Cremeweißer Seitling (Pleurotus pulmonarius) UND Austernseitling (P. ostreatus) gleichzeitig?

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 2.822 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

  • Hallo,

    hier noch eine für mich sehr interessante Frage: Im Welterbe-Buchenwald Grumsin hatte ich heute eine Menge "Seitlinge" auf toten liegenden Buchen.

    Die meisten davon waren cremegelblich und überständig. Gleichzeitig lag an diesen Standorten eindeutig ein Anisgeruch in der Luft, den ich mir vor Ort nicht erklären konnte. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass dies das wichtigste Bestimmungsmerkmal des mir bis dato komplett unbekannten Cremeweißen Seitlings (P. pulmonarius) ist, auch Sommer-Austernseitling genannt. Zur Bestimmung mitgenommen habe ich aber nur ein paar von den wenigen frisch aussehenden, auf der Oberseite leicht gräulich angehauchten Seitlingen. Jetzt wieder zu Hause riechen diese aber überhaupt nicht nach Anis und passen auch farblich eher zu normalen Austernpilzen (P. ostreatus).

    Meine Frage ist nun: Ist es möglich, dass die ganzen überständigen Seitlinge P. pulmonarius waren, die ja im Sommer erscheinen, und dass die jungen frischen grauen Seitlinge, die ich mitgenommen habe, ganz einfach schon die ersten P. ostreatus der Saison sind, die ja nur sehr selten schon im September erscheinen? Dann müssten aber beide Arten gemeinsam auf dem gleichen Stamm wachsen (und das in mind. zwei Fällen).


    Hier ein paar von den älteren Exemplaren - eher cremefarben:








    Und hier Bilder von den frischen Seitlingen:






    Bin gespannt, was die Experten dazu meinen.


    LG

    Lars

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Lars!


    Oh, eine von diesen Kollektionen.

    Man findet immer mal wieder solche Seitlingsgruppen, die sich kaum einer Art zuordnen lassen; meistens dann ein Merkmalschaos zwischen Pleurotus pulmonarius und Pleurotus ostreatus. Der Rillstielige (Pleurotus cornucopiae) ist meistens ganz gut abzugrenzen, spielt aber hier bei deinem Fnd auch noch mit rein, und zwar bei den jüngeren Fruchtkörpern auf den letzten vier Bildern.

    Die alten fruchtkörper auf den ersten Bildern halte ich am ehesten für Pleurotus ostreatus: Für Lungenseitlinge (Pleurotus pulmonarius) erscheinen sie mir zu dickfleischig und die Stiele viel zu kurz (nur undeutlich ausgebildet) und zu dick.


    Die Bilder der jungen Fruchtkörper sind zwar gestielt, aber die Stiele sitzen +/- zentrisch unter den Hüten, die Hüte ganzrandig, mit recht deuticher Pigmentierung ins graubraune, und die Stiele ziemlich dick und stämmig. Das wäre ein Verhalten, daß ganz gut zum Rillstieligen passt. Die Stiele sind hier allerdings völlig glatt zur Basis hin, und auch Austernseitlinge (Pleurotus ostreatus) können sich so verhalten, wenn auf Oberseiten von waagrechtem Substrat wachsend
    Lungenseitlinge bilden in der Regel deutliche Stiele aus, aber meistens (gerade bei jungen Fruchtkörpern) eher schlanke, dünne und seitlich ansitzende Stielchen, ihre Hüte sind nur ganz jung bräunlich, blassen später aus und gilben meisten vom Hutrand her sehr deutlich (stärker als die beiden anderen Arten).


    Tendenz hier also zu Pleurotus ostreatus, wenn denn die jungen und die alten fruchtkörper vom selben Mycel gebildet wurden (was nicht sein muss, es können auch mehrere Mycelien von verschiedenen Arten einer Gattung in einem Baumstamm aktiv sein).



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,

    Danke für die Einschätzung. In der Tat sehr verwirrend.

    Leider habe ich kein gutes Bild gemacht von der großen Zahl überständiger Exemplare, noch wesentlich älter als die hier abgebildeten 'alten'. Vielleicht finde ich heute Abend doch noch eines. Möglicherweise kam von denen der Anisgeruch. Wäre es für ostreatus nicht zumindest sehr ungewöhnlich, wenn der schon Anfang September in großer Zahl auftreten würde?

    Im Moment würde ich auf mind. zwei versch. Arten and den beiden Fundstellen tippen - auch wenn auf den Fotos mögl. nur ostreatus zu sehen sind.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Harald!


    Hm, ja... Wenn das denn mal auch so funktioniert wie es soll.

    Ich habe da etwass Zweifel, aber in der Gruppe in dieser Gattung habe ich ja eigentlich an allem Zweifel.
    Schaut man sich mal diese Kollektion an:

    Müsste man entweder sämtliche morphologischen Trennmerkmale über Bord werfen - oder eben die Signifikanz der Reaktion in Frage stellen, fürchte ich.



    LG, Pablo.

  • Hi Pablo,

    mir fehlen da die Erfahrungswerte, da ich pulmonarius wissentlich noch nicht zu Gesicht bekommen habe. Ich habe jetzt einfach mal das als gegeben hingenommen was im Piko 1 steht. Zumal dort auch geschrieben ist, dass pulmonarius in Höhen über 600 m vorkommen soll (wenn ich recht erinnere). Man müsste sich in der Tat mit dem Komplex mal näher auseinandersetzen.


    Beste Grüße

    Harald

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Harald!


    Ich glaube zumindest, Oleurotus pulmonarius hier in der Gegend häufig zu finden, allerdings nicht nur in den umliegenden Mittelgebirgen, sonddern auch im Flachland dazwischen (Rheinebene). Da sind auch unverfärbende Kollektionen dabei, aber meistens richte ich mich - sofern möglich - nach der Fruchtkörperform, und verstehe P. pulmonarius eben als eine deutlich gestielte, ziemlich dünnfleischige Art mit seitlichem Stielansatz, vorwiegend blassen Farben, relativ starker Tendenz zum Gilben und gelegentlich (vor allem vergehend) mit anisartigem Geruch.
    Es kann aber auch sein, daß dieses Artverständnis nichts taugt. Vor allem, weil meistens irgendwas nicht passt. Auch das mikroskopische Verhalten mit den "Skeletthyphen" (die es eigenltich bei keiner der drei Arten wirklich gibt, sondern nur sklerifizierende generative Hyphen) schient mir viel eher vom Alter der Fruchtkörper abzuhängen als von der Art.
    Allerdings habe ich auch vor ein / zwei Jahren entnervt aufgegeben, diese Gruppe wirklich verstehen zu wollen.
    Denn wie du sagst: Eigenltich müssste man es mal richtig angehen, reihenweise Kollektionen einsammeln, jede einzelne umfassend beobachten und dokumentieren (makro- und mikromorphologisch sowie makrochemisch) und dann sequenzieren, um ein solides Artkonzept irgendwie zu untermauern.
    Das Risiko dabei: Daß halt aus momentan drei nachher acht Arten oder so werden, die man erst recht nicht mehr morphologisch untescheiden kann.
    Oder daß doch alles eins ist, weil (wo mich so nach und nach auch ein Verdacht beschleicht) Pleurotus pulmonarius und Pleurotus ostreatus möglicherweise Hybriden bilden können.



    LG, Pablo.