disclaimer: Die meisten Pilze wurden nach der Begutachtung wieder fachgerecht "eingepflanzt", bei anderen wurde bei der räumlichen und zeitlichen Sporenverbreitung etwas nachgeholfen sag ich mal :gpfeiffen:

  • Ahoj, Ingo,


    Dein "Perlmuttfalter"

    ist Frau Kaisermantel.


    LG

    Malone

    Link zu Pilzlehrwanderungen: Pilzschule Rhein-Main

    Link: Verzehrfreigaben gibt es online nicht

    Galerie: Pilzfotos "zum Anfassen"/Stereobilder

    Der frühe Vogel fängt den Wurm. Soll er doch im Dunkeln tappen...ich fange lieber Pilze. Fossas sind auch nur aktiv, wenn es sich lohnt.

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    Pilz-Chips: 90+8 für Nobis Pilz-Cover-Rätsel=98, +2 Interne Tribünen-Punkte-Wette APR 2022=100, +4 PhalschPhal-Gedicht APR = 104 +5 Rätselgedicht = 109, 3 als Rätselprämie an Lupus = 106

  • Ich weiß zwar was ein Broiler ist, kenne den Pilz aber nicht. Hilfst Du mir?

    Hallo PDAP, entschuldige, eigentlich versuche ich alles zu beschriften und nichts vorauszusetzen damit jeder was davon hat. Da hab ich nicht aufgepasst, ich hab’s oben schon ergänzt.

    Broiler deswegen weil der Pilz im angelsächsischen Raum auch „chicken of the woods“ genannt wird. Er trägt wissenschaftlich den schönen Namen Laetiporus sulphureus - ich muss immer schmunzeln wenn ich einen seh: stümperhaft übersetzt heißt er für mich „der fröhliche Porling in Schwefelgelb“. Aber mein Latinum ist lange her und du bist vermutlich Altphilologe (schließe ich aus deinem Nick) und ich hätt die Übersetzung besser lassen sollen. Im Sinne von „si tacuisses.. philosophus mansisses

    herzliche Grüße

    Ingo

  • Danke Ingo!

    Der ist so schön orange, dass ich gar nicht an den Schwefelporling gedacht habe. Manchmal sollte man halt das Gehirn einschalten.

    Altphilologe

    Ich habe zwar in der Schule Latein und Griechisch gelernt, aber damit nichts mehr zu tun. Als Elektrotechniker war ich vor vielen Jahren auf einem VDE-Kongress; dort hatten sie als Überschrift "τα πάντα ῥεῖ - Alles fließt" verwendet. Das ist mir halt jetzt wieder eingefallen.