Die Pilze und der Klimawandel ?

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 4.009 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Der Juergen.

  • Wenn man über 40 Jahre Pilze der Region sammelt, bekommt man natürlich auch Veränderungen mit. Dabei sind jährliche Schwankungen ja völlig normal, ebenso Veränderungen der Botanik durch Aufforstung, Kahlschläge und normales Wachstum.
    Einige Verändrungen lasen sich aber nicht so leicht erklären und sind anhaltend und langfritig.
    Ich gebe mal ein paar Beispiele.


    Bis vor ca. 20 Jahren konnte man bei uns jedes Jahr Unmengen von Wiesenchampignons finden. Zwar gab es auch dabei jährliche Schwankungen, aber grundsätzlich waren sie immer zu finden.
    Dafür fand man kaum Pfifferlinge. In einem " guten " Jahr konnte man grade mal eine Mahlzeit finden, dann war aber auch schon Schluß.


    Eben bis vor ca. 20 Jahren. Dann war plötzlich, innerhalb von 2 Jahren Schluß mit Champignons. Nur ganz selten und vereinzelt konnte man sie finden. Auch auf Wiesen, die nicht intensiv landwirtschaftlich genutzt wurden und die wie immer vom Vieh beweidet wurden. Dafür kam der Pfifferling, ebenfalls innerhalb von 2 Jahren enorm auf. Bald war es kein Problem mehr am Tag 2 -3 Kg zu sammeln, wenn man das denn hätte tun wollen.


    Der Champignon hat mich dann im vorigenJahr wieder überrascht. Noch Anfang Dezember !! konnte ich wenige Exemplare auf der Wiese hinter unserem Haus finden. Dieses Jahr kam er dann etwas häufiger auf, ohne jedoch wie früher in Massen aufzutreten. Dafür konnte ich ihn schon Anfang Mai finden, dann kam eine Pause ob der anhaltenden Trockenheit, danach sproß er dann etwas häufiger, was bis jetzt anhält. Den Pfifferling findet man allerdings weiter gut. Allerdings nun viel mehr im Laubwald als in den Fichtenschonungen.


    Ein weiters Beispiel ist der kahle Krempling und der Parasol. Kremplinge waren früher bei uns ebenfalls Massenpilze, Parasole dafür unbekannt. Auch hier spielte sich ein Wandel in gleichen Zeitraum wie bei Pfifferling und Champignon ab. Und auch hier gibt es dieses Jahr wieder reichlich Kremplinge, dafür aber nur wenige Parasole. Zuätzlich kommt seit damals der Fichtenreizker in Massen vor, wenn es halbwegs feucht genug ist. Den kannte man früher auch nicht, bzw er war sehr selten.


    Das Stockschwämmchen hat mir früher so manches Abendessen gesichert, heute lass ich ´s stehen, weil es so selten geworden ist.
    Dafür finde ich seit ein paar Jahren vermehrt den Flockenstieligen Hexenröhrling, der in diesem Jahr sogar extrem häufig ist.


    Meine Beobachtungen sind sehr lokal und beschränken sich auf meine direkte Umgebung. Mich würde interessieren, ob jemand solche Beobachtungen auch an anderer Stelle gemacht hat. Vielleicht auch mit anderen Arten.
    Und natürlich auch die Gründe dafür, sofern sie sich irgendwie ableiten lassen. Da die Botanischen gegebenheiten sich bei uns nicht besonders geändert haben, fällt mir nichts anderes als das Klima ein.
    Wobei ich nicht von einem aussterben mancher Arten ausgehe, sondern eher von langfristig anhaltenden Temperaturänderungen. So halte ich es z.B. für möglich, dass der lang anhaltende und strenge letzte Winter dem Champignon recht gut getan hat. Vielleicht braucht er ja einen bestimmte Anzahl an Tagesminusgraden um sich richtig entwickeln zu können.


    Vielleicht ist das aber auch nur ein lökales Phänomen. Lasst uns doch mal ein bisschen spekulieren.

  • Hallo,
    bei uns gibt es seit ungefähr 2 Jahren keine Pfifferlinge mehr.
    Laut Forstamt liegt das daran, das der Stickstoffeintrag über die Luft extrem hoch ist und das mögen die Pfiffis überhaupt nicht.


    Viele Grüße Barbara

  • Ich überlegte auch grad: das könnte auch ein lokal begrenzter "Klimawandel" sein.
    Irgendwas passiert vor 20 Jahren? Hat ein AKW oder sonst eine große Fabrik auf oder zu gemacht?
    Hier am Niederrhein scheint sich irgendwie die Hochwassersituation geändert zu haben, mir ist, als wären Köln und Konsorten früher öfter abgesoffen. Ich denke, heute gibts mehr Polder, weil man weniger mit Gewalt als mit Grips die Wassermassen im Zaum zu halten weiß. Laut Klimawandel müssten wir eher mehr Fluten kriegen.


    2008 war hier die eine Hofwiese voller Kahler Kremplinge. Entweder hatten wir das noch nie dermaßen intensiv, oder es ist mir nie aufgefallen, da Schwammerln mich erst seit kürzerer Zeit interessieren. Auf der benachbarten Hofwiese, die gleichermaßen unter der Birke liegt, war nicht einer, aber da gibts auch einen fleißigen, ordnungsliebenden Nachbarn.

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

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  • Hallo,


    was Wiesenchampignons anbelangt, die es vor 30 Jahren in guten Jahren in Massen auf Eifelweiden gab, habe ich mir folgenden Reim auf ihr schlagartiges Verschwinden gemacht:
    Stickstoffdünger. Die Wiesen sind für die Mahd künstlich fett gemästet worden und die Kühe stehen im Stall.
    Nur wenn ich von reichlich verwendetem Kunstdünger ausgehe, kann ich mir erklären, wieso Eifelwiesen fett grasgrün aussehen können (wenige, eiweißreiche Grassorten) und Maisanbau in einem steinigen Kalkbruch funktionieren kann. Kein Hornklee, keine Bläulinge, nur Mais für Silage.
    Das hat sich offenbar mittlerweile wiederum geändert. Anscheinend bringt Landschaftspflege und Brache mehr als Viehwirtschaft.


    Ich war letzte Woche nach langer Zeit in der Eifel und höchst verwundert, dass es mittlerweile wieder magere, malerische Blumenwiesen gibt. Auf den Wiesen weiden nur noch hier und da ein paar Kühe. Als Kind kannte ich die Eifel nur bunt gesprengselt mit Weidevieh und die Kuhfladen wurden mit einem Schleppgerät aus alten Autoreifen auf der Wiese verteilt. Champignons mochten das sehr. Kartonweise haben wir in meiner Kindheit Champignons geerntet und dunkelbraun gebraten, bis sie fest waren wie Fleisch und im Magen lagen wie Wackersteine, was uns natürlich nicht störte.
    Heute finde ich im Kurpark mehr Champignons als auf einer Eifelwiese.


    Die alten Stellen im Wald, wo wir früher zuverlässig Steinpilze, Pfifferlinge und Espenrotkappen gefunden haben, sind verschwunden, was ich aber u.A. mit dem fortgeschrittenen Alter der Bäume dort in Verbindung bringe. Ich nehme an, die Pilze stehen jetzt an anderen Orten dieses Waldgebiets.


    Was in unserer Freizeitlandschaft (zumindest in meiner Region) sehr zugenommen hat, sind Pilzesucher, Pilzexkursionen, Pilzwanderungen - und außerdem Gruppen von Zeitarbeitern aus östlichen Ländern, die wie bei sich zuhause die Wälder durchkämmen. Da bleibt nicht viel übrig.


    LG


    Cara

  • Nun, ein AKW ist bei uns nicht explodiert:) Auch sonst gibt es keine gravierenden lokalen Veränderungen. Klar sind viele Wiesen inzwischen der modernen Landwirtschaft anheim gefallen, werden gedüngt und bis zu vier mal im Jahr gemäht. Dort kann ich mir die Veränderungen auch erklären. Aber es gibt eben auch noch die alten Weiden mit Kühen und Pferden, und auch dort war die Veränderung spürbar. Die alten Buchenwälder stehen schon seit meiner Kindheit, z.T. altehrwürdige Buchen und Eichen, die noch nicht den Weg in die offenen Kamine gefunden haben. Fichten wachsen natürlich schnell und dort verändert sich auch das Ökosystem rasant. Aber es wird ja auch wieder aufgeforstet, so dass fast alle Altersklassen vorhanden sind.
    Dies alles erklärt m.M. nach nicht den kompletten Wandel einiger Arten.


    Wie schon gesagt würde mich stark interessieren, ob jemand ähnliche Beobachtungen gemacht hat, insbesondere auch das vermehrte Auftreten früher seltener oder gar nicht vorhandener Arten.

  • Das AKW braucht nicht zu explodieren, seine Kühltürme sorgen für ständige Dampfentwicklung. In der Umgebung, bzw in Windrichtung, ist die Luft mit AKW feuchter und der Himmel bedeckter/bewölkter als ohne, dementsprechend ist es dort lokal etwas kühler.

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

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  • Hallo Rada,


    für Privat-Mykologen, deren Datengrundlage nurmehr zurückliegende (subjektive) Erinnerungen und/oder Aufzeichnungen sind, ist es nahezu unmöglich, solch einen Zusammenhang (Klimawandel/Migration) festzustellen. Das schaffen nicht einmal Wissenschaftler (Botaniker, Zoologen, Mykologen), denen momentan nur Meta-Analysen zur Verfügung stehen. Ganz schwieriges und kontroverses Thema! Aber interessant! Ich glaube auch eher, dass der Stickstoffeintrag (der heutzutage allein aus der Luft eine Menge ausmacht, die vor hundert Jahren als aktiver Dünger auf die Felder gelangte: 30-50 kg Stickstoff pro Hektar/Jahr) für den Rückgang mancher Arten verantwortlich ist.


    Grüßle
    Juergen

  • Nichts liegt mir ferner als dieses Thema auch nur annähernd wissenschaftlich diskutieren zu wollen. Da hast Du vollkommen recht.
    Aber auch subjektive Eindrücke, und nur darum handelt es sich ja, können interessant sein.


  • Nichts liegt mir ferner als dieses Thema auch nur annähernd wissenschaftlich diskutieren zu wollen. Da hast Du vollkommen recht.
    Aber auch subjektive Eindrücke, und nur darum handelt es sich ja, können interessant sein.


    :/ Hm ... subjektive Eindrücke können doch nur lokal begrenzt sein - und wie könnte ich die mit einem etwaigen globalen Klimawandel in Verbindung bringen? Das scheint mir die Quadratur des Kreises zu sein und auf tönernen Füßen zu stehen.
    Dabei kann doch nur herauskommen: Die Espenrotkappen sind in Planquadrat H 18 verschwunden und Maronen sind dort aufgetaucht. Ganz lokal und subjektiv.
    Oder meinst du es so: "Es wurden erste Kaiserlinge und Ölbaumtrichterlinge in der Lüneburger Heide gesichtet" - so in etwa?
    Ich bin wirklich gespannt, wie man aus Einzelbeobachtungen ohne koordinierte, vergleichende, harte Feld-Daten eine relevante Relation zu einem nicht bewiesenen bzw. über 3 Ecken abgeleiteten Klimawandel herstellen könnte.
    Scheint mir etwas gewagt.


    LG


    Cara



  • Oder meinst du es so: "Es wurden erste Kaiserlinge und Ölbaumtrichterlinge in der Lüneburger Heide gesichtet" - so in etwa?
    Ich bin wirklich gespannt, wie man aus Einzelbeobachtungen ohne koordinierte, vergleichende, harte Feld-Daten eine relevante Relation zu einem nicht bewiesenen bzw. über 3 Ecken abgeleiteten Klimawandel herstellen könnte.
    Scheint mir etwas gewagt.


    LG


    Cara
    [/quote]


    Nochmal, es geht nicht um wissenschaftliche Aufarbeitung. Es geht um lokale Beobachtungen. Da man von einer (meiner) Beobachtung ja nun weiß Gott keine allgemeinen Rückschlüsse ziehen kann, habe ich ja nach ähnlichen Beobachtungen gefragt. Und selbst das gibt letztlich nur ein Meinungsbild.
    Das sich das Klima in der Vergangenheit verändert hat, sich zur Zeit ändert und langfristig auch weiter ändern wird, ist schon lange bewiesen. Unklar ist, inwieweit der Mensch darin verwickelt ist. Aber das soll auch nicht das Thema hier sein.


    Ich lebe nun schon 51 Jahre am gleichen Ort und kenne hier wirklich jeden Baum. Da fallen solche Veränderungen eben auf. Wenn sich dann die sichtbaren Umstände nicht deutlich verändern, muss es " unsichtbare " Gründe geben. Warum nicht das ansteigen der Temperaturen ? Klar können auch andere Faktoren eine Rolle spielen, aber dazu fehlt mir das Wissen.


    Auch bei den Insekten, mit denen ich mich deutlich mehr beschäftige als mit den Pilzen, ist ein Anstieg wärmeliebender Arten in meinen Breiten ebenso zu beobachten, wie die zunehmend erfolgreiche Überwinterung diverser Wanderfalterarten die früher hier den Winter nicht überstanden haben.


    Es tut sich also ganz sicher was in der Natur, warum dann nicht auch bei den Pilzen.

  • Mir kommt da gerade eine Idee, Rada.
    Wenn mir etwas wirklich in der Nase sticht und mich beschäftigt und ich etwas genauer wissen will - also über ein normales, relativ unverbindliches Forengespräch hinaus - dann wende ich mich an die hiesige Biostation. Zumindest ergeben sich für mich bei solchen Gelegenheiten immer wieder informative und nette Gespräche.
    Kommt mir nur so beiläufig in den Sinn.


    LG


    Cara

  • Hallo Rada,


    persönliche Beobachtungen sind sehr wichtig und die Grundlage von Erkenntnissen. Es geht eher darum, ob die Beobachtungen systematisch sind, oder nur beiläufig, und den momentanen Kenntnisstand des Beobachters spiegeln. Ein Beispiel; zwar gibt es genügend Verbreitungsangaben (Atlanten KRIEGLSTEINER, Kartierung 2000, usw), aber oft zeigt das Verbreitungsbild nur an, wo welcher Spezialist sein "Gebiet" hat. "Zwischendrin" sozusagen, ist der "Mainstream" zu finden. Was soll man mit diesen Daten anfangen? Besser sind die Daten von Areal-Kartierungen zu verwenden; da wird nur ein Lebensraum von vielen Spezialisten bearbeitet. Die von Dir angesprochenen Phänomene bei Wanderfaltern sind z.B. kein Indiz für einen Klimawandel, weil es dieses Phänomen vereinzelt schon seit 100 Jahren gibt und weil auffällig, auch aufgezeichnet wurden.


    Grüßle
    Juergen

  • Re: Die Pilze und der Klimawandel ?


    hallo,
    meine beobachtungen über ca. 40 jahre ergeben in den von mir bevorzugten wäldern hier in meiner gegend keine veränderungen. ich finde immer noch die gleichen pilze in den gleichen wäldern über all die jahre hinweg.


    vielleicht ist das ja auch regional unterschiedlich.


    da unsere wälder immer wieder aufgeforstet werden, finde ich auch immer noch viele rotkappen (in mengen immer in jungen birkenwäldern).


    steinpilze, maronen, zigeuner, sandpilze, hexenröhrlinge, butterpilze, pfifferlinge usw. finde ich immer noch in den gleichen wäldern in ca. gleicher menge.


    lg gerda


  • Hallo Rada,


    persönliche Beobachtungen sind sehr wichtig und die Grundlage von Erkenntnissen. Es geht eher darum, ob die Beobachtungen systematisch sind, oder nur beiläufig, und den momentanen Kenntnisstand des Beobachters spiegeln. Ein Beispiel; zwar gibt es genügend Verbreitungsangaben (Atlanten KRIEGLSTEINER, Kartierung 2000, usw), aber oft zeigt das Verbreitungsbild nur an, wo welcher Spezialist sein "Gebiet" hat. "Zwischendrin" sozusagen, ist der "Mainstream" zu finden. Was soll man mit diesen Daten anfangen? Besser sind die Daten von Areal-Kartierungen zu verwenden; da wird nur ein Lebensraum von vielen Spezialisten bearbeitet. Die von Dir angesprochenen Phänomene bei Wanderfaltern sind z.B. kein Indiz für einen Klimawandel, weil es dieses Phänomen vereinzelt schon seit 100 Jahren gibt und weil auffällig, auch aufgezeichnet wurden.


    Grüßle
    Juergen


    Hast ja Recht Jürgen. Aber gar so ernst will ich das Thema gar nicht aufgenommen wissen.


    Nun, ich habs ja bewusst im " Pilzgeplauder " eingestellt und nicht im " wissenschaftlichen Bereich ".


    So sollte man es auch sehen. Zwangloses Geplauder über Beobachtungen subjektiver Natur. War vielleicht ein irreführender Fehler, den Klimawandel zu erwähnen.

  • Hallo Rada,


    Pilzgeplauder find ich ok, ich mach ja auch nichts anderes:-) Ich bin gerade zufällig an diesem Thema dran und kann Dir und den anderen hier eine sehr gute Lektüre dazu empfehlen:


    REICHHOLF, J. H. (2006): Eine kurze Geschichte des letzten Jahrtausends. S. Fischer. Frankfurt a. Main.


    Verständlich geschrieben und sehr erhellend!


    Grüßle
    Juergen