Pilz/Flechte in tiefen Borkenrissen einer Pappel

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  • Hallo,


    ein weiterer Fund, der mir Schwierigkeiten bereitet.

    Letzte WE stand eine Pappel am Wegrand im Wald, und ein Blick mit der Lupe zeigte viele weißlich berandete Fruchtkörper im tiefen Borkenriss:

    Bild 1 Borkenriss mit kleinen Fruchtkörpern direkt links des brauen Rissen erkennbar


    Die Probe, die ich mitgenommen habe, besitzt schwarze, kurz gestielte Fruchtkörper mit breiten Köpfen.

    Ist der Fruchtkörper geschlossen, sind die Asci im Inneren noch in der Entwicklung.

    Später öffnet sich der blasige Kopf und legt die reifen Asci frei. Der Rand der Fruchtkörper ist dann hell gesäumt.

    Bild 2a Links unreife, schwarze Fruchtkörper noch ohne Öffnung; oben rechts alte, geöffnete Fruchtkörper mit weißlichem Rand.

    Die Fruchtkörper sind sehr klein, der Durchmesser liegt bei ca. 300 µm, die Höhe mit Stiel irgendwo bei 500 µm.

    Sie sind zudem dünnwandig und platzen leicht auf.

    Der Stiel selbst hat einen Durchmesser von 100-150µm.


    Bild 2b Reife/überreife Fruchtkörper mit weißem, gekerbtem Rand


    Eine Quetschprobe von einem geschlossenen Fruchtkörper zeigt schlanke, keulige Asci mit Haken und einige wenige frei schwimmende, noch einzellige, gekrümmte Sporen:

    Bild 3 Asci mit Sporen und freischwimmende, gekrümmte Sporen

    Die Asci messe ich um 110-120 x 15 µm, unreife, einzellige Sporen liegen bei ca. 26-27 x 4,5-5 µm (Krümmung nicht berücksichtigt).

    In anderen Asci liegen 4-zellige, vermutlich reife, ebenfalls farblose Sporen.


    Das Hymenium reagiert J- (gelb) und in K/J- (gelb bis schwach orange).

    Sucht man, findet man in den Asci 4-zellige Sporen. Die Septen sind gut nach Färben in Lugol erkennbar:

    Bild 4 Hymenium in K/J gefärbt. 3-septierte Sporen erkennbar.

    Asci wahrscheinlich 8-sporig.

    Es ist kein amyloider Appikalapparat vorhanden, keine Okularkammer.


    Bild 5 Weitere Asci mit 3-septierten Sporen


    Bild 6 Gequetscher Fruchtkörper in Wasser mit Lugolzusatz, der Asci freisetzt.


    Bild 7 Anastomosierende, septierte Paraphysen oder Paraphysoide (Probe nach K/J-Behandlung), Durchmesser um 1,5 µm.


    Weit geöffnete Paraphysen mit weißem Rand scheinen überaltert und liefern keine verwertbare Daten, keine Asci, keine Sporen.


    Auf der weißen Oberfläche des Substrates (oder Thallus? vgl. Bild 2b) sind Trentepohlia-Algen zu erkennen.

    Es ist unklar, ob sie zum Pilz gehören, oder nur zufällig am gleichen Ort vorkommen.

    Ein Schnitt durch das Substrat zeigt jedenfgalls keins grüne Algenschicht - wobei es schwierig sein könnte, orange Algen in einer braun-orangen Rinde zu erkennen.

    Grünalgen sind wohl nicht in größerer Zahl im Substrat vorhanden:

    Bild 8 Schnitt durch Substrat (Rinde)


    Derartige Pilze werden - egal ob lichenisiert oder nicht - oft in der Flechtenliteratur mit behandelt.


    Einen Versuch ist es wert:

    # Setze ich eine pyrenocarpen Fruchtkörper voraus (von gestielten Pertithecien habe ich allerdings noch nie gehört und ein Stiel widerspricht meiner Meinung nach dem Sinn eines bis auf eine Pore geschlossenen Fruchtkörpers, der meist in den Thallus eingesenkt ist), lande ich beim weiterführenden Schlüssel für Leptorhaphis/Cresporhaphis/Celothelium, einer Gruppe nicht eindeutig lichenisierter Pilze mit gekrümmten, 1-4-zelligen Sporen, Hymenium u.a. J+gelb, Asci 8-16-sporig. L. epidermidis z.B. scheint sehr häufig in Form kleiner schwarzer Püntchen in/auf weißer Birkenrinde vorzukommen, da muss ich mal darauf aufpassen. Die Arten sind sehr wirtsspezifisch und auf eine Baumart beschränkt. Klingt nach leichtem Spiel, aber leider passen die Beschreibungen der Arten letztlich gar nicht, die FK sind ungestielt und natürlich eingesenkt.


    # Falls die FK als Apothecien gelten, gelange ich leider zu keiner vielversprechenden Flechten-/Pilzgattung.


    Weiß jemand vielleicht Rat?


    LG, Martin

  • Hallo Felli,


    die fragst nach der Konsistenz. Ein bisschen schwierig zu beantworten bei der Größe der FK.

    Ich hatte den Eindruck, dass sie prall gefüllt wie Ballons waren, da sie auf dem Deckglas im Wasser platzen, als ich mit der Präpariernadel dran kam.

    Beim Ausdrucken des Deckglases wurden die Asci aus den FK herausgeschleudert.

    Was soll ich sagen, sie sind winzig und reagieren entsprechend schnell.

    Grüße, Martin

  • Hallo Felli,


    ich werde wohl oder übel einen Querschnitt versuchen müssen, um weiter zu kommen.

    Mal schauen, ob das klappt.


    Ich melde mich wieder...


    Und das Bild 2b ist tatsächlich komplett schwarz. Ich muss es wohl ersetzen.


    LG, Martin

  • Hallo Felli ,


    ich habe durch einen der geschlossenen Fruchtkörper einen, wenn auch etwas dicken, Querschnitt hinbekommen.

    Allzuviel ist wohl nicht zu erkennen:

    Bild 9 Querschnitt - in Wasser


    Bild 10a


    Bild 10b


    Bild 10c keine Algen an Stiel / Substrat erkennbar


    Keine wesentliche Veränderung beri Zusatz von 3% KOH:

    kein Verfärben, Entfärben, Auflösen; K/J negativ, nur Gelbfärbung des Cytoplasmas (vgl. Bild 4ff.


    Bild 11 nach K/J-Färbung, leicht gedrückt


    Am nächsten Morgen habe ich Wasser nachgefüllt und habe die Probe aus Bild 11 gequetscht, um die bisher nicht sichtbaren Komponenten sichtbar zu machen.

    Das ging leider zu leicht, denn so zermatschen wollte ich sie nicht im ersten Schritt:

    Bild 12 Gleicher FK, gequetscht - Übersicht 40x


    Bild 13 (gleiche Orientierung wie Bild 12) 100x

    Die Dicke der braunen Hülle scheint von unten nach oben abzunehmen.


    Bild 14 (gleiche Orientierung wie Bild 12) 100x


    Bild 15 (gleiche Orientierung wie Bild 12) 400x, Die Innenwand der FK-Hülle ist mit einer fasrigen, hyalinen Schicht ausgekleidet.


    Bild 16 (gleiche Orientierung wie Bild 12) 400x


    Bild 17 (gleiche Orientierung wie Bild 12) 400x


    Bild 18 (gleiche Orientierung wie Bild 12) 400x



    Bild 19 (gleiche Orientierung wie Bild 12) 400x



    Bild 20 (gleiche Orientierung wie Bild 12) 400x


    Die offenen "Fruchtkörper" sind wohl nur leere Hüllenreste ohne Asci, ohne Sporen.

    Die geschlossenen schwarzen FK schießen bei leichten Druck das Hymenium durch eine entweder bereits vorhandene, oder durch den leichten Druck entstehende kleine Öffnung am Scheitel heraus. Drücke ich noch mehr, platzen seitlich auf halber Höhe weitere Hyphen heraus.


    Bild 21 Drei FK-Reste und ein vitaler FK, der sich schon bei leichtem Druck auf des Deckglas durch eine Pore entleert. Alle Fruchtkörper sind gestielt.


    Bild 22 FK-Mündung mit ausgetretenem Hymenium


    Ich fürchte nur, das hilft auch nicht wirklich weiter - was meinst du dazu?

    Du hattest Patellaria angedeutet, eventuell meinst du P. atrata? Das scheint nicht gut zu passen, schon aufgrund der Stiele...


    Die von oben offen wirkenden FK sind alt und leer, von den Abmessungen scheinen sie Stiel und untere Hälfte der FK-Hülle zu sein (Bild 21).

    Entweder handelt es sich doch um einen pyrenocarpen Pilz oder um Apothecien mit sehr enger Öffnung.

    Ein typisches, weit offenes Apothecium liegt jedenfalls nicht vor.


    LG, Martin

  • Servus Martin,

    erstmal vorweg - so etwas hab ich noch nicht gesehen.

    Patellaria hab ich auf grund der bitunicaten Asci und der gekrümmten Sporen in Betracht gezogen.

    Kurzfristig hab ich auch mal an Stenocybe gedacht.


    Es macht irgendwie den Eindruck dass das ganze relativ weich ist - oder? [ also nicht typisch Pyrenomycet (Sporormiella/ Kohlenbeere)]

    Wenn man jetzt von den bitunikaten Asci ohne Lugolreaktion ausgeht kommt man zu den Dothideomycetes/ Hysteriales/Pleosporales


    Ich werd mal schauen ob ich in der Richtung noch was finde.


    Wäre vielleicht auch noch wichtig wenn man einen reifen Ascus mit voll entwickelten Sporen sehen könnte,-


    Grüße

    Felli

  • Hallo Felli ,


    ja die kleinen Feigen sind im angefeuchteten Zustand wie kleine Wassersäckchen.

    Man kann sie im Ganzen mit der Nadel aus dem Substrat heben und unter das Deckglas bringen. Wenn man denn ein bissle mit der Nadel in der Nähe auf deas Deckglas drückt, quatscht das Hymenium sofort oben oder seitlich heraus.


    Ich bin gespannt, ob du tatsächlich hierzu etwas herausbekommst.

    Falls es dich interessiert, kann ich dir sehr gerne das Probenmaterial zukommen lassen.


    Bilder:

    Bild 23 Platzende Fruchtkörper (erstellt mit Video to GIF Maker)


    Ich habe ferner versucht, "vollreife" Asci aufzuzeichnen, Asci, in denen man septierte Sporen erkennt:

    Bild 24 in Wasser


    Bild 25 in Wasser, Asci schraubig angeordnet, ich sehe 6-7 Gänge / Umläufe


    Bild 26 Gefärbt in Lugol (J-), keine Reaktion


    Bild 27 isolierter Ascus (Lugol)


    Bild 28 (= Bild 4) Gefärbt in K/J, ohne Reaktion, hier leigen die Sporen etwas unordentlicher


    Bild 29 Gefärbt in Annilinblau (Lactophen-Annilinblau-Säurefuchsin)


    Bild 30 Anasomosierende Paraphysen (Annilinblau)