Ausbreitung von Pilzen durch Klimawandel

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  • Hallo Safran,


    Komplettlisten sind ja immer so eine Sache. Muss da grad an Loriot und seine Möpse denken...


    Aber ich versuche auch konstruktiv zu denken. Spontan drängt sich mir auf:


    - Ringloser Hallimasch

    - Mediterraner Körnchenröhrling

    - Roter Gitterling

    - Ölbaumtrichterling
    ... Alles Pilze die man schon mal finden konnte in den letzten Jahrzehnten in der BRD, aber eben auch Pilze die möglicherweise häufiger werden könnten, weil warm.


    Aber ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass mit der Aufzählung von ein paar wärmeliebenden Arten irgendwas "begreifbar" wird.


    Um ernsthaft klimabedingte Veränderungen an einem Fundpunkt/in einem Biotop zu dokumentieren, müsste man andere Variablen einigermassen fixieren. Aber da es zumindest in meinem Gäu, praktisch keine Wälder ohne menschliche Beeinträchtigung gibt, ist das illusorisch bis utopisch. Ich kann mir aber vorstellen, dass in Bereichen mit Prozessschutz und größeren Flächen in Nationalparks die Veränderungen dokumentiert werden können.


    Grüßle

    RudiS

  • Servus Rudi...


    Um ernsthaft klimabedingte Veränderungen an einem Fundpunkt/in einem Biotop zu dokumentieren, müsste man andere Variablen einigermassen fixieren. Aber da es zumindest in meinem Gäu, praktisch keine Wälder ohne menschliche Beeinträchtigung gibt, ist das illusorisch bis utopisch. Ich kann mir aber vorstellen, dass in Bereichen mit Prozessschutz und größeren Flächen in Nationalparks die Veränderungen dokumentiert werden können.

    und genau deshalb laufen entsprechende Projekte im Nationalpark Bayerischer Wald. Die Untersuchungstransekte zeigen durch deren Höhengradienten durchaus entsprechende Arealänderungen auf - nur gibt es eben viele andere Einflussfaktoren. Das Problem ist halt wieder, dass Klima gemittelt ist, aber die Witterung schon allein Einfluss haben kann.


    Eins der Probleme: Myzelien können ja schon vorhanden sein, nur klappt es z.B. aus Konkurrenzgründen nicht mit der Fruktifikation. Ein heiß-trockener Sommer und plötzlich sieht man Fruchtkörper, dabei gibt es das Myzel vielleicht schon länger.


    Wir sehen bei Pilzen eben nur, ob sie Sex haben, nicht aber, ob sie auch ohne leben und "schon da" sind. Jedenfalls nicht ohne DNA-Blindproben. Und es ist überraschend, was man so alles findet, wenn Bodenproben blind sequenziert werden.



    Servus Safran...


    Hätte mal einer eine Komplettliste der wärmebegünstigten Arten, damit ich die überhaupt mal alle, soweit ich sie erkennen würde, in der Ausbreitung beobachten könnte.

    Der genannte Wabenporling, Kaiserling, fransiger Wulstling, südlicher Ackerling sind mir noch gar nicht in Deutschland begegnet, der südliche Ackerling aber in China, aber da in einem echt wärmebegünstigten Gebiet.

    Komplettlisten - schwierig... und was verstehst du unter wärmebegündtigt? Konkret: Hypholoma fasciculare, der Grünblättrige Schwefelkopf, ist sicher nicht wärmeliebend, sondern kommt fast überall vor. Trotzdem zeigt sich, dass er in Geborgslagen plötzlich selten wird (ab bestimmter Höhenstufe). Ergo kann er als Indikator dienen.


    Und für mich sind Arten "wärmeliebend", die für andere indifferent sind. Hier in Oberbayern ist das "wärmeliebend", was im Alpenvorland wächst, aber nicht an Nordhängen oder in den Bergen. Für einen Bewohner des Rheingrabens ist wohl eher der Kaiserling oder der Ölbaumpilz "wärmeliebend". Man muss es im Verhältnis zu anderen Arten im Gebiet sehen.


    Der Wabenporling ist bei mir weit verbreitet. Ich würde ihn nicht als wärmefordernd erkennen. Im Bayerischen Wald war lange Zeit Fehlanziege. Inzwischen ist er aber selbst da angekommen. Aber warum? Breitet er sich entlang der Flüsse aus, weil es wärmer wird oder gibt es andere Gründe für die Ausbreitungstendenz?


    Bei einer Komplettliste wären wohl auch viele Arten dabei, bei denen die "Wärmeliebe" eine Scheinkorrelation ist.


    Russula nigricans ist wiederum so häufig bei mir, unabhängig von warm oder kühl, dass ich ihn nicht als Wärmezeiger erkennen würde. Vielleicht ist er es aber durchaus in gewissem Maße. Ob die Ausbreitung bei dir jetzt aber daran liegt, dass es wärmer wird oder weil sich andere Strukturen in den Wäldern, die du begehst, ändern (Sukzession), ist nicht einfach abzuklären. Das Thema ist anspruchsvoll.


    Überhauptvorkommen des Gifthäublings, der auch immer häufiger wird. Jahrelang bin ich dem erfolglos nachgejagt- jetzt ist er fast häufiger als das Stockschwämmchen, aber meist eher kleinere Grüppchen. Die Ausbreitung des Gifthäublings wurde bei uns aber vielleicht auch deshalb erschwert, weil hier fast nur Laubwälder Den ursprünglichern Namen Nadelholzhäubling hatte er vermutlich nicht ganz ohne Grund- alle unsere Funde übrigends an Laubholz.

    Aber die sind doch wohl beide keine wärmebegünstigten Arten, oder?


    Ich hatte mich immer schon am Namen "Nadelholzhäubling" gestört. Solange ich pilzlich denken kann, ist er bei mir ein typischer Buchenwaldpilz, der häufiger an Buche als an Fichte vorkommt. Ich bin aber auch in Kalkbuchenwäldern aufgewachsen. Wer aus einer Fichtenregion stammt, der wird ihn als Nadelholz bevorzugend wahrnehmen. Er nimmt einfach alles, der Name ist m.E. völliger Blödsinn, wei er dazu verleitet, Stockschwammerl an Laubholz ohne genaueres Prüfen zu sammeln.


    Am meisten schüttelt es mich, wenn ich irgendwo lese, dass er früher nur an Nadelholz wuchs, später aber gelernt hat, auch Laubholz zu nehmen... Eine sehr gewagte These.


    Aber auch hier ist es alles andere als trivial. "Der" Gifthäubling ist ein Aggregat (egal, ob man Arten draus macht oder Ökotypen bzw. Varietäten) - es kann gut sein, dass innerhalb des Aggregats eine Einnischung substratabhängig erfolgte. Dann muss nur ein anderer Ökotyp (bzw. eine andere kryptische Art) zufälligerweise zuwandern und sich ausbreiten - und für den Beobachter sieht es dann so aus, als wäre die vorher vorhandene Population auf ein andere Substrat umgesprungen und breite sich aus.


    Vielleicht sind meine ganzen Buchenholz-Gifthäublinge eine andere Kleinart... wer weiß? Hier kommt eben das Problem der Taxonomie dazu, die die Auswertung erschwert.


    Daher ist es besser, statt mit zu langen Artenlisten zu arbeiten (bei denen zu viele Scheinkorrelationen hinter der Platzierung auf der Liste stehen), sich mit wenigeren, dafür klareren Zeigerarten zu beschäftigen. Und dennoch kann es sein, dass die Pilze stärker auf Nitratzuwachs als auf Erwärmung reagieren. Mykorrhizapilze sind daher hier etwas kritisch. Vielleicht sollte man Holzbesiderler als Zeiger verwenden...


    Liebe Grüße,

    Christoph