Kleiner Abendspaziergang wird zur Russula-Tour

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  • Hallo zusammen,


    gestern hieß es abends, nochmal ein, zwei Stunden raus in den Wald. Wie so oft machte ich eine kleine Runde durch bekannte Gefilde. Direkt wenige Meter vom Parkplatz entfernt ein erster, ja halber Hexenring würde ich fast sagen mit einer Russula. Nach einigen Bildern und der Untersuchung und Rückversicherung vor Ort stand die Art zügig fest: R.nigricans.

    Der braune, noch eingerollte Hut, die kompakte Statur mit kräftigem Stiel, die entfernt stehenden, anastomosierenden Lamellen und vor allem das schnelle röten im Schnitt mit späterem Umschlagen ins Schwarze machte die Art deutlich. Umherstehend Buchen, Lärchen und eine Linde.


    Also weiter. Als nächstes stolperte ich über etwas "Frauentäublingsartiges". Zwei auf den ersten Blick ins Lilane gehende Pilzchen steckten ihr Köpfchen aus dem Waldboden. Bei näherem Hinsehen, gräulich-olivfarben-lilane Verläufe. Eine kurze Kostprobe ergab einen milden Geschmack. Die Lamellen waren bei dem jungen doch auch recht weich, splitterten aber dennoch, farblich waren sie auch nicht reinweiß sondern cremefarben und auch der Stiel zeigte sich rosa überhaucht. Vielleicht R.ionochlora? Wie sich später herausstellte ja: langsame nicht so starke Reaktion ins grünliche (erst nach 20 sek einigermaßen deutlich), mit Eisensulfat gelblich rosalich. SPP IIa. Die Sporen zeigten dann die typischen Maße und Merkmale: amyloid, 7x6µm und nur wenige angedeutete Linien zwischen den Warzen. Die Hutdeckschicht hatte ich dann später aus Zeitgründen nur in Wasser mikroskopiert. Dort fand ich typisch kurzgliedrige Hyphen mit für Griseinae typischen Einschlüssen (so hatte ich das doch richtig verstanden?). Auch die bei MXM erwähnten kopfigen Pileozystiden waren zu entdecken:



    Der nächste Fund bei Buchen sollte mir am Ende die meiste Arbeit machen. Im Wald war er mir nicht klar einzuordnen. Leider auch schon etwas weich werdend. Im Zusammenhang mit seinen schönen hellroten Farben (mit etwas blasserer Mitte) und den weißen Lamellen dachte ich an Emeticinae. Doch Pustekuchen. Der Geschmack fiel mild aus. Die Lamellen waren zudem an der trichterförmig aufgeblähten Stielspitze ausgebuchtet angewachsen (siehe Bild). Der Stiel war weiß und weich. Ich blieb ratlos.



    Leider sollte die mikroskopische Bestimmung später auch sehr mühsam werden. Das Sporenpulver landete bei IIa. Die Sporen zeigten sich amyloid, 7-8x6µm mit ca. 0,5µm hohen Warzen, welche deutliche Verbindungslinien aufwiesen. Auch der Apiculus zeigte sich deutlich.



    Die Hutdeckschicht zeigte in Wasser (Kongorot habe ich derzeit leider immer noch nicht zur Verfügung) am ehesten keulige Elemente. Interessant waren zahlreiche rötliche Einschlüsse in den Hyphen und bei genauem Hinsehen auch in Zystidenköpfchen (ich habe das mal eingekreist, man muss gut auf die umgebende Struktur achten, im Mikroskop war das deutlicher).



    In Karbolfuchsin zeigten sich dann anfärbbare Inkrustinationen, die aber kaum irgendwelchen Elementen zuzuordnen waren. Es war nicht so richtig schön (ich musste an Oehrling denken, der ja schonmal darauf hingewiesen hat, dass sich diese Elemente auch ablösen ... ob das hier der Fall war?). Mit viel Phantasie ließen sich an mehreren Stellen schmale IPH erahnen, die durchgehend mit Inkrustinationen besetzt waren, aber nochmal: schön ist anders:



    Ich landete schließlich bei Russula mustulina, der makroskopisch auch ganz gut passte. Bei genauerem Hinsehen war jedoch deutlich, dass vieles nicht passte. Der Gefundene war klein, aber mustulina ist scheinbar noch kleiner und hat vorallem auch noch kleinere Sporen. Auch der Wuchs auf sandigen Böden passte so gar nicht ins Bild.

    Ich probierte am ein Tage alten Exsikkat SV aus und siehe da, eine prompte Reaktion ... also doch zumindest irgendwas aus der Gruppe Roseinae. Aber was? Velutipes? Den hatte ich neulich und er war mir anders erinnerlich (auch wenn von den Sporen und den IPH her durchaus passend). Aber das letzte Mal zeigte sich eine knallig eosinrote Verfärbung am Stiel. Die Reaktion des Exsikkats hier zeigte sich pink (!?!?), definitiv nicht rot (siehe Bilder). Ich bleibe schlussendlich ratlos. Vielleicht habt Ihr noch einen Tipp:



    Der nächste Fund bereitete mir große Freude, den bereits mit dem Blick auf den Hut erkannte ich nun viel vertrautes. Die Farben und der typische Farbverlauf (außen rosa, von innen gelb ausblassend). Ausserdem mir gut erinnerlich das "Merkmal" der zahlreichen kreisrunden Frassstellen auf dem Hut. Ich dachte mir ... wenn ich dich umdrehe hast du ockergelbe Sporen und einen ziemlich kurzen Stiel, wetten ... bingo: beides vorhanden, Stiel kürzer als Hut breit (6 vs. 8 cm). Der SPP-abwurf bestätigte gelbe Sporen (IVB), gut bei Marxmüller mit IVa angegeben, ich ließ es gelten und sparte mir das mikroskopieren: R. curtipes



    Zu guter letzt dann noch ein für mich neuer Fund. Bereits auf dem Rückweg Richtung Parkplatz entdeckte ich auf einem abgeräumten Holzlagerplatz unter Fichten vier sehr stattliche Russula (bis 17cm Hüte und Stielen teilweise um die 10cm). Interessanterweise zwei Paare, die etwas entfernt voneinander standen, mit hoher Wahrscheinlichkeit doch die selbe Art waren und dennoch (durch die etwas versetzten Standorte?) unterschiedliche Huttöne zeigten. Die Grundfarbe war deutlich braun, aber das zweite Pärchen zeigte nochmals deutlich weinrote Einschläge (vergleiche Bild). Die Lamellen zeigten sich ockergelb, dicht beieinander, gegabelt und angewachsen:



    Hier landete ich bereits durch die makroskopischen Merkmale und den milden Geschmack schnell bei R. integra. Auch das Sporenpulver sollte mit IVc wie die Faust aufs sprichwörtliche Auge passen, genau wie die chemischen Reaktionen: Guajak sehr schnell (direkt) tief türkis-grün, FeSO4 dezent bräunlich-gelblich.



    Auch die mikroskopischen Merkmale bestätigten den Fund: große Sporen von 10x8µm, rein isoliertwarzig, mit langen, spitzen Warzen sind typisch. Und auch die Pileozystiden passen aus meiner Sicht. Aus Zeitmangel suchte ich nun nicht mehr nach IPH. Die sollen wohl auch teilweise nicht gut zu beurteilen sein und nach dem Kampf mit der Roseinae (!?) fehlte mir auch etwas die Lust muss ich gestehen. Alles in allem doch mal ein gelungener Spaziergang wie ich finde ...



    Ich hoffe ich konnte euch die interessanten Funde etwas unterhaltsam näher bringen. Für Hinweise, Tipps und Korrekturen meiner Bestimmungsarbeit bin ich jederzeit dankbar.


    Herzliche Grüße

    Sebastian

  • Hallo Sebastian,

    die SV-Reaktion am Stiel ist völlig normal für die Roseine. Je nach Wassergehalt der Pilze kann das variieren. Bei R. nigricans stehen mir die Lamellen fast noch zu dicht, aber das kann auch am Abbildungsmaßstab liegen.

    LG Karl


  • Hallo Sebastian,


    ich glaube, die Art und Weise wie man an so einen Fund herangeht hast du jetzt schon drin.
    Die SV-Reaktion am Stiel ist wie auch Karl W schon gesagt sehr variabel, hatte ich heute sogar mit negativ. Da muss ich morgen im angetrockneten Zustand sicherheitshalber nochmal testen.

    ich ließ es gelten und sparte mir das mikroskopieren:

    bei der R. curtipes würde mich interessieren, wie weit die Huthaut abzuziehen war?


    Ansonsten sage ich persönlich: TOP!


    LG

    claus

  • Hallo ihr Zwei, das mit der Variabilität finde ich nochmal eine wichtige Erfahrung. Danke für euren Input.


    Claus: die Huthaut bei R.curtipes habe ich nicht abgezogen. Die der Roseinae war übrigens komplett abziehbar. Wobei der Pilz schon ziemlich weich war.


    Beste Grüße

    Sebastian