Warum Flechten Bestimmung nicht einfach ist!

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 1.798 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Mike Guwak.

  • Ich wollte mal ein wenig auch was erzählen, wieso selbst angeblich einfache Cladonien, sehr schwer und sogar einige ohne Dünnschichtchromatografie nicht zu bestimmen sind.


    C. chlororophaea (Flörke ex Sommerf.) Spreng.

    (mit Soralen und berindeten Körnern, nur mit Fumarprotocetrarsäure und Protocetrarsäure)


    die folgenden chemischen Rassen, die nur per Dünnschichtchromatografie bestimmbar sind


    C. cryptochlorophaea Asah. /Inhaltsstoffe(Chryptochlorophaeasäure und Furmarprotocetrarsäure)

    C. grayi G.Merr. ex Sandst. /Inhaltsstoffe(Grayansäure, Furmarprotocetrarsäure und Spuren von 4-O-Demethylgrayansäure und Congrayansäure)

    C. merochlorophaea Asah. /Inhaltsstoffe(Merochlorophaeasäure, Furmarprotocetrarsäure und Spuren 4-O-Methylcryptochlorophaeasäure und Cryptochlorophaeasäure)

    C. novochlorophaea (Sipman) Brodo & Ahti /Inhaltsstoffe(Sekikasäure, Homosekikasäure)


    Vom Habitus her sind diese nicht zu unterscheiden. Merkmale sind bei allen gleich.


    Und hier mal, wie das ganze geschichtlich zusammen passt und warum es so schwer ist.


    1) Alles wurde früher C. pyxidata genannt

    2) Später aufgetrennt C. pyxidata, C. pocillum, C. chlorophaea

    3) Mit der Chemie dann


    C pyxidata (nur Körner, Grundschuppen aufrecht)

    C. pocillum (nur Körner, Grundschuppen flach dichtschließend)

    C. chlorophaea (mit Körnern und Soredien)

    (alle 3 chemisch identisch, morphologisch verschieden)


    Und zusätzlich chemisch abweichend mit C. chlorophaea morphologisch identisch (auch als Rassen von C. chlorophaea weil nur chemisch unterscheidbar)


    C. cryptochlorophaea Asah.

    C. grayi G.Merr. ex Sandst.

    C. merochlorophaea Asah.

    C. novochlorophaea (Sipman) Brodo & Ahti


    Die manchmal angegebenenen Farbunterschiede " bräunlicher" sind reine Kaffeesatzleserei!


    So hat es Felix mir erklärt und verstehe ich jetzt auch. Und das macht es so schwer, weil selbst die Tüpfelreaktionen null wirkliche Informationen bringen.

    Ich finde für Anfänger trotzdem immer noch die Cladonien einen Super Einstieg. Die Mittel der Bestimmung sind halt begrenzt und so kann eine Tüte oder Foto zwei Namen enthalten, weil der Teil der Chemie einfach fehlt.


    An diesem kleinen Beispiel, wollte ich nur verdeutlichen, das bei Fotos immer die Bestimmung nichts bringt. Selbst die Profies wie Wirth oder Athi schreiben das nicht umsonst in ihren Büchern.

    Und die neuen Schlüssel sind die Hölle. Wer Cladonien bestimmen möchte, sollte Bertsch,Sandstede oder Erichson nutzen. Auch ich bekomme immer gesagt, alte Bücher. Ja nur sind das immer noch die besten Bücher und bei Erichson und Sandstede findet man auch verschiedene Formen einer Art. Das macht das bestimmen nicht einfacher, nur wird das heute leider unter den Tisch fallen gelassen. Ich meinem Buch habe ich C. furcata, mit 5 verschiedene Formen abgelichtet. In den neuen Büchern fällt das alles einfach unter C. furcata.


    Hiermit möchte ich nur mal einen Einblick geben, in die Lichenologie und was es bedeutet, wenn man gesagt bekommt, kann man nicht bestimmen weil....

    Und wenn jemand schnell eine Antwort hat und sagt, die ist es, sollte man das immer hinterfragen. Egal wer einem das sagt. Hin setzen, versuchen zu überprüfen ob man auf das gleiche Ergebnis kommt.


    Das hier soll keine Verurteilung, Selbstweicherung, den Spaß nehmen oder was ich sonst vergessen habe. Ich wollte nur mal aufzeigen, mit was ich mich zur Zeit rum schlage ;)

  • Hallo Mike,


    in welcher Weise wirken sich denn die chemischen Eigenschaften, die zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Chromatographie führen, auf das Fortpflanzungsgeschehen aus? Denn das ist ja eigentlich immer noch der Hintergedanke dabei, wenn es um das Konzept einer "Art" geht. Will sagen, sitzen die fraglichen chemischen Eigenschaften wirklich an dieser Stelle? Oder sind die womöglich genauso wilkürlich wie der Farbton, bei dem man sich vehement weigert, den als taxonomisch relevant zu betrachten?

    Oder ist gar das alte Artkonzept mittlerweile klammheimlich über Bord geworfen und es zählt nur noch als eine Art, wenn 99,985% der DNS die gleichen Basenpaare haben?


    Liebe Grüße, Bernd

  • Leider wird die DNS immer wichtiger, gegenüber der Morphologie. Dadurch hat es schon etliche Änderungen innerhalb der Gattungen gegeben. Ich selbst bin kein Freund davon.
    Was die Chemie angeht und Chromatographie, so ist diese enorm wichtig. Es gibt sehr viele Flechtenstoffe, die man nur damit nachweisen kann. Dadurch ergeben sich innerhalb einer Gattung auch bestimmte Arten.


    Das hier aufgeführte Beispiel habe ich selbst in meinem Herbar und untersucht. Somit kann ich sagen das es schon sehr wichtig ist und bei einer Bestimmung das Ergebnis aus macht.
    Chromatographie kann nicht jeder, zumindest sollte jeder die Tüpfelreaktionen vornehmen. Diese sind unumgänglich.


    Wenn jemand Fotos macht und keine weitere Mittel hat, muss man sich damit zufrieden geben, wenn es nur den Namen der Gattung gibt.

    • Offizieller Beitrag

    Leider wird die DNS immer wichtiger, gegenüber der Morphologie. Dadurch hat es schon etliche Änderungen innerhalb der Gattungen gegeben. Ich selbst bin kein Freund davon.
    Was die Chemie angeht und Chromatographie, so ist diese enorm wichtig. Es gibt sehr viele Flechtenstoffe, die man nur damit nachweisen kann. Dadurch ergeben sich innerhalb einer Gattung auch bestimmte Arten.


    Das hier aufgeführte Beispiel habe ich selbst in meinem Herbar und untersucht. Somit kann ich sagen das es schon sehr wichtig ist und bei einer Bestimmung das Ergebnis aus macht.
    Chromatographie kann nicht jeder, zumindest sollte jeder die Tüpfelreaktionen vornehmen. Diese sind unumgänglich.


    Wenn jemand Fotos macht und keine weitere Mittel hat, muss man sich damit zufrieden geben, wenn es nur den Namen der Gattung gibt.

    Hi,


    obwohl nun gerade DC noch zu den einfachsten und am leichtesten durchführbaren Analysenmethoden gehört; mit dem entsprenden Equipment kann das jeder zu Hssue ohne große Probleme durchführen (ohne größere Gerätschaften, Abzug etc.).


    Nicht nur bei Flechten besteht das beschriebene Problem, sondern auch bei Pilzen, wobei die Chemotaxonomie auch ein wichtiger Faktor ist. Zum Glück ist es aber bei den "normalen" Pilzen so, dass die Genetik nicht allein entscheidet, sondern auch die Chemotaxonomie und die Morphologie eine große Rolle spielen.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo, danke. Das war aber nicht der Kern meiner Frage. Sondern der, ob (i) nachgewiesen ist, dass die fraglichen chemischen Eigenschaften (inklusive derjenigen der DNS), mit dem traditionellen Verständnis einer Art (Fortpflanzung ja/nein) korrelieren, oder ob (ii) dieses traditionelle Artkonzept zugunsten einer formalchemischen Aussage "wenn Reaktion ABC, dann Art X.y." aufgegeben wurde. Oder (iii) man weiß es nicht so genau, aber das machen halt jetzt alle so, ist "modern", "Stand der Wissenschaft" ...


    LG, Bernd

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    das klassische Artkonzept sieht die Fortpflanzungsfähigkeit der Nachkommen! vor nicht ob Individuum 1 mit Individuum 2 Nachkommen haben kann.


    Ansonsten ist z.B. bei Weiden bekannt, dass es sehr wohl fortpflanzungsfähige Hybriden gibt, so dass schon bei der klassische Artdefinition länger bekannte Ausnahmen gibt.


    Zu i und ii sage ich mal nix; aber zu iii bezüglich normaler Pilze. Es ist schon oft so, dass sich genetische Unterschiede (bei Inocyben mit weniger als 97% Übereinstimmung z.B.) es sich gezeigt hat, dass sich konstant gezeigt hat, dass das das jeweils eigene Arten sind und dies auch mit morphologischen Merkmalen korrelieren und selbstverständlich sollte auch nicht jede neu beschriebene Art sofort übernommen werden, denn hin und wieder landen diese neuen Arten in der Synonymie. Neue Artbeschreibungen allein aufgrund von genetischen Untersuchungen/Ergebnissen halte ich persönlich jedenfalls für kritisch.


    Quintessenz des ganzen: Die Natur lässt sich nicht in in menschengemachte Schubladen sperren.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo Stefan, danke. Nun, das mit dem ganz klassischen Artkonzept funktioniert nur bei Pferd und Esel. Neben den Weiden klappt das so schon nicht bei den Orchideen, da geht es munter zu mit Kreuzungen selbst über mehrere Gattungen hinweg Gymnadenia x Dactylorhiza und innerhalb der Gattung Dactylorhiza kann ohnehin jeder mit jedem, ohne dass die Hybride deswegen irgendwelche Defizite aufweisen. Auch das Rackelhuhn mag sich nicht so recht daran halten, oder ägyptische Hauskatze und europäische Wildkatze. Und warum der Homo sapiens eine andere Art sein soll als der H. neandertaliensis, wenn doch nach neueren Erkenntnissen reichlich DNS von diesem abstammt, erschließt sich auch nicht so recht. Von daher würde ich es durchaus verstehen, wenn man beim Artkonzept pragmatisch zu (ii) übergeht. Nur sollte man das dann auch klar kommunizieren.


    LG, Bernd

  • Hallo, danke. Das war aber nicht der Kern meiner Frage. Sondern der, ob (i) nachgewiesen ist, dass die fraglichen chemischen Eigenschaften (inklusive derjenigen der DNS), mit dem traditionellen Verständnis einer Art (Fortpflanzung ja/nein) korrelieren, oder ob (ii) dieses traditionelle Artkonzept zugunsten einer formalchemischen Aussage "wenn Reaktion ABC, dann Art X.y." aufgegeben wurde. Oder (iii) man weiß es nicht so genau, aber das machen halt jetzt alle so, ist "modern", "Stand der Wissenschaft" ...


    LG, Bernd

    Ich weis nicht auf was du hinaus willst. Ohne Chemie, keine Bestimmung. Das war in den letzten Jahrzehnten schon immer so und wird auch immer so bleiben. DNS ist ein anderes Thema und sehr komplex.