Hallo,
zu jeder Gattung muss eine bestimmte Art als Typusart definiert sein. Alle Arten, die nicht auf Gattungsebene von dieser Typusart trennbar sind, gehören damit zur selben Gattung.
Wenn also eine Gattung molekular bearbeitet wird, dann versucht man von möglichst vielen Arten dieser Gattung Sequenzen zu bekommen, zumindest aber von jedem Repräsentanten der bisherigen Untergattungen/Sektionen und auch von den nächsten Nachbargattungen. Dann kann man oft sehen, welche Arten nahe beieinanderstehen, also "zusammengehören" und als Gruppe von anderen Gruppen mehr oder weniger deutlich abgesetzt sind. Diese Gruppen werden Kladen oder clades genannt und bilden dann oft bei Aufsplittung neue Gattungen.
Habe ich also festgestellt, dass mein großer Bau der Mycena-Arten deutliche Gruppenbildung zeigt, und ich plausibel machen kann, dass einzelne Gruppen soweit entfernt von anderen sind dass ich da eigene Gattungen erkenne, dann muss ich zuerst mal schauen, in welcher Gruppe die Typusart der Gattung Mycena steckt. Diese Gruppe wird dann weiterhin Mycena heißen. Hat man Pech, dann steht die Typusart ganz alleine da - siehe Coprinus comatus (Typusart von Coprinus, weswegen alle anderen Tintlinge jetzt Coprinellus etc. heißen) oder auch Cortinarius wäre so ein Problemfall, weil bei Aufsplittung die Typusart Cortinarius violaceus vermutlich eine eigene Gattung bilden würde.
Die anderen Gruppen, die ich zu eigenen Gattungen definieren möchte, muss ich mir anschauen, ob sie Arten enthalten, die vielleicht schon als Typusarten von anderen, bisher als Synonym angesehenen, Gattungen definiert sind. Dann hätte ich ja schon einen verwendbaren Gattungsnamen für mein Absprengsel. Soweit ich weiß bin ich aber nicht verpflichtet, diese Art als Typus meiner neuen Gattung zu definieren, ich könnte auch eine andere aus dem Clade nehmen und dann der Gattung einen neuen Namen geben. WENN ich aber eine Art zum Typus der neuen Gruppe definieren, die bereits Typusart einer Gattung ist, dann muss ich auch diesen Gattungsnamen verwenden.
Im konkreten Fall Mycena: Bisher wurden schon einzelne Gattungen aus der großen Gattung Mycena rausgeköst, z.B. alle Arten die keine dextrinoide Lamellentrame aufweisen. Atheniella mit der Typusart Atheniella adonis usw. Trennt man die Rettichhelmlinge nun ab, so könnte man Mycena pelianthina als Repärsentanten, also als Typusart wählen. Ein Synonym von Mycena pelianthina ist Prunulus denticulatus, die Typusart von Prunulus. Insofern müsste man dann Prunulus als Gattungsnamen für die abgegrenzte Rettichhelmlings-Clade wählen. Man könnte wohl aber auch z.B. Mycena rosea als neue Typusart dieses clades wählen, und da Mycena rosea noch von keiner Gattung die Typusart ist, kann man einen neue Gattung beschreiben - wie wäre mit Rapimycena gen. nov.? Und Rapimycena rosea (Gramberg) xy comb. nov. wäre dann die Typusart.
Gleiches gälte natürlich, falls man alle milchenden Helmlinge in eine eigene Gattung stellen würde. Kann man machen, vorausgesetzt das Merkmal ist nicht mehrfach unabhängig voneinander in verschiedenen Helmlingsgruppen entstanden. Diese Frage kann dann wiederum die molekulare Analyse beantworten.
Und weil die molekularen Analysen nun neuerdings solche Fragestellungen der direkten Verwandtschaft beantworten können, was früher nur aufgrund von Merkmalsähnlichkeiten gemacht werden konnte, haben wir so einen großen Veränderungsschub derzeit, was Verwandtschaftsverhältnisse angeht. Man geht halt erst mal davon aus, dass ähnliches auch nahe verwandt ist, aber wir wissen ja schon vielen Beispielen aus dem gesamten Bereich der Natur, dass es oft konvergente Erscheinungen gibt, oft als Anpassung an bestimmte Nischen. Siehe die Stromlinienform bei Delphin, Hai und Pinguin. Und trotzdem ist der Delphin mit nem Eichhörnchen näher verwandt als mit dem Hai ....
beste Grüße,
Andreas